Cas 1997-014N
Zurich
Historique de la procédure | ||
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1997 | 1997-014N | 1. Instanz verurteilt den Angeklagten. |
1999 | 1999-011N | 2. Instanz spricht den Angeklagten teilweise frei. |
1999 | 1999-044N | 3. Instanz weist die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ab. |
2000 | 2000-033N | Das Bundesgericht heisst die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde gut. Rückweisung an die Vorinstanz zur Neubeurteilung. |
2001 | 2001-005N | 2. Instanz spricht den Angeklagten teilweise frei. Reduzierung der Busse. |
Critères de recherche juridiques | |
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Acte / Eléments constitutifs objectifs | Propagation d'une idéologie (al. 2); Négation d'un génocide (al. 4 2ème phrase) |
Objet de protection | Religion |
Questions spécifiques sur l'élément constitutif | Bien juridique protégé; Publiquement (en public) |
Mots-clés | |
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Auteurs | Particuliers |
Victimes | Juifs |
Moyens utilisés | Propagation de matériel raciste |
Environnement social | Art et science |
Idéologie | Antisémitisme; Révisionnisme |
Der Angeschuldigte versandte, teilweise auch unaufgefordert, sieben Exemplare des revisionistischen Buches «Todesursache Zeitgeschichtsforschung» und 100 Exemplare der ebenfalls revisionistischen Zeitschrift Y, Ausgabe 9/10, Winter 95/96 an verschiedene, ihm oft nicht bekannte Personen.
Sowohl die 1. Instanz als auch die 2. Instanz kamen zum Schluss, dass bezüglich dem Versenden des Buches nur zu drei der sieben Adressaten eine persönliche Beziehung bestand und das Tatbestandsmerkmal der Öffentlichkeit somit erfüllt sei. Er wurde erstinstanzlich zu einer Busse von Fr. 20'000.-- und in zweiter Instanz zu einer Busse von Fr. 18'000.-- wegen Verletzung von Art. 261bis Abs. 2 und Abs. 4 Hälfte 2 StGB verurteilt. Gegen diesen Entscheid der 2. Instanz erhob der Verurteilte eidgenössische Nichtigkeitsklage.
Das Bundesgericht kam im Gegensatz zu den Vorinstanzen zum Schluss, dass das Tatbestandsmerkmal der Öffentlichkeit nicht gegeben sei und wies die Sache zur Neubeurteilung an die 2. Instanz zurück.
Die 2. Instanz spricht nun den Angeklagten vom Anklagepunkt des Verbreitens einer Ideologie im Sinne von Art. 261bis Abs. 2 StGB frei (betreffend des Buchs «Todesursache Zeitgeschichtsforschung») und bestätigt die Verurteilung wegen Rassendiskriminierung im Sinne von Art. 261bis Abs. 4 Hälfte 2 StGB (betreffend der Zeitschrift Y). Die Busse wird von Fr. 20'000.-- auf Fr. 8'000.-- reduziert.
Anfangs November 1995 versandte der Angeklagte das Buch «Todesursache Zeitgeschichtsforschung» von seinem Wohnort aus an sieben in Deutschland wohnhafte Empfänger. Ihm waren nur drei der sieben Personen persönlich bekannt. Bezüglich der Verwendung des Buches machte der Angeklagte den Empfängern keine Auflagen. Das Buch thematisiert anhand der Darstellung einer fingierten Geschichtsunterrichtsstunde einer Abiturklasse an einem süddeutschen Gymnasium die Massenvernichtung von Juden in Konzentrationslagern während der deutschen nationalsozialistischen Herrschaft. (Für genauere Sachverhaltsangaben siehe Urteile der Vorinstanzen)
Das fragliche Buch enthält zahllose Textpassagen, welche die Existenz des Holocausts und im Speziellen der Gaskammern in diversen deutschen Konzentrationslagern während des Nazi-Regimes leugnen. Zudem werden die Juden und das Judentum auf das gröbste verleumdet indem ihnen negative Charaktereigenschaften angedichtet werden. Die Juden werden pauschal für jegliche negative Ereignisse in Europa verantwortlich gemacht.
Im Winter 1995/1996 liess der Angeklagte zudem bei einem Fotokopier-Schnellservice etwa 100 Exemplare der Zeitschrift Y vervielfältigen. Bei dieser Zeitschrift handelt es sich um ein Presseerzeugnis revisionistischer Kreise in der Schweiz. Die Kopien wurden vom Angeklagten in seinem Freundes- und Bekanntenkreises im In- und Ausland verteilt. Er verschickte auch unaufgefordert Exemplare an Bibliotheken und an die Bundesanwaltschaft. Thema dieser Zeitschrift ist ebenfalls die Relativierung und Leugnung des Holocausts. Die Zeitschrift enthält u.a. auch Beiträge vom Angeklagten.
