Cas 2004-037N

Offener Brief, der die in Kenia verübten Massaker vom Jahre 2002 als «islamistisch-arabisch-palästinensiche Wahnsinns-Schlächtereien» bezeichnet

Zurich

Historique de la procédure
2004 2004-037N 1. kantonale Instanz spricht den Angeklagten frei.
2005 2005-012N 2. kantonale Instanz spricht den Angeklagten frei.
2005 2005-032N Das Schweizerische Bundesgericht (Kassationshof) tritt nicht auf die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde ein.
Critères de recherche juridiques
Autorité/Instance 1ère instance cantonale;
2ème instance cantonale;
Tribunal fédéral
Acte / Eléments constitutifs objectifs Incitation à la haine et à la discrimination (al. 1);
Propagation d'une idéologie (al. 2);
Abaissement ou discrimination (al. 4 1ère phrase)
Objet de protection Ethnie;
Religion
Questions spécifiques sur l'élément constitutif Bien juridique protégé;
Publiquement (en public);
Elément constitutif subjectif de l'infraction
Mots-clés
Auteurs Particuliers
Victimes Musulmans
Moyens utilisés Ecrits
Environnement social Associations / Fédérations / Organisations;
Media (Internet inclus);
Autre environnement social
Idéologie Hostilité à l'égard des personnes musulmanes

Synthèse

Der Angeklagte richtete nach Bombenanschlägen auf ein ziviles Flugzeug und das Hotel «Paradiso» in Kenia einen «Offenen Brief» an Bundesrat, Parlament, Schweizerinnen und Schweizer. Unter dem Titel «Nach dem Kenia-Massaker: Es geht nicht nur um Israel - es geht um alles, was uns wichtig ist!» wurde dazu aufgerufen, «gegen alle intolerant-zerstörerischen Kräfte, die unsere westliche Gesellschaft bedrohen» Stellung zu beziehen. Die abscheulichen Attentate von Kenia seien «das letzte Beispiel für die islamistisch-arabisch-palästinensischen Wahnsinns-Schlächtereien gegen die jüdisch-israelische Zivilbevölkerung». Gegenüber Intoleranz sei keine Toleranz am Platz.

Eine sich durch den Brief geschädigt fühlende Person reichte Strafanzeige ein und forderte eine Genugtuung. Daraufhin wurde eine Anklage wegen Rassendiskriminierung erhoben.

Die 1. Instanz sprach den Angeklagten vom Vorwurf der Rassendiskriminierung im Sinne von Art. 261bis StGB frei. Auf die Genugtuungsklage wurde nicht eingetreten.

Auf Berufung des Geschädigten hin bestätigte die 2. Instanz das erstinstanzliche Urteil.

Daraufhin gelangte der Geschädigte mit einer Nichtigkeitsbeschwerde ans Bundesgericht.

Gemäss seiner eigenen Rechtsprechung kommt das Bundesgericht zum Schluss, dass dem Beschwerdeführer keine Opferstellung im Sinne des Art. 2 OHG zukomme. Er habe nicht dargetan, dass ihn der inkriminierte Brief in seiner psychischen Integrität schwer beeinträchtigt habe. Es sei lediglich die Rede davon, dass ihn der Brief als führenden Palästinenser in der Schweiz besonders betroffen gemacht habe. Dies genüge indessen nicht, um eine Opferstellung zu begründen. Da ihm somit die Legitimation zur Erhebung der Nichtigkeitsbeschwerde fehle, sei darauf nicht einzutreten.

En fait / faits

Der Angeklagte hatte nach den Bombenanschlägen auf ein ziviles Flugzeug und das Hotel «Paradiso» in Kenia einen „Offenen Brief» mit unten zitiertem Inhalt verfasst und ihn von 130 Personen unterzeichnen lassen. Im Anschluss hat er ihn an den Bundesrat, das Parlament und an eine Nachrichtenagentur versandt, um den Inhalt unter der Schweizer Bevölkerung zu verbreiten.

Der genaue Inhalt des Briefes lautet folgendermassen:

«Offener Brief an Bundesrat, Parlament, Schweizerinnen und Schweizer

Nach dem Kenia-Massaker: Es geht nicht nur um Israel – es geht um alles, was uns wichtig ist!

Wir, die Unterzeichnenden, fordern Bundesrat, Parlament und alle Schweizerinnen und Schweizer auf, unzweideutig Stellung zu beziehen für die zentralen abendländisch-humanistischen Werte unserer Zivilisation und gegen alle intolerant-zerstörerischen Kräfte, die unsere westliche Gesellschaft bedrohen.

