Autor
Samuel Jordan, Kolumnist
Comics eignen sich besonders gut, um auf spielerische, pädagogische, aber auch ernsthafte Weise aktuelle Fragen zu thematisieren. Das haben sich auch kritische Beobachter von Verschwörungstheorien zunutze gemacht. Die Zeitschrift Tangram stellt sechs Alben vor, die dem Schubladendenken entgegenwirken, das Phänomen aus unterschiedlichen Blickwinkeln beleuchten und den Horizont erweitern.
Praktische Ratgeber Verschwörungstheorien mit Witz und Pädagogik/Lerneffekt bekämpfen, das ist der Ansatz von zwei Titeln, die wir jedem und jeder sehr empfehlen. «Les Complotistes» erzählt die Geschichte von Kévin, einem jungen Mann, den «alternative Fakten» magisch anziehen. Unter dem Einfluss eines fragwürdigen Mentors tritt der Gymnasiast einer Gruppe bei, die sich «Les gardiens de la vérité», Hüter der Wahrheit, nennen. Er lernt, Verschwörungstheorien aufzustellen, die «wahren Mächtigen» zu entlarven, Zweifel zu säen und Pandemien zu instrumentalisieren.
Auch «Fake News und Verschwörungstheorien» betreibt Prävention gegen Verschwörungstheorien. Das lustige kleine Comic dreht sich um einen Jugendlichen, der für Verschwörungstheorien empfänglich ist, und seinen vernünftigen Freund, der sich um ihn sorgt. Das Comic weist insbesondere auch auf die verzerrte Wahrnehmung hin, die den wachsenden Erfolg von Verschwörungstheorien mitbewirken. Ohne zu werten, erklärt es, was wir tun können, um nicht auf unsere eigenen Einbildungen und Intuitionen hereinzufallen. Zwei Werke, die unterhaltsam und lehrreich zugleich sind.
> Fabrice Erre / Jorge Bernstein, Les Complotistes. Tout s’explique, même n’importe comment. Dupuis, 2020.
> Gérald Bronner / Jean-Paul Krassinsky, Fake News und Verschwörungstheorien. Wie man Gerüchten nicht auf den Leim geht. Jacoby und Stuart Verlag, 2019
Untersuchung/Studie Die französische Journalistin Doan Bui nimmt sich eines Problems an, das ihre Zunft unterminiert. Mit Witz und Ausdauer untersuchte die Albert-Londres-Preisträgerin von 2013 die Auswirkungen von sogenannten «alternativen Fakten» in den USA, in Frankreich, Mazedonien und Russland. Warum gibt es Fake News? Wer erfindet und verbreitet sie? Mit welchem Ziel? Wie kann es sein, dass ein gebrochener Vater als Schauspieler und Lügner verschrien wird, wenn er um sein Kind trauert, das bei einem Blutbad in einer amerikanischen Schule erschossen wurde? Was entgegnet man denen, die bestreiten, dass die Erde rund ist? Die Autorin und ihre Komplizin, die Illustratorin Leslie Plée, lassen uns mit spitzer Feder und losem Mundwerk in den Kopf von Menschen blicken, die alles anzweifeln und überall Komplotte wittern. Es ist eine Reise um und in die Welt der Falschinformationen, die zeigt, dass Fake News nie unschuldig sind und das demokratische Gleichgewicht bedrohen können.
> Doan Bui / Leslie Plée, Fake News. L’info qui ne tourne pas rond. Delcourt, 2021.
Essai Der begnadete Will Eisner erzählt in Wort und Bild die aufschlussreiche Geschichte der Protokolle der Weisen von Zion. Zur Erinnerung: Die Brandschrift wurde Anfang des 20. Jahrhunderts fabriziert, um in Europa den Antisemitismus zu schüren. Sie legt ins Kleinste dar, wie die Juden die Weltherrschaft zu erobern gedenken. Dieses x-fach entlarvte «gefälschte jüdische Komplott» verführt weiterhin unzählige Leserinnen und Leser und schürt seit nunmehr über einem Jahrhundert Hass. Vor und während des Ersten Weltkriegs erlebte das weit verbreitete Pamphlet einen riesigen Erfolg. Hitler und der Klu-Klux-Klan beriefen sich darauf. Heute ist das Buch in den USA unter weiss-vorherrschaftlichen Rassisten sehr populär. Die englische Originalausgabe erschien – wie die deutsche Erstausgabe – 2005, dem Todesjahr von Will Eisner, der sein Werk als Prävention sah. Der Erfinder der «Graphic Novel» hoffte, «dass dieses Album ein weiterer Nagel für den Sarg ist, in dem wir den erschreckenden Betrug mit seinen Vampirgebaren zu Grabe tragen».
> Will Eisner, Das Komplott: Die wahre Geschichte der Protokolle der Weisen von Zion, Deutsche Verlagsanstalt 2005
Humor Undurchsichtig, machthungrig, verschwörerisch, gefährlich: Die Freimaurerei nährt Fantasien und Gerüchte. Zwei Werke bringen Licht ins Dunkel rund um den Geheimbund, dem nachgesagt wird, die Weltherrschaft anzustreben. Grand Orient beschreibt schelmisch Philippes Initiation in eine Pariser Loge. Wir erhalten Einblick in eine schlecht organisierte Gemeinschaft, in der normale Leute Spass daran haben, zu diskutieren, sich mit träfen Sprüchen zu überbieten und Apéros zu veranstalten: ein harmloser Club Intellektueller, der nichts gemein hat mit Gruppierungen mächtiger Kräfte, die im Untergrund Regierungen in der ganzen Welt lenken. Geschichte, Kulissen und Motivation des Ordens aufzuzeigen, ist das Ziel von La Franc-Maçonnerie dévoilée. Dieses didaktische, gut dokumentierte und leicht geschriebene Werk arbeitet sich durch zehn Jahrhunderte und zeichnet die Porträts berühmter Freimaurer nach wie Mozart, Franklin, Mirabeau und Kipling. Ein erhellender Ansatz, um Mythos und Realität auseinanderzuhalten.
> Jérôme Denis / Alexandre Franc, Grand Orient. Soleil, 2020.
> Arnaud de la Croix / Philippe Bercovici, La Franc-Maçonnerie dévoilée. Le Lombard, 2020.