Décision 1997-014N
Verbreiten des Buches "Todesursache Zeitgeschichtsforschung":
Die 1. Instanz überprüft den vorliegenden Sachverhalt unter dem Aspekt von Art. 261bis Abs. 2 StGB. Die zentrale Frage liegt für die 1. Instanz darin, ob der Angeklagte ein Verbreiter im Sinn von Abs. 2 sei, da er nicht der Verfasser des inkriminierten Buches "Todesursache Zeitgeschichtsforschung" ist. In diesem Zusammenhang hat sie zu prüfen, ob Art. 27 StGB (Strafbarkeit der Medien) anzuwenden sei und der Angeklagte allenfalls vor der strafrechtlichen Verfolgung geschützt werde. Diese Norm sieht eine Kaskadenhaftung vor; d.h. grundsätzlich ist der Autor der inkriminierten Schrift alleine strafbar. Erst wenn der Autor nicht ermittelt werden kann oder in der Schweiz nicht vor Gericht gestellt werden kann, wird der verantwortliche Redaktor u.s.w. strafrechtlich zur Rechenschaft gezogen.
Die 1. Instanz führt dazu aus: "Als Verbreiter im Sinne von Art. 261bis Abs. 2 StGB kommt somit zunächst der Verfasser oder Anhänger einer Ideologie in Frage, welcher diese beispielsweise via Postzustellung in Umlauf bringt. Den Tatbestand erfüllen aber auch die Verteiler von Schriften, welche solche Ideologien zum Inhalt haben. In der Literatur wird beispielweise der Buchhändler erwähnt, der rassenideologische Bücher in seinem Sortiment führt (Rom, Die Behandlung der Rassendiskriminierung im schweizerischen Strafrecht, Entlebuch 1995, S.127).
Einen Sonderfall stellt die Konstellation dar, in der eine rassenideologische Schrift zugleich ein Presseerzeugnis im Sinne von Art. 27 StGB ist und nicht durch den Verfasser, sondern durch einen Verleger verteilt wird.
Ob sich der Verleger einer rassendiskriminierenden Schrift strafbar macht, hängt davon ab, ob das Pressestrafrecht auch auf Art. 261bis StGB anzuwenden ist. Diesbezüglich werden in der Lehre zwei entgegengesetzte Meinungen vertreten: Während Rom die Anwendbarkeit des Pressestrafrechtes verneint und demzufolge die Strafbarkeit des Verlegers bejaht (Rom, a.a.O., S.154 f.), vertreten Riklin (Riklin, Schweizerisches Presserecht, Bern 1996, S.141 ff.) und Stratenwerth (Stratenwerth, Schweizerisches Strafrecht, Allgemeiner Teil I: Die Straftat, Bern 1996) die gegenteilige Ansicht.
Die Anwendung von Art. 27 StGB setzt voraus, dass die strafbare Handlung durch das Mittel der Druckerpresse begangen wurde und sich in dem Presseerzeugnis erschöpft. Als Druckerpresse ist jede Art mechanischer Vervielfältigung anzusehen, wenn das Produkt für die Öffentlichkeit bestimmt ist (BGE 74 IV 199, 77 IV 193), wie dies bei Büchern und Zeitschriften der Fall ist (vgl. Rehberg, Strafrecht IV, Delikte gegen die Allgemeinheit, 2.Auflage, Zürich 1996, S.153 f.). Die strafbare Handlung erschöpft sich in dem Presseerzeugnis, wenn schon die Veröffentlichung als solche - und allenfalls noch, je nach Tatbestandsfassung, die Kenntnisnahme durch Dritte - den ganzen objektiven Tatbestand erfüllt. Dies gilt zweifellos für Art. 261bis StGB (so auch Stratenwerth 1996, a.a.O., § 13 N.165) und hat zur Folge, dass für eine durch die Presseveröffentlichung als solche begangene strafbare Rassendiskriminierung grundsätzlich der Verfasser allein verantwortlich ist (Art. 27 Ziff. 1 StGB). Dieser Grundsatz gilt jedoch nur für den internen Pressebetrieb als solchen, für die Redaktion, Verlag, Druck und Vertrieb, nicht auch für Handlungen ausserhalb des Pressebetriebs (Trechsel/Noll, Schweizerisches Strafrecht, Allgemeiner Teil I: Allgemeine Voraussetzungen der Strafbarkeit, 4. Auflage, Zürich 1994, S.208). So macht sich der Verbreiter rassendiskriminierender Schriften strafbar, wenn er nicht als Vertreiber oder Verleger eines Pressebetriebes handelt.