Wenn unschuldige Babies, Mütter und Väter an einem Ort, der auch noch ‚Paradies’ heisst, von religiös-fanatisierten Islamisten abgeschlachtet werden, so gibt es dafür nicht die geringste Rechtfertigung. Wenn zivile Flugzeuge mit Raketen vom Himmel geholt werden sollen, muss man Mord Mord nennen und Terror Terror. Zu oft macht in diesem Konflikt unkritische Gutgläubigkeit, falsch interpretierte Menschlichkeit und mangelndes Wissen aus Opfern Täter und aus Tätern Opfer.

Doch da handelt niemand im Blutrausch. Die Morde sind eiskalt kalkuliert. Die abscheulichen Attentate von Kenia sind das letzte Beispiel für die islamistisch-arabisch-palästinensischen Wahnsinns-Schlächtereien gegen die jüdisch-israelische Zivilbevölkerung. Sie haben nichts zu tun mit Befreiungskrieg und sind keine Verzweiflungstaten. Solche (Selbst-)Mordattentate sind eine selbstgewählte Langzeitstrategie, die nur in einem ersten Schritt die Vernichtung des Staates Israel zum Ziel hat. In letzter Konsequenz soll unsere Lebensweise, unsere jüdisch-christliche Zivilisation zerstört werden. Der Islam bekennt sich klar dazu, die Weltherrschaft anzustreben. Keiner wird je behaupten dürfen, er habe das nicht gewusst.

Wir fordern Politiker und Bürger unseres Landes auf, ihre selbst-beruhigende, auf falscher Duldsamkeit basierende Naivität zu erkennen. Unmenschlichkeit darf man nicht mit Verständnis und Erklärung begegnen. Man muss sie als solche entlarven, benennen und verurteilen. Keine Toleranz der Intoleranz!

Den Anfängen zu wehren, ist es bereits zu spät. Es ist höchste Zeit für jene Werte einzutreten, die unsere aufgeklärte, abendländische Gesellschaft in jahrhundertelangen schmerzlichen Kämpfen erreicht hat. Wir wollen uns nicht zurück ins Mittelalter bomben lassen! Denn: Heute Tel Aviv, New York, Bali und Kenia. Und morgen Bern und Berlin, Basel und Rom, Zürich und Paris. Alle stehen in der Pflicht. Vom Bundesrat bis zum einfachen Bürger.

Wer jetzt nicht Stellung bezieht, macht sich mitschuldig. Nicht nur an der angedrohten Vernichtung Israels – und damit einmal mehr an Juden. Sondern an allen zukünftigen Opfern, die der terroristisch-islamistische Wahn überall auf der Welt fordert.»

Eine sich durch den Brief geschädigt fühlende Person reichte Strafanzeige ein und forderte eine Genugtuung. Daraufhin wurde eine Anklage wegen Rassendiskriminierung erhoben.

Die Vorinstanz sprach den Angeklagten vom Vorwurf der Rassendiskriminierung im Sinne von Art. 261bis StGB frei. Auf die Genugtuungsklage trat sie nicht ein.

Auf Berufung des Geschädigten hin bestätigte die 2. Instanz das erstinstanzliche Urteil.

Daraufhin gelangt der Geschädigte mit einer Nichtigkeitsbeschwerde ans Bundesgericht und beantragt, das Urteil sei aufzuheben und der Angeklagte sei schuldig zu sprechen.


Décision 2004-037N

1. kantonale Instanz spricht den Angeklagten frei.

En droit / considérants

Vorab nimmt das Gericht zu einigen prozessualen Fragen Stellung. Der Angeklagte beanstandet eine Verletzung des Anklageprinzips, des Gebotes der Waffengleichheit und des Anspruchs auf Gewährung des rechtlichen Gehörs. Das Gericht hält diese Einwände jedoch für unbegründet und entscheidet sich auf die Anklage einzutreten.

In der Anklageschrift wird dem Angeklagten vorgeworfen, er habe durch den inkriminierten Brief zumindest in Kauf genommen, alle Angehörigen der islamischen Glaubensgemeinschaft sowie alle Angehörigen arabischer oder palästinensischer Herkunft in der schweizerischen Öffentlichkeit zu diskriminieren, gegen diese aufzuhetzen und Hassgefühle gegen sie zu schüren. Willentlich und wissentlich mache er alle Araber, Palästinenser und Angehörigen der islamischen Glaubensrichtung in entwürdigender Weise, undifferenziert, kollektiv und pauschal für den internationalen Terrorismus verantwortlich und stelle sie als Gefahr für andere Kulturen dar.

