Cas 2007-001N

Veröffentlichung von CDs mit rassistischem Inhalt

Lucerne

Historique de la procédure
2007 2007-001N Die zuständige Strafverfolgungsbehörde stellt das Strafverfahren ein. Einziehung der Tonträger.
2007 2007-023N Die 1. Instanz weist den Rekurs des Rekurrenten auf Herausgabe der beschlagnahmten Gegenstände ab.
2012 2012-007N Die zuständige Strafverfolgungsbehörde verfügt die Einziehung der strafrechtlich relevanten Gegenstände zur Vernichtung und händigt die übrigen beschlagnahmten Gegenstände dem Beschuldigten aus.
Critères de recherche juridiques
Autorité/Instance Autorité de poursuite compétente;
1ère instance cantonale
Acte / Eléments constitutifs objectifs Incitation à la haine et à la discrimination (al. 1);
Propagation d'une idéologie (al. 2);
Abaissement ou discrimination (al. 4 1ère phrase)
Objet de protection Ethnie;
Religion;
Questions spécifiques sur l'élément constitutif Bien juridique protégé
Mots-clés
Victimes Juifs
Moyens utilisés Déclarations orales;
Sons / images;
Propagation de matériel raciste
Environnement social Art et science;
Media (Internet inclus)
Idéologie Antisémitisme;
Racisme (nationalité / origine)

Synthèse

Die zuständige Untersuchungsbehörde beschlagnahmte diverse CDs, darunter eine CD der Band «Dissens», die man per Internet bestellen konnte, und Zeitschriften der rechten Szene sowie den PC und den Laptop des Beschuldigten. Da nicht nachgewiesen werden konnte, dass der Angeklagte die Tonträger zu mehr als blossem Eigengebrauch gekauft hat, bleibt die Tat nach Art. 261bis StGB straflos. Die Strafverfolgungsbehörde stellte die Strafuntersuchung ein und verfügte mit gleichem Entscheid, dass zahlreiche der sichergestellten Tonträger eingezogen und vernichtet werden.

Gegen diesen Entscheid reichte der Verteidiger des Beschuldigten beim Obergericht des Kantons Luzern, dann nach Abweisung des Rekurses auch beim Bundesgericht Beschwerde ein und beantragte u.a., dass die Einziehung aufzuheben und die beschlagnahmten Gegenstände herauszugeben sind. Das Bundegericht heisst die Beschwerde teilweise gut, hebt den Entscheid des Obergerichts auf und weist die Sache zur ergänzenden Sachverhaltsfeststellung und neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurück.

Nach Ersuchen durch das Amtsstatthalteramt Luzern, wies das Bundesamt für Polizei (fedpol), Dienst für Analyse und Prävention, zusammengefasst darauf hin, dass ein beachtlicher Teil des sichergestellten Materials einen Bezug zum Nationalsozialismus des dritten Reiches aufweise und rassistisch sowie fremdenfeindlich oder antisemitisch sei. Der Vertrieb des Materials verletze Art. 261bis StGB und stelle damit eine strafbare Handlung und eine Gefährdung des öffentlichen Friedens dar.

En fait / faits

Die Strafuntersuchungsbehörde beschlagnahmte im Rahmen einer Hausdurchsuchung beim Angeklagten diverse CDs, darunter eine CD der Band «Dissens», die man per Internet bestellen konnte, und Zeitschriften der rechten Szene sowie den PC und den Laptop des Angeschuldigten. Der Angeschuldigte bestätigte, dass er der Band «Dissens» angehöre. Verantwortlich für die Texte seien aber alle aus der Band. Textpassagen, die in den Tonträgern vorkommen, sind zum Beispiel: Diaspora; Mammon; Stern; vom Euphrat bis zum Nil streckt ihr eure Klauen aus; den Völkern die dort leben, zerstört ihr Hof und Haus.
 