Weshalb die allgemeine Regel von Art. 27 StGB nach einem Teil der Lehre nicht auf Rassendiskriminierungstatbestände angewendet werden soll, ist nicht klar ersichtlich. Für - und nicht gegen (so Niggli, Rassendiskriminierung, Zürich 1996, N 1265) - eine Anwendbarkeit von Art. 27 StGB spricht jedenfalls die in Art. 4 des Internationalen Übereinkommens zur Beseitigung jeder Form der Rassendiskriminierung vom 21. Dezember 1965 (SR 0.104) verankerte "due regard-Klausel", nach der die Anti-Rassismus-Norm unter Berücksichtigung der in der EMRK festgelegten Grundsätze - somit auch der in Art. 10 EMRK enthaltenen Pressefreiheit - auszulegen ist. Da es sich bei der in Art. 27 StGB festgelegten Strafbarkeitsbeschränkung unter anderem um eine Konkretisierung der Pressefreiheit durch den Gesetzgeber handelt, besteht kein hinreichender Grund, diese allgemeine Bestimmung nicht auf Rassendiskriminierungsdelikte nach Art. 261bis StGB anzuwenden.
In bezug auf den zeitlichen Geltungsbereich von Art. 261bis Abs. 2 StGB gilt, dass es nicht auf den Zeitpunkt, wann die Vorlage für das Druckerzeugnis produziert wurde, ankommt. Entscheidend ist vielmehr, dass die Verbreitungshandlung nach Inkrafttreten der Rassendiskriminierungsstrafnorm (1. Januar 1995) vorgenommen wurde. Dementsprechend wird auch eine nach 1. Januar 1995 erfolgte Verbreitung rassendiskriminierender Ideologien, die bereits vorher veröffentlicht wurden, von Art. 261bis Abs. 2 StGB erfasst. [...]
Da der Angeklagte die in [Y] enthaltenen Texte von [anonymisierter Autor] als Redaktor und Verleger der Zeitschrift in Umlauf brachte, ist er für die Verbreitung dieser Textstellen gestützt auf Art. 27 StGB nicht zur Verantwortung zu ziehen. Der Angeklagte ist somit in diesem Anklagepunkt vom Vorwurf der rassendiskriminierenden Propaganda im Sinne von Art. 261bis Abs. 2 StGB freizusprechen.
Was im speziellen den Versand des von [Jürgen Graf] verfassten Buches "Todesursache Zeitgeschichtsforschung" anfangs November 1995 anbelangt, ist indessen von Bedeutung, dass der Angeklagte die verschickten Exemplare selber bei der [...] bezog und auch bezahlte. Dieser Verlag wird sowohl in der Zeitschrift [...] als auch auf dem vom Verlag selbst herausgegebenen Verlagsprogramm als Verlegerin und Bezugsquelle des besagten Buches genannt. Somit ist erstellt, dass der Angeklagte nicht als Verleger und Verbreiter für den Pressebetrieb handelte, weswegen er sich nicht auf die Strafbarkeitsbeschränkung nach Art. 27 StGB berufen kann. Durch den Versand obgenannten Buches hat der Angeklagte die Tathandlung nach Art. 261bis Abs. 2 StGB somit erfüllt." (E.IV.1.a.bb)
Als weiteres Tatbestandsmerkmal von Abs. 2 muss eine Ideologie vorliegen, die auf die systematische Herabsetzung und Verleumdung der Angehörigen einer Rasse, Ethnie oder Religion gerichtet ist. Eine Herabsetzung im Sinne von Abs. 2 liegt gemäss 1. Instanz dann vor, wenn "[...] nicht nur die Minderwertigkeit einer spezifischen Gruppe von Personen behauptet wird, sondern darauf basierend auch die essentiell gleichberechtigte und gleichwertige Position in bezug auf die Menschenrechte in Frage gestellt bzw. bestritten wird (Niggli, Rassendiskriminierung, Zürich 1996, N. 937)." (E.IV.1.a.cc, S.23)
