Cas 2022-080N
Bâle-Ville
Historique de la procédure | ||
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2022 | 2022-080N | Der Beschuldigte wird u.a. der mehrfachen Rassendiskriminierung i.S.v. Art. 261bis StGB schuldig erklärt. |
2024 | 2024-070N | Die 1. Instanz spricht A. teilweise vom Vorwurf der Rassendiskriminierung frei. Im Übrigen wird die Berufung abgewiesen und der Schuldspruch bestätigt. |
Critères de recherche juridiques | |
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Acte / Eléments constitutifs objectifs | Abaissement ou discrimination (al. 4 1ère phrase) |
Objet de protection | Race; Ethnie |
Questions spécifiques sur l'élément constitutif | Publiquement (en public) |
Mots-clés | |
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Auteurs | Acteurs politiques |
Victimes | Personnes noires / PoC; Etrangers et membres d'autres ethnies |
Moyens utilisés | Déclarations orales; Ecrits; Sons / images; Propagation de matériel raciste |
Environnement social | Lieux publics; Médias sociaux |
Idéologie | Racisme (nationalité / origine); Racisme (couleur de peau) |
In der Absicht, durch fremdenfeindliche Hetze und das Schüren von Emotionen zur Diskriminierung aufzurufen und auf diese Weise die Wählerstimmen von politisch Gleichgesinnten zu erlangen, verfasste und gestaltete der Beschuldigte im Rahmen seiner Kandidatur für den Grossrat an seinem Aufenthaltsort im Raum Basel einen Flyer.
Der Beschuldigte wird u.a. der mehrfachen Rassendiskriminierung i.S.v. Art. 261bis StGB schuldig erklärt.
Die 1. Instanz spricht A. teilweise vom Vorwurf der Rassendiskriminierung frei. Im Übrigen wird die Berufung abgewiesen und der Schuldspruch bestätigt.
Sachverhalt 1:
Der Beschuldigte verfasste und gestaltete im Rahmen seiner Kandidatur für den Grossrat an seinem Aufenthaltsort einen Flyer mit folgenden Äusserungen:
«Was schyyns sich Mänggi wünsche wurde, nit z vyyl Dirgge, Serbe und Kurde»
Damit brachte der Beschuldigte seine uneingeschränkte Ablehnung hinsichtlich einer bestimmten Gruppe von Ausländern (Türken, Serben und Kurden) zum Ausdruck. Die Betroffenen wurden als unerwünscht und damit minderwertig dargestellt, als Personen, die kein Recht auf Anwesenheit in der Schweiz haben sollten.
«D'Ussländer sin an allem tschuld - au an Corona!!» und «Zuwanderung ist keine „Bereicherung» - das ist Corona!»
Damit fixierte der Beschuldigte in pauschalisierender, unsachlicher und undifferenzierter Art und Weise ein Vorurteil, welches die «Ausländer» kollektiv umfasst und sie abwertet. Indem er sie für eine Infektionserkrankung verantwortlich erklärte, qualifizierte der Beschuldigte diese Bevölkerungsgruppe als minderwertig.
«Ausländer und Asylanten nehmen uns die Arbeit weg, die Wohnungen und auch noch die Frauen. Das ist die bittere Wahrheit.»
Damit fixierte der Beschuldigte ein weiteres, auf fremdenfeindlichen Ideologien basierendes, herabsetzendes Klischeebild und behauptete so die qualifizierte Minderwertigkeit der Menschengruppe «Ausländer und Asylanten».
Von diesem Flyer, der dazu diente, ein feindseliges Klima gegenüber bestimmten Ausländern bzw. anderen Ethnien zu schaffen und den Gedanken zu fördern, dass die Angehörigen der betroffenen Bevölkerungsgruppen minderwertig und in der Schweiz unerwünscht sind, und dem Beschuldigten - in Umsetzung der feindseligen Haltung - die Wählerstimmen der Gleichgestimmten bei den anstehenden Grossratswahlen sichern sollte, liess der Beschuldigte eine nicht ermittelte Anzahl Exemplare drucken. Den Flyer verteilte er dann in seinem Wahlkreis in Basel an eine Mehrzahl, dem Beschuldigten nicht bekannter Personen. Er tat dies in der Absicht, einen möglichst grossen Adressatenkreis zu erreichen und hinsichtlich der Abgabe der Wählerstimmen zu beeinflussen. Im Zweifel verteilte er den Flyer mit Hilfe von nicht ermittelten Dritten.