Der Angeklagte hat den Sachverhalt eingestanden, macht jedoch geltend, sein Verhalten stelle keine Rassendiskriminierung im Sinne von Art. 261bis StGB dar. Er habe mit diesem Schreiben erreichen wollen, dass sich die Öffentlichkeit mit dem Thema «Terrorismus» aktiv auseinandersetze und ein Bewusstsein bezüglich der sich zuspitzenden Lage entwickle. In keiner Art und Weise habe er aber Muslime, Araber oder Palästinenser pauschal für diese Ereignisse verantwortlich machen wollen.

Das Gericht hält zunächst fest, dass das von Art. 261bis StGB geschützte Rechtsgut die Menschenwürde sei, und dass der öffentliche Friede nur mittelbar geschützt sei. Ob aber eine bestimmte Äusserung die Menschenwürde verletze, beurteile sich danach, wie sie von einem unbefangenen Durchschnittsempfänger nach den Umständen verstanden werden müsse. Es gelte nicht nur die einzelnen Äusserungen isoliert zu berücksichtigen, sondern den Gesamtzusammenhang des Textes, die konkrete Situation sowie die weiteren Umstände zu würdigen.

Des Weiteren hält das Gericht fest, dass die Tatbestände von Art. 261bis Abs. 1, 2 und 4 StGB durch das Erfordernis der Öffentlichkeit eingeschränkt würden. Als öffentlich gelte dabei, was an einen grösseren, durch persönliche Beziehungen nicht zusammenhängenden Kreis von Personen gerichtet sei. Da der vorliegende Brief zunächst per Mail an einen grösseren Personenkreis, anschliessend an die einzelnen Departemente des Bundesrates, an die Parlamentarier und via einer Nachrichtenagentur an die Schweizer Bevölkerung verschickt worden ist, sei das Erfordernis der Öffentlichkeit zweifellos erfüllt.

In einem nächsten Schritt klärt das Gericht, ob die Gruppen der Muslime, Palästinenser bzw. Araber als solche vom Schutz der Strafnorm erfasst werden; denn der Art. 261bis StGB schützt nur rassische, religiöse oder ethnische Gruppen. Eine gemeinsame Voraussetzung der Abs. 1, 2 und 4 sei die Betroffenheit einer einzelnen Person aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe oder die unmittelbare Betroffenheit der Gruppe selbst:

  • Muslime seien Angehörige der islamischen Religion. Nach herrschender Lehre kennzeichne eine religiöse Gruppe die gemeinsame Glaubensorientierung. Überdies sei entscheidend, dass sich die Angehörigen der Religion selber als Gruppe empfänden und von der übrigen Bevölkerung auch als solche verstanden würden. Zu den Angehörigen einer religiösen Gruppe seien zweifellos auch alle Menschen zu rechnen, die sich zu einer Weltreligion bekennen. Da der Islam eine der drei monotheistischen Weltreligionen darstelle, seien Muslime als religiöse Gruppe im Sinne von Art. 261bis StGB zu qualifizieren.
  • Angehörige einer Ethnie charakterisierten sich dadurch, dass sie sich selber als eine von der übrigen Bevölkerung verschiedene Gemeinschaft von Menschen empfänden und von der übrigen Bevölkerung wiederum als solch verstanden würden. Dabei seien Gemeinsamkeiten bezüglich Geschichte, Schicksal, Wertvorstellungen und Verhaltensnormen erforderlich. Da die von der Schweiz ratifizierte Rassendiskriminierungskonvention vom 21. Dezember 1965 (RDK), die bei der Definition zu beachten sei, den Begriff nicht weiter einschränke, sei er weit auszulegen.

