Fall 2021-060N

Zoombombing von Neonazis (Verfahren 5)

Zürich

Verfahrensgeschichte
2021 2021-060N Der Beschuldigte ist schuldig der mehrfachen Diskriminierung und Aufruf zu Hass im Sinne von Art. 261bis StGB sowie der Sachbeschädigung im Sinne von Art. 144 Abs. 1 StGB.
Juristische Suchbegriffe
Tathandlung / Objektiver Tatbestand Verbreiten von Ideologien (Abs. 2);
Organisation von Propagandaaktionen (Abs. 3);
Herabsetzung oder Diskriminierung (Abs. 4 Hälfte 1)
Schutzobjekt Rasse;
Ethnie;
Religion
Spezialfragen zum Tatbestand Öffentlichkeit;
Subjektiver Tatbestand
Stichwörter
Tätergruppen Privatpersonen
Opfergruppen Juden;
Schwarze Personen / PoC;
Ausländer und Angehörige verschiedener Ethnien
Tatmittel Wort;
Schrift;
Ton / Bild;
Verbreiten von rassistischem Material
Gesellschaftliches Umfeld Schule
Ideologie Antisemitismus;
Rassismus (Nationalität / Herkunft);
Rechtsextremismus

Kurzfassung

Der Beschuldigte hat während drei verschiedenen Online-Vorlesungen auf «Zoom» mittels Audiofunktion rechtsextreme und antisemitische Äusserungen getätigt. Weiter hat er einen Propagandafilm über die «Eisenjugend Schweiz» erstellt sowie rassistische Aufkleber und Flyer verteilt.
Der Beschuldigte ist schuldig der mehrfachen Diskriminierung und Aufruf zu Hass im Sinne von Art. 261bis StGB sowie der Sachbeschädigung im Sinne von Art. 144 Abs. 1 StGB.

Sachverhalt

Es liegen mehrere unterschiedliche Tathandlungen vor.
1.1 Störaktionen auf «Zoom»Störaktion 1
Der Beschuldigte und ein Mittäter (separates Verfahren) loggten sich unter Verwendung der Usernamen «Alles Gute A.H.88» (Beschuldigter) und «Geburtstagsgast A.H.» bzw. «Volksgenosse» (Mittäter) von ihren jeweiligen Wohnorten aus in eine via «Zoom» durchgeführte Online-Vorlesung der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) ein, an welcher ebenfalls eine unbestimmte Anzahl von Studierenden sowie Dozierenden (insgesamt ca. 120) eingeloggt waren.
Der Beschuldigte hatte den Mittäter zunächst die Zugangsdaten zu dieser Online-Vorlesung gesendet und gab ihm die Anweisung, die Veranstaltung mit rassistischen Sprüchen zu stören. Mittels der Audiofunktion tätigte der Mittäter unter dem Pseudonym «AH. Geburtstagsgast» die Äusserung, dass heute der «Geburtstag des Führers» sei.
1.2 Störaktion 2
Der Beschuldigte und mehrere Mittäter loggten sich von ihren jeweiligen Wohnorten aus in eine via «Zoom» durchgeführte Online-Ringvorlesung der ZHdK ein, an welcher ebenfalls eine unbestimmte Anzahl von Studierenden sowie Dozierenden eingeloggt waren. Dabei verwendeten sie folgende Usernamen:
- Der Beschuldigte: «Simon Kellner», «Mike Berner», «Alles Gute AH. 88»
- Mittäter 1: «Genosse», «Volksgenosse 2.0», «ZOGBOY»
- Mittäter 2: «Lukas Maurer», «Stephan Maurer», «Gabe ltch»
- Mittäter 3: «Lukas»
- Mittäter 4: «Mohammed», «Ahmed»
- Mittäter 5: «Toby»
Der Beschuldigte hatte den Mittätern zunächst die Zugangsdaten zu dieser Online-Ringvorlesung gesendet und gab ihnen die Anweisung, die Veranstaltung mit rassistischen Sprüchen zu stören.Mittels der Audiofunktion tätigten die Beschuldigten mündlich die Äusserungen «Heil Hitler», «Sieg Heil», «what does nazi mean, nazi means a good person» und beschrifteten mittels der Annotationsfunktion die vom Dozenten gezeigten Folien mit «Neger» sowie mit Hinweisen auf den Geburtstag von Adolf Hitler, welcher sich am 20.04. jährte.