Sachverhalt 2:
Der Beschuldigte liess sich in Anwesenheit von zwei weiteren Personen von einer nicht ermittelten Drittperson bei einer Art Ansprache zum neuen Jahr filmen. Dabei äusserte er sich wie folgt:
«Ich ha öppis, wie du, gege die Kriminelle, wo do ine kömme, die Afrikaner mit de lange Schwänz, wo nume ficki-ficki mache. Das wän mir nid»,
Dabei nahm er - sollte er es nicht direkt angestrebt und das Video selber auf seinem TikTok-Account veröffentlicht haben - zumindest in Kauf, dass seine Hetzrede online gestellt und verbreitet und dadurch von einem grösseren, durch persönliche Beziehungen nicht mehr zusammenhängenden Kreis von Personen wahrgenommen wird. Das Video mit der rassistischen Hetze war während einer nicht exakt eingrenzbaren Dauer auf TikTok zu sehen und damit einem breiten Publikum zugänglich.
Décision 2022-080N
Gemäss Art. 261bis Abs. 4 StGB macht sich der Rassendiskriminierung strafbar, wer öffentlich durch Wort, Schrift, Bild, Gebärden, Tätlichkeiten oder in anderer Weise eine Person oder eine Gruppe von Personen wegen ihrer «Rasse», Ethnie oder Religion in einer gegen die Menschenwürde verstossenden Weise herabsetzt oder diskriminiert oder aus einem dieser Gründe Völkermord oder andere Verbrechen gegen die Menschlichkeit leugnet, gröblich verharmlost oder zu rechtfertigen sucht. Die Strafbestimmung schützt die Würde des einzelnen Menschen in seiner Eigenschaft als Angehöriger einer «Rasse», Ethnie oder Religion.
Die Unterscheidung von «rassischen» Gruppen wird aufgrund physischer Merkmale getroffen, die primär (auch fälschlicherweise) der Biologie zugeschrieben werden. Ethnische Gruppen unterscheiden sich durch eine gemeinsame Geschichte und ein gemeinsames System von Einstellungen und Verhaltensnormen.
Die Menschenwürde ist verletzt. wenn einer Person oder Personengruppe aufgrund ihrer Gruppenzugehörigkeit die Gleichberechtigung bzw. Gleichwertigkeit als menschliches Wesen abgesprochen wird.
Sachverhalt 1:
Mit dem Satz «Was schyyns sich Mänggi wünsche wurde, nit z vyyl Dirgge, Serbe und Kurde» bringt der Beschuldigte unmissverständlich seine ablehnende Haltung gegenüber den in der Schweiz lebenden Türken, Serben und Kurden zum Ausdruck. Zu prüfen bleibt, ob er diese Ethnien dadurch in einer gegen die Menschenwürde verstossenden Weise herabsetzt oder diskriminiert, sie mithin als minderwertig darstellt. Der Verteidiger dementiert dies mit der Begründung, dass die Zuwanderungspolitik der Schweiz, welche EU-Bürger gegenüber Drittstaatsangehörigen besserstelle, ebenfalls nicht rassistisch sei. Dieser Vergleich hinkt aus zweierlei Gründen. Einerseits handelt es sich bei Drittstaatsangehörigen um keine Ethnie oder «Rasse», weshalb sie nicht unter den Schutzbereich von Art. 261bis Abs. 4 StGB fallen (vgl. BGE 140 IV 67 ff.). Anderseits ist die Zuwanderungspolitik das Resultat politscher Meinungsbildung und verfolgt damit die Interessen der Mehrheit, wobei insbesondere wirtschaftliche Landesinteressen im Vordergrund stehen.