Im hier vorliegenden Buch wird die Tatsache des Holocausts an den Juden und deren Vernichtung mittels Gaskammern geleugnet und als eine Lüge der Juden dargestellt. Die 1. Instanz geht hier auf die qualifizierte und einfache Auschwitzlüge ein, was relevant für die Feststellung einer relevanten Herabsetzung im Sinne von Art. 261bis Abs. 2 StGB sei: "Was insbesondere die Leugnung der systematischen Morde an Juden anbelangt, muss zwischen der sog. Qualifizierten und einfachen Auschwitzlüge unterschieden werden [...]. Bei der qualifizierten Auschwitzlüge wird die systematische Tötung der Juden nicht bloss bestritten, sondern mit Angriffen gegen die Menschenwürde der einzelnen Juden verbunden, indem diese etwa als Verbrecher hingestellt werden oder Sympathien für die nationalsozialistische Rassenideologie bekundet wird [...]. Bei der einfachen Holocaustlüge - also beim "blossen" Bestreiten der Gaskammermorde an den Juden, ohne dass den Opfern eine Schuld oder Mitverantwortung für die angebliche Lüge zugeschrieben wird - wird zwar die Achtung und der Respekt der Überlebenden für die Verstorbenen und ihre Stellung als Opfer und Verfolgte direkt betroffen, nicht aber ihre Würde als gleichwertige Menschen. Es sollen bei dieser Tathandlung ja nicht die Opfer diskriminiert, sondern "nur" die Täter reingewaschen werden [...]. Die Auschwitzlüge ist somit nur dann herabsetzend im Sinne von Art. 261bis Abs. 2 StGB, wenn sie zugleich mit Angriffen gegen die Menschenwürde der Juden verbunden wird. (S.24 f.) [...] Durch die Schrift ["Todesursache Zeitgeschichtsforschung"] werden die Juden somit ohne Zweifel herabgesetzt und in ihrer Menschenwürde verletzt. Die besagte Publikation propagiert eine qualifizierte Form der Auschwitzlüge. Die Herabsetzung ist insoweit systematisch, als dass der Verfasser sein Geschichtsbild auf manipulierte und verdrehte historische Quelle abstützt, die er nach vordergründig sachlichen und logischen Zusammenhängen gliedert. Die Herabsetzung ist gegen die Juden als Angehörige einer Religion gerichtet. Das vom Angeklagten versandte Buch ["Todesursache Zeitgeschichtsforschung"] enthält somit Ideologien, die auf die systematische Herabsetzung der Angehörigen einer Religion gerichtet sind. (S.28)" (E.IV.1.a.cc)
Nach der Meinung der 1. Instanz erfüllt das Buch "Todesursache Zeitgeschichtsforschung" auch die Tatbestandsvariante nach Art. 261bis Abs. 4 Hälfte 2 StGB. Sie führt dazu aus: "Als Leugnen im Sinne von Art. 261bis Abs. 4 Hälfte 2 StGB hat nicht nur das ausdrückliche Bestreiten der Wirklichkeit, sondern auch das mit Scheinargumenten "in Frage stellen" oder "in Zweifel ziehen" zu gelten. Bei offensichtlich und unzweifelhaft wahren und wirklichen Tatsachen ist "Bezweifeln" oder "in Frage stellen" gleichbedeutend mit "Leugnen" (Niggli, Rassendiskriminierung, Zürich 1996, N. 988 f.). [...] In BGE 121 IV 85 führt das Bundesgericht aus, dass die Forderung nach einem einzigen Beweis für die Existenz von Gaskammern im Dritten Reich angesichts der vorhandenen zahlreichen Beweise absurd sei und auf das Bestreiten der Gaskammern und damit der zur Vergasung der Juden speziell eingerichteten Vernichtungslager und somit eines wesentlichen Teils des Holocausts überhaupt hinauslaufe. [...] Diese Argumentation verkennt aber, dass das beharrliche wiederholte Bestreiten der Existenz von Gaskammern zur Massenvernichtung im Dritten Reich durch die Geschichtsrevisionisten letztendlich - [...] - das Ziel verfolgt, den Völkermord an den Juden als ganzes in Frage zu stellen." (E.V.2.a)
Die 1. Instanz erachtet die Tatbestandsvariante nach Abs. 4 Hälfte 2 als mehrfach erfüllt.