  • Der Begriff Araber bezeichne in seiner engen Bedeutung die Bewohner der Arabischen Halbinsel. In seiner weiten Bedeutung umfasse er hingegen alle Nationen, die sich durch ihre gemeinsame Sprache, Kultur, ihre gemeinsamen Territorien und ihr Streben nach Einheit miteinander verbunden fühlten. Nach einigen Ausführungen zur Geschichte und Kultur der Araber, kommt das Gericht zum Schluss, dass sich die Araber durch ihre sprachlich, kulturelle und geschichtliche Herkunft von der übrigen Bevölkerung abgrenzten und von dieser auch als eine ethnisch verschiedene Gemeinschaft empfunden werde. Somit stehe ausser Frage, dass es sich bei Araber um eine Ethnie im strafrechtlichen Sinn handle.
    Nach einem kurzen Überblick über den geschichtlichen Hintergrund der Palästinenser, schreitet das Gericht zu einer Unterteilung in zwei Gruppen: «Noch heute teilen sich Palästinenser in Bewohner der palästinensischen Autonomiegebiete und palästinensische Flüchtlinge in anderen arabischen Staaten auf.» Gemeinsam sei ihnen das Bestreben, einen eigenen Staat in Palästina zu etablieren. Das Volk der Palästinenser beruhe somit auf einer gemeinsamen Tradition einer Gruppe von Menschen mit ähnlicher Vergangenheit und kollektiver Erinnerung. Dadurch unterschieden sie sich klar von anderen Bevölkerungsgruppen und es bestehe somit keine Zweifel darüber, dass auch sie eine Ethnie im strafrechtlichen Sinne darstellen.

    Als Drittes beurteilt das Gericht die Frage, ob mit dem «Offenen Brief» zu Hass oder Diskriminierung aufgerufen wurde (Art. 261bis Abs. 1 StGB) oder ob Ideologien verbreitet wurden (Art. 261bis Abs. 2 StGB), und ob Personen oder Gruppierungen in einer gegen die Menschenwürde verstossenden Weise herabgesetzt wurden (Art. 261bis Abs. 4 StGB):

    • Art. 261bis Abs. 1 StGB: Aufruf zu Hass oder Diskriminierung
    Aufruf zu Hass liege vor, wenn bei den Adressaten nicht bloss Ablehnung und Verachtung geweckt, sondern geradezu fundamental feindselige Gefühle ausgelöst oder geschürt würden. Die feindselige Haltung, zu der aufgerufen werde, müsse sich darin äussern, dass daraus die Minderwertigkeit oder Minderberechtigung der angegriffenen Gruppe abgeleitet werde. Dabei sei massgeblich, wie die Äusserung nach den Umständen von einem unbefangenen Durchschnittsempfänger verstanden werden müsse.
    Unter Aufruf zu Diskriminierung seien Handlungen zu verstehen, durch welche die Adressaten aufgereizt würden, Menschen ohne sachlichen Grund, aufgrund ihrer Rasse, Ethnie oder Religion, ungleich zu behandeln. Dies im Bestreben oder mit der Wirkung, dass den Betroffenen der gleichwertige Zugang zu den Menschenrechten abgesprochen werde oder sie an der Ausübung dieser Rechte behindert würden.

    In concreto nimmt der Geschädigte v. a. am folgenden Satz im Abschnitt 3 Anstoss: «Die abscheulichen Attentate von Kenia sind das letzte Beispiel für die islamistisch-arabisch-palästinensichen Wahnsinns-Schlächtereien gegen die jüdisch-israelische Zivilbevölkerung.» Durch den Zusammenhang mit den in Abschnitt 2 geschilderten Attentaten, werden seiner Meinung nach die Angehörigen dieser Gruppen pauschal als Verbrecher gebrandmarkt und als Hort des Terrorismus dargestellt. Es würden Hassgefühle gegen sie geschürt, indem der Text anschliessend dazu auffordere, ihnen kritisch, mit Hass und Vorbehalt zu begegnen. Mit dem Aufruf zum Abbruch der Toleranz, werde ferner ein ungleicher Zugang zu den Menschenrechten, insbesondere zur Religionsfreiheit, propagiert.

    Das Gericht hält fest, dass schon beim Lesen der Überschrift und der ersten beiden Abschnitte dem unbefangenen Durchschnittsleser auf den ersten Blick klar werde, dass der Aufruf inhaltlich an die vergangenen Attentate in Kenia anknüpfe. Als Täter würden klar «religiös-fanatisierte Islamisten» benannt. Islamismus benenne gemäss Duden den islamischen Fundamentalismus und die ihm zugrunde liegende Ideologie, die das kompromisslose Festhalten an den religiösen Grundsätzen des Korans propagiere. Das Gericht kommt deshalb zu folgendem Schluss: «Es steht somit ausser Frage, dass in den ersten beiden Abschnitten nicht generell auf den Islam Bezug genommen wird bzw. alle Angehörigen der islamischen Religion als Ganzes gemeint sind.»