Hiervon unterscheidet sich der Flyer des Beschuldigten insofern, als der darin geäusserte Wunsch nach weniger Serben, Kurden und Türken ohne Angabe von Gründen und völlig undifferenziert ausfällt. Indem diese Menschen einzig aufgrund ihrer Ethnie für hierzulande unerwünscht erklärt werden, werden sie gegenüber der schweizerischen Landesbevölkerung als minderwertig dargestellt. Unbehelflich ist schliesslich der Einwand des Beschuldigten, er habe den Satz von der Fasnachtsclique «Alte Stainlemer» abgeschrieben, welche in einem deswegen eröffneten Strafverfahren freigesprochen worden sei. Nach Wissen des Gerichts sowie der fallführenden Staatsanwältin wurde gegen die «Alte Stainlemer» in diesem Zusammenhang nie ein Strafverfahren geführt und war der Beschuldigte aufgrund der damals ausgelösten Welle der Empörung vielmehr zur Vorsicht bezüglicher solcher Äusserungen gehalten. Im Ergebnis ist der Tatbestand der Rassendiskriminierung in Bezug auf den Satz «Was schyyns sich Mänggi wünsche wurde, nit z vyyl Dirgge, Serbe und Kurde» erfüllt.
Bezüglich der Aussagen «D'Ussländer sin an allem tschuld - au an Corona!!» und «Zuwanderung ist keine „Bereicherung» - das ist Corona!» sowie «Ausländer und Asylanten nehmen uns die Arbeit weg, die Wohnungen und auch noch die Frauen. Das ist die bittere Wahrheit» ist festzuhalten, dass Begriffe wie «Ausländer» und «Asylanten» solange nicht unter den Schutzbereich von Art. 261bis Abs. 4 StGB fallen, als sie nicht stellvertretend für andere «Rassen» oder Ethnien verwendet werden.
Dies ist vorliegend nicht der Fall, weshalb in Bezug auf diese beiden Passagen ein Freispruch ergeht.
Sachverhalt 2:
In Bezug auf das Video im Innenhof des Ratshauses wendet der Verteidiger ein, der vom Beschuldigten verwendete Begriff «Afrikaner» beschreibe keine einzelne «Rasse» oder Ethnie, sondern stünde vielmehr stellvertretend für sämtliche auf dem afrikanischen Kontinent lebenden Personen verschiedener Nationalitäten. Dem ist entgegenzuhalten, dass der Begriff «Afrikaner» im allgemeinen schweizerischen Sprachgebrauch nur die dunkelhäutigen Afrikaner meint, ansonsten ausdrücklich von «Nordafrikanern» die Rede ist. Dass der Beschuldigte in casu tatsächlich dunkelhäutige Afrikaner gemeint hat, zeigt sich auch am Passus «die Afrikaner mit de lange Schwänz», besteht der Mythos grosser Penisse doch einzig in Bezug auf dunkelhäutige Menschen. Der Begriff «Afrikaner» fällt aufgrund des Gesagten in den Schutzbereich von Art. 261bis Abs. 4 StGB.
Mit der Aussage «Ich ha öppis, wie du, gege die Kriminelle, wo do ine kämme, die Afrikaner mit de lange Schwänz, wo nume ficki-ficki mache. Das wän mir nid» wird entgegen der Ansicht des Verteidigers keineswegs zwischen kriminellen und nicht kriminellen Afrikanern differenziert, vielmehr werden in die
Schweiz immigrierende Kriminellen mit Afrikanern gleichgestellt. Indem der Beschuldigte die hier lebenden Afrikaner als kriminell, ausschliesslich triebgesteuert und ansonsten nutzlos darstellt, spricht er ihnen zentrale Wesensmerkmale menschlichen Handelns ab, wodurch er sie in einer gegen die Menschenwürde verstossenden Weise herabsetzt. Im Ergebnis ist der Tatbestand der Rassendiskriminierung gemäss Art. 261bis Abs. 4 StGB erfüllt und ergeht ein Schuldspruch gemäss Anklage.
Der Beschuldigte wird der mehrfachen Rassendiskriminierung (Art. 261bis StGB), der mehrfachen üblen Nachrede (Art. 173 StGB) und der mehrfachen Beschimpfung (Art. 177 StGB) schuldig erklärt und verurteilt zu einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu CHF 25.00, mit bedingtem Strafvollzug, unter Auferlegung einer Probezeit von 3 Jahren.