Das objektive Tatbestandsmerkmal der Öffentlichkeit, welches bei allen Tatbestandsvarianten vorliegen muss, wird hier von der 1. Instanz als erfüllt angesehen. Das Tatbestandsmerkmal sei auch dann erfüllt, wenn der Täter sich zwar nur gegenüber einem kleinen, begrenzten Personenkreis äussert, er aber weiss, damit rechnen muss oder zumindest in Kauf nimmt, dass seine Äusserungen durch Weiterverbreitung mittelbar einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wird. Die 1. Instanz führt dazu präzisierend auf die hier vorliegende Fallkonstellation aus: "Bei Publikationen, die an mehrere, dem Absender nicht weiter persönlich bekannte Personen gerichtet sind, muss im Regelfall die Kontrolle über den Wirkungskreis verneint werden. Dies deshalb, weil die Beschränkung auf eine bestimmte Anzahl konkreter Personen alleine die Kontrolle noch nicht garantiert. Damit der sich Äussernde davon ausgehen kann, der Inhalt der Publikation werde nicht weiterverbreitet, muss zwischen dem Absender und Adressaten ein gewisses Vertrauensverhältnis bestehen. Trifft dies nicht zu, so kann der Absender nicht davon ausgehen, die versandte Publikation werde als Privatsache behandelt. Damit besitzt er aber die nötige Kontrolle über den Wirkungskreis der versandten Publikation nicht mehr. Die Tathandlung hat folglich als öffentlich zu gelten (vgl. Riklin 1995, S.43).
Vorliegendenfalls versandte der Angeklagte das verfasste Buch ["Todesursache Zeitgeschichtsforschung"] - wie bereits erwähnt - an eine relativ kleine Gruppe von sechs in Deutschland wohnhaften Personen, von denen dem Angeklagten lediglich drei persönlich bekannt waren, und an die Firma [...]. Nach Aussagen des Angeklagten steckt hinter diesen Empfängern keine Organisation. Diese stellen somit keinen durch persönliche Beziehung zusammenhängenden Kreis von Personen dar. In den Besitz der Bücher gekommen hatten die Empfänger die Möglichkeit, diese ganz oder auszugsweise an einen nicht mehr bestimmbaren Personenkreis weiterzuverbreiten. Damit besass der Angeklagte aber die nötige Kontrolle über den Wirkungskreis der versandten Publikation nicht mehr. Da er bezüglich Verwendung der Bücher auch keine Auflagen machte, nahm er in Kauf, dass der Inhalt des Buches einem weiteren Personenkreis zugänglich gemacht wurde. [...] Somit hat der Angeklagte durch sein Verhalten das Tatbestandsmerkmal der Öffentlichkeit erfüllt." (E.IV.1.a.dd, S.31)
Die 1. Instanz erachtet bei beiden Tatbestandsvarianten (Abs. 2 und Abs. 4 Hälfte 2) die weiteren erforderlichen Tatbestandsmerkmale bezüglich der Verbreitung des Buches "Todesursache Zeitgeschichtsforschung" als erfüllt.
Verbreitung der Zeitschrift Y:
Bezüglich der Verbreitung der revisionistischen Zeitschrift Y wird der Angeklagte gestützt auf Art. 27 StGB von seiner strafrechtlichen Verantwortung befreit, soweit es sich um Texte anderer Autoren handelt.
Die von ihm selber verfassten Aufsätze und das Vorwort erfüllen nach der Meinung der 1. Instanz den objektiven Tatbestand von Art. 261bis Abs.4 Hälfte 2 StGB.
Die 1. Instanz hat noch den Sachverhalt zu überprüfen, dass sich in der Ausgabe der Zeitschrift eine Anzeige für zwei revisionistische Bücher befand und deren Bezugsquelle genannt wurde. Sie prüft hier, ob allenfalls Art. 261bis Abs. 3 StGB erfüllt sei. Sie kommt jedoch zum Schluss, dass die Kaskadenhaftung nach Art. 27 StGB vorliegend zur Anwendung gelangt, da die strafbare Handlung durch das Mittel der Druckerpresse begangen worden sei und sich in dem Presseerzeugnis erschöpfe: "Dies hat zur Folge, dass bei einer Rassendiskriminierung, die mittels eines in einem Presseerzeugnis abgedruckten Inserates begangen wurde, grundsätzlich der Inserateneinsender allein verantwortlich ist (Art. 27 Ziff. 1 StGB). Kann der Einsender eines in einer Zeitschrift erschienen Inserates nicht ermittelt werden, so wird diejenige Person bestraft, die als für die Anzeige verantwortlich bezeichnet ist und, wenn eine solche nicht genannt ist, der Verleger oder Drucker (Art. 27 Ziff. 4 StGB). Aus dem Inserat geht hervor, dass Verfasser und Einsender der Buchanzeige die in der [...] verantwortliche Person ist. Somit ist der Angeklagte vom Vorwurf der Rassendiskriminierung im Sinne von Art. 261bis Abs. 3 StGB freizusprechen." (E.VI.1.c.bb)
Verurteilung zu einer Busse von Fr. 20'000.--.