    Anlass zu Bedenken gibt dem Gericht v. a. der dritte Abschnitt, zumal dort von «abscheulichen Attentaten» und von «Wahnsinns-Schlächtereien» die Rede ist. Es führt dazu folgendes aus: «Vor dem Hintergrund der damals aktuellen Anschläge sind solche Termini strafrechtlich nicht zu beanstanden, soweit der Brief als solcher zu den Terroranschlägen einen sachlichen Bezug erkennen lässt und bezüglich der Verantwortlichen genügend Differenzierung enthält. […] Es bleibt durchaus einzuräumen, dass sich die Formulierung «islamistisch-arabisch-palästinensiche Wahnsinns-Schlächtereien» isoliert betrachtet als problematisch erweist, indem durch Zufügung dieser, die Herkunft der Attentäter charakterisierenden, Adjektive eine gewisse Pauschalisierung vorgenommen wird. Die Textpassage nimmt jedoch klar und im Titel vorgenommen Bezug auf die Anschläge in Kenia und die damit in Verbindung stehenden Terroristen, so dass die erwähnte Pauschalisierung wiederum klar relativiert, ja entkräftet wird.»

    Die im vierten Abschnitt geäusserte Forderung «keine Toleranz der Intoleranz» beziehe sich klar auf den Terrorismus. Das Gericht meint dazu: «Offensichtlich geht es darum, ein bestimmtes Vorgehen zu verurteilen, und nicht um Schuldzuweisungen an bestimmte religiöse oder ethnische Gruppen. Für den Durchschnittsleser klar erkennbar wird nicht zum Abbruch der Toleranz gegenüber Muslimen, Arabern oder Palästinensern aufgerufen, sondern gegenüber dem islamistischen Terrorismus.»

    Auch im fünften und sechsten Abschnitt werde noch einmal betont, dass das Ziel der Kritik der islamistische Terror sei.

    Zudem hält das Gericht fest: «Im ‹Offenen Brief› des Angeklagten wird zudem mit dem Terminus «islamistisch» eine weitere Differenzierung zur umfassenderen Bezeichnung der Muslime vorgenommen, wodurch auch die damit in Verbindung gebrachten Adjektive «arabisch-palästinensisch» ihren pauschalen Charakter verlieren.» Es komme nicht darauf an, wie die islamische Gemeinschaft oder der Verfasser des Textes den Begriff «islamistisch» verstehe, sondern allein darauf, ob ein durchschnittlich gebildeter Leser aus dem Adressatenkreis («Schweizer Bevölkerung») diese begriffliche Unterscheidung mache: «Es darf davon ausgegangen werden, dass derjenige Leser, der zumindest über ein bescheidenes Allgemeinwissen verfügt, das Adjektiv ‹islamistisch› nicht dahingehend interpretiert, dass damit pauschal Angehörige der islamischen Glaubensgemeinschaft bezeichnet werden, sondern dass von islamistischen Terroristen wie beispielsweise Anhänger der Hamas oder Al-Kaida, die Rede ist. […] Demzufolge kann dem Aufruf inhaltlich auch keine Gleichsetzung von Muslimen und islamistischen Terroristen entnommen werden. Selbstverständlich ist dann aber, dass solche Proteste gegen Terroristen und öffentliche Verurteilungen der von ihnen verübten Attentate keiner weiteren Rechtfertigung bedürfen und von der verfassungsmässig garantierten Meinungsäusserungsfreiheit gedeckt sind.» Eine Kritik in diesem Rahmen könne deshalb nicht als Verstoss gegen Art. 261bis StGB geahndet werden.

    Zusammenfassend hält das Gericht fest, dass der inkriminierte Brief als Ausdruck von Betroffenheit über die Terroranschläge von Kenia und vorangehende Gewaltakte gegenüber der jüdisch-israelischen Zivilbevölkerung zu werten sei. Wenn und soweit der Brief das Ziel verfolgen sollte, ein feindseliges Klima zu schaffen, dann folglich allein gegenüber den radikalen Terroristen. Aus der Betrachtung des Briefes in seiner Gesamtheit ergebe sich somit, dass weder Hassgefühle gegen alle Araber, Palästinenser und Angehörige der islamischen Glaubensgemeinschaft geschürt würden, noch zu deren Diskriminierung im Sinne einer Beschränkung der Religionsfreiheit aufgerufen werde. Ein Verstoss gegen Art. 261bis StGB sei daher zu verneinen.