Décision 2024-070N
Der Vorwurf der Rassendiskriminierung beruht erstens auf Äusserungen des Berufungsklägers auf einem Flugblatt für eine Grossratswahl.
Der Öffentlichkeitscharakter wird zunächst bestätigt. Angesichts des Kontextes (Wahlkampf) und der Tatsache, dass mehrere Exemplare des Flugblatts gedruckt und verteilt wurden (teilweise sogar in Briefkästen), ist es schwer, das Gegenteil zu behaupten.
Zweitens ist die Behauptung, der Beschuldigte habe lediglich die Gedanken anderer wiedergegeben, nicht haltbar. Denn seine Kampagne konzentriert sich auf das betreffende Thema. Indem er diese Äusserungen neben seinem Foto und seinem Namen auf einem Flugblatt verbreitet, macht er sich diese Gedanken zu eigen.
In Bezug auf die Herabsetzungsabsicht betont die Berufungsinstanz, dass die Menschenwürde und die Gleichwertigkeit der genannten Gruppen nicht in Frage gestellt wurden. Es gehe vielmehr um das Zuviel oder Zuwenig, um das richtige Mass der Zuwanderung aus den bezeichneten Regionen. Die Intensität einer strafbaren Herabsetzung wird deswegen nicht erreicht und daher ergeht insoweit in Freispruch vom ersten Vorwurf der Rassendiskriminierung.
Der Vorwurf der Rassendiskriminierung beruht zweitens auf Äusserungen des Berufungsklägers auf einem Video, in dem der Berufungskläger sich über die Internetplattform TikTok an seine Wählerschaft wendet.
Was zunächst die Urheberschaft dieses Video angeht, so ist das Video aufgrund des Inhalts und der Machart unzweifelhaft dem Berufungskläger zuzuordnen. Auch wenn nicht klar nachgewiesen ist, ob der infrage stehende Account dem Berufungskläger gehörte, hat er sich bei der vorgeworfenen Aussage bewusst filmen lassen. Die Art und Weise, wie er zu seinem Publikum bzw. seiner Wählerschaft spricht, zeigt, dass er es auf eine Veröffentlichung abgesehen hatte. Das Video wurde offensichtlich nicht ohne sein Wissen gemacht und verbreitet. Ob er die angeklagten Videos technisch selber hergestellt und hochgeladen hat oder dafür Hilfe beanspruchte, ist nicht entscheidend. Der Berufungskläger tritt als bestimmender Akteur auf, indem er sich in den Videos an seine Wähler und Sympathisanten wendet. Die ganze Inszenierung und auch die Interessenlage zeigt, dass der Berufungskläger die Öffentlichkeit suchte, was auch das Kriterium der Öffentlichkeit erfüllt.
Dann eine Bezugnahme auf «Afrikaner», trotz der Vielfalt der afrikanischen Staaten, anerkannt bereits explizit als ethnische Gruppe bzw. Sammelkategorie im Sinne von Art. 261bis StGB.
Schliesslich stellt die Berufungsinstanz fest, dass die angeklagten Äusserungen des Berufungsklägers sich in vulgären Verzerrungen über primäre Geschlechtsmerkmale und das Sexualleben bzw. die Fortpflanzung und die Arbeitsmoral dieser Gruppe erschöpfen. Sie verfolgen einzig den Zweck, die bezeichnete Gruppe abzuwerten und als triebhaft darzustellen. Mit dem Vorwurf der Arbeitsscheu und der perfiden Bezugnahme auf einen körperlichen Stereotyp liegt eine strafbare Herabsetzung (im Sinne einer menschenrechtswidrigen Deklassierung) vor. Die Äusserungen sind überdies beleidigend und geeignet, zu Feindseligkeiten gegenüber Menschen dieser Gruppe aufzureizen. Aus diesen Gründen ist der diesbezügliche Schuldspruch wegen Rassendiskriminierung demnach zu bestätigen.
A. wird teilweise vom Vorwurf der Rassendiskriminierung freigesprochen. Im Übrigen wird die Berufung abgewiesen und der Schuldspruch bestätigt.
A. wird zu einer Geldstrafe von 165 Tagessätzen zu CHF 25.00 verurteilt, mit bedingtem Strafvollzug, unter Auferlegung einer Probezeit von 3 Jahren.