Décision 1999-011N
Die 2. Instanz erachtet bezüglich des Anklagepunktes des Versandes des Buches «Todesursache Zeitgeschichtsforschung» das Vorliegen des Tatbestandsmerkmales des öffentlichen Handelns durch den Angeklagten als Kernfrage. Sie bejaht wie die Vorinstanz das Vorliegen der Öffentlichkeit bzgl. der vier Personen, zu denen der Angeklagte keine näheren persönliche Beziehungen hatte. Sie präzisierte jedoch - im Gegensatz zur Vorinstanz -, dass Öffentlichkeit nicht bereits dann angenommen werden darf, weil das Buch an eine weitere Einzelperson gelangen könnte, was ja auch im intimsten Kreise möglich wäre. Vielmehr muss die Möglichkeit der Verbreitung an einen weiteren Personenkreis vorliegen. Somit hat der Angeklagte durch den Versand des inkriminierten Buches gegen Art. 261bis Abs. 2 StGB verstossen. (E.II.2.a, S.18 f.)
Bezüglich des Anklagepunktes «Versand der revisionistischen Zeitschrift Y an ca. 100 Personen» wird das Vorliegen der Öffentlichkeit von der 2. Instanz klar bejaht. Die Verteidigung bringt hier vor, dass der Angeklagte nicht den Völkermord an Juden bezweifle, sondern lediglich deren systematische Tötung in Gaskammern. Somit leugne er nicht den Völkermord im Sinne von Art. 261bis Abs. 4 Hälfte 2 StGB. Die 2. Instanz lässt diese Argumentationsweise nicht gelten und bezieht sich explizit auf den BGE 121 IV 76, S. 84 f. [Urteil erfolgte nicht im Zusammenhang mit Art. 261bis StGB], in dem sich das Bundesgericht mit der gleichen Argumentation auseinander zu setzen hatte. «Das Bundesgericht hielt dazu fest, die Forderung der Beschwerdeführerin nach einem einzigen Beweis für die Existenz von Gaskammern im Dritten Reich sei angesichts der vorhandenen zahlreichen Beweise absurd und laufe auf das Bestreiten der Gaskammern und damit der zur Vergasung der Juden speziell eingerichteten Vernichtungslager und somit eines wesentlichen Teils des Holocausts überhaupt hinaus. Sie bestreite dadurch das schwerwiegendste Verbrechen des nationalsozialistischen Regimes, nämlich die systematische Vergasung von Juden in Gaskammern, welches dieses Regime unter anderem von anderen Terror-Regimes unterscheide." (E.II.2.b, S.21)
Die 2. Instanz führte dazu weiter aus: «Dem ist vollumfänglich beizupflichten. Die Gaskammern stellen insbesondere deshalb einen wesentlichen Teil des Holocaust dar, weil sie die aussergewöhnliche Perfidie und Entschlossenheit des nationalsozialistischen Systems aufzeigen, während Erschiessungen und andere ähnliche Tötungsmethoden, welche vom Angeklagten nicht bestritten werden, leider an vielen Kriegsschauplätzen vorkommen. [...] Das Tatbestandsmerkmal des Leugnens im Sinne von Art. 261bis Abs. 4 Hälfte 2 StGB ist gemäss den zitierten bundesgerichtlichen Erwägungen daher erfüllt. Es kann auch gesagt werden, der Angeklagte habe den Völkermord an den Juden 'gröblich verharmlost', indem er die Existenz der Gaskammern öffentlich in Zweifel zieht. Gerade sie sind es nämlich, die das Nazi-Regime als besonders brutal erscheinen lassen, [...]." (E.II.2.b, S.22)
Zusammenfassend kommt die 2. Instanz - gleich wie die Vorinstanz - zum Schluss, dass der Angeklagte mit seinen von ihm verfassten Aufsätzen in der Zeitschrift Y den Völkermord an den Juden geleugnet und somit gegen Art. 261bis Abs. 4 Hälfte 2 StGB verstossen habe.