Die Kantonspolizei ersuchte das Bundesamt für Polizei um eine strafrechtliche Prüfung der Liedtexte betreffend Verletzung der Rassismusstrafnorm. Insbesondere der Liedtext „Mammon“ und die den CDs beigelegten Textbüchlein wurden stichprobenartig angehört und gelesen.
 
Die zuständige Strafverfolgungsbehörde stellte die Strafuntersuchung ein. Sie verfügte die Einziehung (gemäss Art. 58 StGB, neu Art. 69 StGB) der CDs mit den teilweise rassendiskriminierenden Inhalten.
 
Gegen diesen Entscheid rekurriert der Angeklagte bei der Kriminal- und Anklagekommission. Er verlangt die Herausgabe der eingezogenen Gegenstände.


Décision 2007-001N

Die zuständige Strafverfolgungsbehörde stellt das Strafverfahren ein. Einziehung der Tonträger.

En droit / considérants

Die Strafuntersuchungsbehörde betont, dass das Rechtsgut von Art. 261bis StGB die Würde des Menschen in seiner Eigenschaft als Angehöriger einer Rasse, Ethnie oder Religion sei. Der öffentliche Friede sei nur mittelbar oder akzessorisch als Rechtsgut anzusehen. Angriffsobjekt von Art. 261bis StGB seien entweder einzelne Personen aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe oder unmittelbar die Gruppe selbst.
Die Gruppe der Juden sei eine religiöse und zugleich auch eine durch Ethnie bestimmte Gruppe. Vom Judentum sei der Staat Israel als rechtliche Kategorie und der Zionismus als politische Bewegung zu unterscheiden. Diese werden von Art. 261bis StGB nicht erfasst. Es sei denn, sie werden gleichbedeutend für die Gruppe der Juden verwendet. Ob dies der Fall sei, müsse anhand des konkreten Kontextes und des Verständnisses eines durchschnittlichen Zuhörers geprüft werden.
Das Bundesamt für Polizei stellte fest, dass eine Vielzahl der sichergestellten Gegenstände eindeutig darauf hinweisen, dass der Angeschuldigte eine ausgeprägte rechtsextreme Gesinnung habe und in nationalsozialistischen Zirkeln verkehre. Der Liedtext «Mammon» erfülle aber für sich alleine den Tatbestand der Rassendiskriminierung nicht. Die im Text gemachten Äusserungen dürften von einem unbefangenen Durchschnittsempfänger nicht zwingend als Angriff auf die Juden als Religionsgemeinschaft oder Ethnie verstanden werden. Der Text könne vielmehr auch als Kritik gegen den Staat Israel verstanden werden. Das Verfahren sei folglich mangels Beweisen einzustellen, da nicht ausreichend nachgewiesen werden könne, dass die einzelnen Textpassagen als Synonyme für den jüdischen Glauben oder das israelische Volk im theologischen Sinn verwendet worden seien. Auch wenn der Begriff «Mammon» ursprünglich aus dem Verständnis des nachhalttestamentarischen Judentums entspringe, sei er heute doch allgemein verwendet und bezeichnet abschätzig das Geld im Allgemeinen.
Was die CDs und die Zeitschriften der rechten Szene betrifft, stellte das Bundesamt für Polizei fest, dass es sich teilweise um rassendiskriminierende Texte handelt. Da aber dem Angeklagten nicht nachgewiesen werden kann, dass er die Tonträger zu mehr als dem blossen Eigengebrauch gekauft habe, sei das Verfahren auch in diesem Punkt einzustellen. Denn der Besitz und das blosse Einführen und Kaufen von Propagandamaterial nach Art. 261bis Abs. 1 und 2 StGB zum Eigengebrauch sei straflos.
Da es sich bei den CDs um Tonträger mit teilweise rassendiskriminierenden Texten handle, und der Vertrieb des Materials Art. 261bis StGB verletzt, werden die Tonträger gemäss Art. 58 StGB (neu Art. 69 StGB) eingezogen und vernichtet. Bei der Auswertung des sichergestellten Computers und des Laptops konnten keine tatrelevanten Daten gesichert werden, sie wurden dem Angeschuldigten wieder ausgehändigt.