1.3 Störaktion 3
Der Beschuldigte und die Mittäter loggten sich unter Verwendung folgender Usernamen von ihren jeweiligen Wohnorten aus in eine via «Zoom» durchgeführte Online-Vorlesung der ZHdK ein:
- Der Beschuldigte: «Murek Belran»
- Mittäter 1: «Sabrina Künzli»
- Mittäter 2: “82756”
Der Beschuldigte hatte den Mittätern zunächst die Zugangsdaten zu dieser Online-Vorlesung gesendet und gab ihnen die Anweisung, die Veranstaltung mit rassistischen Sprüchen zu stören.
Mittels der Audiofunktion tätigten die Beschuldigten die Äusserungen «Sieg Heil», «Hitler»,«jüdische Hochschule» und zeigten ein Bild von einem Hakenkreuz und einer Person, die den Hitlergruss vollführt.

2. Propagandafilm
Der Beschuldigte sowie weitere unbekannte Personen erstellten einen 3:33 minütigen Propagandafilm über die Gruppierung «Eisenjugend Schweiz» und verbreiteten diesen auf diversen Onlineplattformen, bspw. «bitchumte.com», sodass eine unbestimmte Anzahl von Menschen den Film betrachten konnte.
lm Film wird ab Minute 01:00 bis 01:41 gezeigt, wie die Beschuldigten über glühender bzw. brennender Kohle die Flaggen von Israel und der EU verbrennen.
Ab Minute 02:29 werden zwei Arten von Aufklebern der «Eisenjugend Schweiz» gezeigt, die von den Beschuldigten hergestellt worden waren, mit dem folgenden Inhalt:
Design 1
«Rassenmischen Mischkinder sind anfälliger für gesundheitliche Probleme wie Stress, Rauchen und Trinken. Quelle https://archive.is/vx7f1
Gemischte Baby's kommen ungesünder zur Welt als Unvermischte. Quelle: https://archive.is/j1nW1
Gemischtrassige Paare sind gewalttätiger als weisse Paare. Quelle: https://archive.is/97g7m, eisenjugendschweiz@....com»

Design 2
«War der Bolschewismus jüdisch?
• Karl Marx - Vater des Kommunismus
• Moses Hess - Sozialist und Vordenker des Zionismus
• Leon Trotzky (Lew Bronstein) - Wichtiger Politiker des bolschewistischen Regimes
• Genrikh Yagoda - Organisator der Gulags

eisenjugendschweiz@....com»
3. Kleberaktionen
Design 1
«Rassenmischen Mischkinder sind anfälliger für gesundheitliche Probleme wie Stress, Rauchen und Trinken. Quelle https://archive.is/vx7f1
Gemischte Baby's kommen ungesünder zur Welt als Unvermischte. Quelle: https://archive.is/j1nW1
Gemischtrassige Paare sind gewalttätiger als weisse Paare. Quelle: https://archive.is/97g7m, eisenjugendschweiz@....com»

Design 2
«War der Bolschewismus jüdisch?
• Karl Marx - Vater des Kommunismus
• Moses Hess - Sozialist und Vordenker des Zionismus
• Leon Trotzky (Lew Bronstein) - Wichtiger Politiker des bolschewistischen Regimes
• Genrikh Yagoda - Organisator der Gulags
eisenjugendschweiz@protonmail.com»

3.1 Kleberaktion an der ETH Zürich
Der Beschuldigte brachte an der Polyterrasse der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich mehrere Aufkleber mit den o.g. Inhalten (Design 1 und Design 2) an, welche er zuvor selber verfasst hatte und herstellen liess. Die Aufkleber waren für eine unbestimmte Anzahl von Passant*innen ersichtlich, was der Beschuldigte wusste.