Nur bezüglich des vom Angeklagten verfassten Vorworts in der inkriminierten Ausgabe der Zeitschrift Y gelangt die 2. Instanz - im Gegensatz zur Vorinstanz - zu einem Freispruch. Nach einer umfassenden Würdigung des fraglichen Textes kommt es zum Schluss, dass es hier am rassendiskriminierenden Motiv im Sinne von Art. 261bis Abs. 4 Hälfte 2 StGB fehle und der Angeklagte in diesem Anklagepunkt freizusprechen sei. Die 2. Instanz geht dabei ausführlich auf die Bedeutung der Formulierung «aus einem dieser Gründe» im Wortlaut von Abs. 4 Hälfte 2 StGB ein: «Schliesslich geht die Vorinstanz [...] davon aus, dass mit der - äusserst unklaren - Formulierung 'aus einem dieser Gründe' in Art. 261bis Abs. 4 Hälfte 2 StGB rassistisch oder religiös motivierte Völkermorde oder Verbrechen gemeint seien. Indessen ist in dieser umstrittenen Frage vielmehr der Mehrheit der Lehre zu folgen, welche den Tatbestand so versteht, dass darunter nur Äusserungen fallen sollen, die aus rassistischen Motiven erfolgt sind. Ob dies der Fall ist, lässt sich nicht grundsätzlich sagen, sondern kann nur unter Würdigung aller relevanten Umstände der Äusserung und im Hinblick auf den Gesamteindruck, den ein durchschnittliches Publikum von der Äusserung gewinnen muss, bestimmt werden (Marcel A. Niggli, Rassendiskriminierung, Zürich 1996, N 1227). Lehre und Rechtsprechung sind sich einig, dass es zwar nicht ganz ausgeschlossen, aber immerhin ausserordentlich selten bzw. schwer vorstellbar sei, dass jemand, auch wenn er das Gegenteil behaupte, den Holocaust (bzw. die Existenz der Gaskammern als wesentlichen Teil davon) in Abrede stelle, ohne von rassendiskriminierenden Motiven geleitet zu sein (Marcel A. Niggli, Rassendiskriminierung, Zürich 1996, N 1228; Peter Müller, Die neue Strafbestimmung gegen Rassendiskriminierung, in ZBJV 130 1994 S.256). Das Bundesgericht ist sogar der Ansicht, dass sich bei Leugnern der Gaskammern der Schluss auf eine Sympathie zum nationalsozialistischen Regime geradezu aufdränge, auch wenn andere Motive theoretisch immer denkbar seien (BGE 121 IV 85)." (E.II.2.b, S.25)
Einen solchen Ausnahmefall erkennt die 2. Instanz im inkriminierten Vorwort. Sie erachtet es als zu wenig intensiv, da es u.a. weder Ausführungen zum jüdischen Volk enthält noch daraus auf Sympathien des Angeklagten zum nationalsozialistischen Regime zu schliessen sei. (E.II.2.c, S.31)
Freispruch des Angeklagten in einem Anklagepunkt (Vorwort). In den übrigen Anklagepunkten wird der Schuldspruch der Vorinstanz bestätigt und der Angeklagte der Rassendiskriminierung im Sinne von Art. 261bis Abs. 2 und Abs. 4 Hälfte 2 StGB schuldig gesprochen. Die vorinstanzliche Busse wird auf Fr. 18'000.- reduziert.
Décision 1999-044N
Der Verurteilte rügt mittels kantonaler Nichtigkeitsbeschwerde die Feststellung der 2. Instanz, dass von Vertrautheit nur bezüglich drei von sieben Adressaten des Buches «Todesursache Zeitgeschichtsforschung» gesprochen werden kann, als aktenwidrig. Er vertritt die Meinung, dass zu den restlichen vier Adressaten sehr wohl eine persönliche Beziehung bestand und er davon ausgehen konnte, dass die Adressaten das Buch nicht weiter verbreiten würden. Die 3. Instanz kann hingegen keine Aktenwidrigkeit im Sinne eines «blanken Irrtums» der 2. Instanz erkennen und eine willkürliche Tatsachenfeststellung in diesem Zusammenhang sei ebenfalls nicht ersichtlich. Die Rüge ist somit unbegründet. (E.2)
Abweisung der Nichtigkeitsbeschwerde.
Décision 2000-033N
Der Beschwerdeführer macht geltend, dass er durch die Zustellung des fraglichen Buches an sieben Adressaten in Deutschland die im Buch vertretenen Ideologien nicht im Sinne von Art. 261bis Abs. 4 Hälfte 2 StGB «öffentlich verbreitet» habe. Er habe in Bezug auf alle sieben Adressaten des Buches darauf vertrauen dürfen, dass diese dessen Inhalt nicht an einen grösseren Personenkreis weiterverbreiten würden. Weder habe objektiv das Risiko einer solchen Weiterverbreitung bestanden noch habe er objektiv damit rechnen müssen.