Décision

Einstellung der Strafuntersuchung. Die CDs mit den teilweise rassendiskriminierenden Inhalten werden gemäss Art. 58 StGB (neu Art. 69 StGB) eingezogen und vernichtet.


Décision 2007-023N

Die 1. Instanz weist den Rekurs des Rekurrenten auf Herausgabe der beschlagnahmten Gegenstände ab.

En droit / considérants

Die Kriminal- und Anklagekommission prüft, ob der Amtsstatthalter die CDs zu Recht eingezogen hat.
 
Der materielle Einziehungsgrund für den Amtstatthalter war nicht der (straflose) Besitz der CDs, sondern die Tatsache, dass die CDs aus strafbarem, öffentlichem Vertrieb des Materials stammen, was an sich den öffentlichen Frieden gefährde.
 
Der Vertrieb von rassistischem Material ist strafbar. Somit stammen die CDs aus einer strafbaren Handlung. Es handelt sich um sog. Instrumenta sceleris, d.h. Gegenstände mit denen eine Straftat begangen wurde. Art. 58 Abs. 1 aStGB (neu: Art. 69 StGB) erlaubt, Gegenstände einzuziehen, die zur Begehung einer Straftat gedient haben oder dazu bestimmt waren, jedoch nur unter der Voraussetzung, dass sie die Sicherheit von Menschen, die Sittlichkeit oder die öffentliche Ordnung gefährden. An diese Gefährdung werden gemäss bundesgerichtlicher Praxis keine erhöhten Anforderungen gestellt; es genügt die Wahrscheinlichkeit, dass eine Gefahr besteht, wenn der Gegenstand dem Berechtigten nicht entzogen wird. Der in Art. 261bis StGB verankerte Tatbestand der Rassendiskriminierung, der in erster Linie zum Schutz der Menschenwürde konzipiert wurde, ist unter den strafbaren Handlungen gegen den öffentlichen Frieden eingereiht (BGE 123 IV 206), so dass angenommen wird, dass die Verbreitung solcher Botschaften ein Risiko für die öffentliche Ordnung umfasst.
Es ist offensichtlich, dass dieses Risiko nach der ursprünglichen Verbreitung an Konzerten noch nicht verschwunden ist, denn der Rekurrent könnte diese Gegenstände heute und in Zukunft Dritten übergeben. Die Existenz dieser Gegenstände ist geeignet, die Wirkungen der strafbaren Handlung fortdauern und das Risiko für die öffentliche Ordnung fortbestehen zu lassen. Die Einziehung wird in diesem Fall auch verfügt, wenn der Täter nicht strafbar ist. Es kommt also nicht darauf an, dass diejenige Person, die diese CDs vertrieben hat, nicht identisch ist mit dem Rekurrenten, der nicht selbst Täter der strafbaren Handlung ist oder daran teilgenommen hat, sei es, dass er nur Käufer (nicht Verkäufer) der CDs war.
 
Der amtstatthalterliche Entscheid, die CDs einzuziehen, erfolgte somit zu Recht.

Décision

Der Rekurs wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird.


Décision 2012-007N

Die zuständige Strafverfolgungsbehörde verfügt die Einziehung der strafrechtlich relevanten Gegenstände zur Vernichtung und händigt die übrigen beschlagnahmten Gegenstände dem Beschuldigten aus.

Décision

Die zuständige Strafverfolgungsbehörde verfügt eine Einziehungsverfügung. Die vom Bundesamt für Polizei (fedpol), Dienst für Analyse und Prävention, als strafrechtlich relevant eingestuften Gegenstände werden in Anwendung von Art. 69 StGB zur Vernichtung eingezogen. Die übrigen beschlagnahmten Gegenstände, gemäss Gutachten eingestuft, als „ohne Relevanz“ und „nicht auswertbar“, werden dem Beschuldigten nach Rechtskraft des Entscheides ausgehändigt.