3.2 Kleberaktion an der ZHdK
Der Beschuldigte brachte an mehreren Örtlichkeiten auf dem Areal der ZHdK ca. 270 Aufkleber mit den o.g. Inhalten (Design 1 und Design 2) an, welche er zuvor selber verfasst hatte und herstellen liess. Die Aufkleber waren für eine unbestimmte Anzahl von Passant*innen ersichtlich, was der Beschuldigte wusste.

3.3 Kleberaktion in Effretikon
Der Beschuldigte brachte an einem Laternenpfosten mehrere Aufkleber mit den o.g. Inhalten (Design 1 und Design 2) an, welche er zuvor selber verfasst hatte und herstellen liess. Die Aufkleber waren für eine unbestimmte Anzahl von Passant*innen ersichtlich, was der Beschuldigte wusste.

Entscheid

1.1 Störaktionen auf «Zoom», Störaktion 1

Durch diese mündlichen Äusserungen setzten die Beschuldigten die jüdische Gruppe aufgrund ihrer Zugehörigkeit öffentlich als minderwertig herab und schürten Hass gegen sie. Die genannten Beschuldigten handelten dabei aufgrund des vor diesem Meeting gefassten gemeinsamen, zumindest konkludenten Handlungsentschlusses, die Online-Vorlesung durch rassistische Äusserungen zu stören, womit jeder, soweit er nicht persönlich handelte, mit den Handlungen des Andern einverstanden war bzw. diese zumindest billigte (Diskriminierung und Aufruf zu Hass im Sinne von Art. 261bis StGB).

1.1 Störaktion 2 und 1.3 Störaktion 3
Mit diesen Äusserungen setzten die Beschuldigten öffentlich die jüdische Gruppe und diejenige Schwarzer Menschen aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu diesen Gruppen als minderwertig herab und schürten Hass gegen sie.
Die genannten Beschuldigten handelten dabei aufgrund des vor diesem Meeting gefassten gemeinsamen, zumindest konkludenten Handlungsentschlusses, die Online Vorlesung durch rassistische Äusserungen zu stören, womit jeder, soweit er nicht persönlich handelte, mit den Handlungen des Andern einverstanden war bzw. diese zumindest billigte (Diskriminierung und Aufruf zu Hass im Sinne von Art. 261bis StGB).

2. Propagandafilm
Mit diesen Filmsequenzen (Verbrennen der Flaggen, Zeigen der Aufkleber) setzten die Beschuldigten öffentlich die jüdische Gruppe aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu diesen Gruppen als minderwertig herab und schürten Hass gegen sie (Diskriminierung und Aufruf zu Hass im Sinne von Art. 261bis StGB).Zudem verursachte er einen Sachschaden von mehr als CHF 300 für die Reinigung bzw. Entfernung der Aufkleber, was er wusste und zumindest in Kauf nahm (Diskriminierung und Aufruf zu Hass im Sinne von Art. 261bis StGB und Sachbeschädigung im Sinne von Art. 144 Abs. 1 StGB).
Der Beschuldigte ist schuldig der mehrfachen Diskriminierung und Aufruf zu Hass im Sinne von Art. 261bis StGB sowie der Sachbeschädigung im Sinne von Art. 144 Abs. 1 StGB.
Die beschuldigte Person wird bestraft mit einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je CHF 30.00, entsprechend CHF 3'600.00, wovon 2 Tagessätze durch Haft entstanden sind. Der Vollzug der Geldstrafe wird aufgeschoben, unter Ansetzung einer Probezeit von 2 Jahren.
Die beschuldigte Person wird zudem mit einer Busse von CHF 800.00 bestraft, bei schuldhaftem Nichtbezahlen ersatzweise mit einer Freiheitsstrafe von 8 Tagen.