Das Bundesgericht hält als erstes fest, dass es von den gesamten Umständen abhängt, ob Öffentlichkeit gegeben sei. «Zu den massgebenden Umständen gehören unter anderem einerseits der Ort, an dem die Äusserung getan wird, und andererseits, bei Äusserungen gegenüber einem bestimmten, begrenzten Personenkreis, die Zahl der Adressaten und die Beziehung des Urhebers der Äusserung zu ihnen, wovon es unter anderem auch abhängt, wie hoch das Risiko einer Weiterverbreitung der Äusserung durch einzelne Adressaten ist.» Einen bestimmten «Grenzwert» in Bezug auf die Zahl der Adressaten, dessen Überschreitung Öffentlichkeit begründet, empfiehlt sich schon wegen der Gefahr von «Umgehungen» nicht. (E. 2c aa)
Die von der Vorinstanz als massgebend erachtete Möglichkeit der Kontrolle über eine Weiterverbreitung beziehungsweise über den Wirkungskreis einer Äusserung ist für sich allein kein taugliches Kriterium; eine solche Kontrollmöglichkeit besteht im Prinzip nie. Selbst bei einer Äusserung im engsten Freundeskreis hat der Urheber keine Kontrolle über deren Weiterverbreitung durch einzelne Adressaten.
Öffentlich sei eine an wenige Personen gerichtete Äusserung aber nicht schon dann, wenn das Risiko ihrer Weiterverbreitung durch einen Adressaten an einen grösseren Personenkreis hoch ist, sondern erst dann, wenn die Äusserung tatsächlich an einen grösseren Personenkreis weiterverbreitet wird. Das Ausmass des Risikos ist als solches nur in Bezug auf den subjektiven Tatbestand von Bedeutung. «Je höher das Risiko ist, desto eher wird man dem Urheber der Äusserung vorwerfen können, er habe die allfällige Realisierung dieses Risikos im Sinne des Eventualvorsatzes in Kauf genommen, was Voraussetzung für eine eventuelle Verurteilung als Mittäter oder Teilnehmer ist für den Fall, dass die Äusserung von einem Adressaten tatsächlich an einen grösseren Personenkreis weiterverbreitet wird.» (E. 2e)
Daher kommt das Bundesgericht zum Schluss, dass es in casu am Tatbestandsmerkmal der Öffentlichkeit fehlt. Es sei entscheidend, dass unstreitig keiner der sieben Empfänger des Buches dessen wesentlichen Inhalt tatsächlich weiterverbreitet hat.
Weiter prüft der Kassationshof, ob eine Verurteilung des Beschwerdeführers wegen Versuchs des öffentlichen Verbreitens von Ideologien im Sinne von Art. 261bis Abs. 4 Hälfte 2 StGB in Betracht gezogen werden könne. Er verneint dies, denn nur wer jemanden zu einem Verbrechen zu bestimmen versucht, wird gemäss Art. 24 Abs. 2 StGB wegen Versuchs dieses Verbrechens bestraft. Rassendiskriminierung im Sinne von Art. 261bis StGB ist aber lediglich ein Vergehen. (E. 2f)
Somit macht sich der Beschwerdeführer, indem er ein rassendiskriminierende Ideologien enthaltendes Buch eines Dritten per Post an sieben ihm bekannte Personen verschickt hat, nicht des öffentlichen Verbreitens von rassendiskriminierenden Ideologien schuldig.
Das Bundesgericht heisst die Nichtigkeitsbeschwerde gut und weist den Fall zur Neubeurteilung an die zweite kantonale Instanz.
Décision 2001-005N
Die Auffassung des Bundesgerichts ist für die erkennende Kammer verbindlich, weshalb der Angeklagte heute vom Vorwurf der Rassendiskriminierung im Sinne von Art. 261bis Abs. 2 StGB betreffend des Versendens des Buches «Todesursache Zeitgeschichtsforschung» freizusprechen ist.
Die 2. Instanz hat das Strafmass neu festzulegen, weil aufgrund des Freispruchs in diesem Anklagepunkt zum einen ein wesentlicher Teil der Anklage, der verschuldensmässig erheblich ins Gewicht fiel, und zum anderen auch der Straferhöhungsgrund der mehrfachen Tatbegehung wegfällt. Die Busse wird von Fr. 20'000.-- auf Fr. 8'000.-- reduziert.
Teilweiser Freispruch (betreffend «Todesursache Zeitgeschichtsforschung») und teilweise Bestätigung des Urteils der 2. Instanz (1999-11) (betreffend Zeitschrift Y). Die Busse wird auf Fr. 8'000.-- reduziert.