Autor
Nikola Stosic ist Historiker und war von August 2020 bis Juli 2021 wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der EKR. nikola.stosic@hotmail.ch
Kinder und Jugendliche bringen vermehrt Verschwörungstheorien mit ins Klassenzimmer. Es wird einerseits zum Gefahrenherd, bietet aber auch den bestmöglichen Raum, um mit diesen umzugehen.
Sie vernetzen sich auf TikTok, Instagram und Facebook, beziehen ihre Nachrichten auf Twitter und bilden ihre Meinung zu Themen aufgrund anonymer Inhalte von Fremden, die ihnen von Algorithmen auf ihrem Reddit-Konto präsentiert werden. Kinder und Jugendliche konsumieren heutzutage Informationen auf eine schnellere und breitere Art und Weise als jede Generation vor ihnen. Das Smartphone hat längst seinen Weg ins Klassenzimmer gefunden. Wo Kinder und Jugendliche ungehinderten Zugang zum Internet haben, sind Verschwörungstheorien nicht fern. Umso wichtiger ist es, dass Pädagoginnen und Pädagogen den Schülerinnen und Schülern helfen, Desinformationen als den Unsinn zu erkennen, der sie sind. Glücklicherweise bietet das Klassenzimmer die ideale Umgebung, um Verschwörungstheorien im Keim zu ersticken.
Das schulische Umfeld bietet Raum und Zeit für verschiedene Formen der Präventionsarbeit. Was nämlich bei Kindern und Jugendlichen als gesunde Neugier oder natürlicher pubertärer Skeptizismus beginnt, kann sich schnell in eine zutiefst verzerrte Sicht auf die Welt verwandeln. So abwegig oder simpel Verschwörungstheorien auch erscheinen mögen, Jugendliche nutzen diese, um ihre Entscheidungen zu treffen und ihre Weltanschauung zu formen. Da die Prämisse einer Verschwörungstheorie oft lächerlich erscheint, ist es verlockend, diese von vornherein als unbedeutend abzutun. Dies kann allerdings zur Folge haben, dass sich Schülerinnen und Schüler, die diese äussern, in ihrer Position weiter bestärkt fühlen. Folglich ist es unabdingbar, ihnen zu vermitteln, wie sie Verschwörungstheorien erkennen und wie sie deren Argumente dekonstruieren können. Verschwörungstheorien sollten aktiv als Lehrmittel verwendet werden, anstatt pauschal verworfen zu werden.
Entsprechende Lernmaterialien für Lehrpersonen werden vermehrt frei online zugänglich zur Verfügung gestellt (siehe Link-Sammlung). Insbesondere muss den Schülerinnen und Schülern bewusstgemacht werden, welche Formen Verschwörungstheorien annehmen können. Die Dekonstruktion einer Information geschieht am direktesten, wenn sie selber gezwungen sind, ihre Quellen zu erklären. Das Präsentieren vor der gesamten Klasse etwa kann ihnen helfen, logische Fehler zu erkennen und zu realisieren, dass ihre Quellen nicht glaubwürdig sind.
Lehrpersonen sollten sich hin und wieder aus ihren eigenen Social-Media-Echokammern herauswagen. Wollen Pädagoginnen und Pädagogen Desinformationen die Stirn bieten, müssen sie zunächst deren Kontext verstehen und sich mit den problematischen Inhalten beschäftigen, die junge Menschen konsumieren. Nur wenn man das gleiche Vokabular verwendet, kann man auch gemeinsam eine Verschwörungstheorie dekonstruieren. Wer als Lehrperson nicht weiss, was die «Rote Pille» oder die «Plandemie» sind, sollte womöglich das eigene Verschwörungs-ABC auffrischen.
Wesentlich bei der didaktischen Intervention ist, dass Lehrpersonen die Schülerinnen und Schüler zwar kritisieren, nicht aber blossstellen. Der Inhalt sollte entlarvt werden, nicht die Person, die ihn verbreitet. Schülerinnen und Schüler können nicht daran gehindert werden, online mit fragwürdigem Material zu interagieren. Je besser aber Lehrpersonen ausgestattet sind, um Verschwörungstheorien zu bekämpfen, wenn sie in der Schule auftauchen, desto besser.
Das Holocaust-Education Institut des österreichischen Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung fokussiert auf den Umgang mit Antisemitismus: www.erinnern.at
Die Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus bietet auf ihrer Onlineplattform für Antisemitismuskritik und Bildungsarbeit verschiedenes Material wie Kurzvorträge, Bilderanalysen und Rätsel für Pädagoginnen und Pädagogen an: www.anders-denken.info
Einen spielerischen Umgang mit den Absurditäten des Internets vermittelt die Amadeu Antonio Stiftung in Form eines «Entschwörungsgenerators»: www.amadeu-antonio-stiftung.de/glaubnichtalles
Videos und Podcasts des Landesmedienzentrums Baden-Württemberg zu Verschwörungstheorien: www.lmz-bw.de