  • Art. 261bis Abs. 2 StGB: Verbreitung von Ideologien
  • Unter Verbreiten sei jede Handlung oder Äusserung zu verstehen, die sich an ein zahlenmässig begrenztes oder unbegrenztes Publikum richte. Es reiche jedoch nicht aus, wenn der Täter sich darauf beschränke, einen Sachverhalt oder eine Wertung zu vermitteln, sondern der Täter müsse implizit für diese Wertung werben.
    Der Begriff Ideologie umfasse jede Form einschlägigen Gedankenguts, die vorgebe, Ausfluss eines eigennützigen Zweckstrebens oder eines spezifischen Vorurteils zu sein, sodass die Botschaft einen scheinwissenschaftlichen Anstrich erhalte.
    Mit Herabsetzung sei die Behauptung der Minderwertigkeit einer bestimmten Person oder Gruppe im Vergleich zu anderen Gruppen oder der übrigen Menschen gemeint. Es gehe dabei um das Absprechen oder Infragestellen der Qualität als gleichwertiges bzw. gleichberechtigtes menschliches Wesen an sich.
    Die Verleumdung erfasse den Sonderfall, in dem der Vertreter selbst nicht an die Ideologie glaube. Ideologien, die auf Verleumdung gerichtet seien, stellten somit gewissermassen einen Spezialfall der Ideologien dar, die auf Herabsetzung zielten.

    Der Geschädigte stört sich insbesondere am Satz: «Die abscheulichen Attentate von Kenia sind das letzte Beispiel für die islamistisch-arabisch-palästinensischen Wahnsinns-Schlächtereien gegen die jüdischisraelische Zivilbevölkerung.» Muslime, Araber und Palästinenser würden so kollektiv und undifferenziert für die terroristischen Attentate verantwortlich gemacht, dadurch herabgesetzt und gar verleumdet.

    Den Richter vermag diese Betrachtungsweise nicht zu überzeugen. Man könne den Inhalt des Briefes für die rechtliche Würdigung nicht auf einen oder zwei einzelne Sätze oder Textpassagen reduzieren. «Eine Ideologie im Sinne von
    Art. 261bis Abs. 2 StGB wäre gegeben, wenn implizit oder explizit behauptet würde, Muslime, Araber und Palästinenser seien alles Terroristen.» Zudem müsste der Verfasser dadurch in werbender Weise auf die Adressaten einwirken. Ein unbefangener, durchschnittlich gebildeter Leser würde aber diesem einzelnen Satz im vorliegenden Kontext nicht ernsthaft den Sinngehalt beimessen, die erwähnten Personengruppen seien pauschal für jegliche terroristische Akte auf der Welt verantwortlich.
    Im Übrigen gelte es in der Schweiz als offenes Geheimnis, dass die Urheberschaft terroristischer Attentate überwiegend bei radikalen islamistischen Gruppierungen arabischer Abstammung liege. Daher könne der Einbezug von islamistischen Terroristen palästinensischer Abstammung in die Kritik am Terrorismus vom Leser wohl kaum als pauschale Herabsetzung aller Palästinenser verstanden werden.
    Das Gericht meint zudem: «Darüber hinaus ist es zulässig, Aussagen zum kriminellen Verhalten Angehöriger einer bestimmten Ethnie zu machen und öffentlich zu verbreiten. Massgebend kann nur die Frage sein, ob die Art ihrer Verwendung im Kontext eine verleumderische oder herabsetzende ist.» Im vorliegenden Fall könne denn auch nicht von einer fundamentalen Fehläusserung oder gar Lüge die Rede sein.

    Des Weiteren macht der Geschädigte geltend, durch den Satz «Der Islam bekennt sich klar dazu, die Weltherrschaft anzustreben.» werde dem Islam unterschoben, was einst die Nazis dem Judentum vorgeworfen hätten.
    Zudem werde mit diesem Satz ein Zusammenhang zwischen dem Islam, der die Welt beherrschen wolle und den terroristischen Attentaten geschaffen. Ohne weitere Erklärung oder Abgrenzung werde der Islam und demzufolge seine Anhänger so pauschal als Gefahr für die westliche Kultur dargestellt.

    Das Gericht bringt gegen die erste Behauptung vor, dem Leser müsse spätestens nach der Konsultation eines Lexikons klar sein, dass beim Begriff «Islam» nicht von den Angehörigen der islamischen Religion, sondern von deren religiöser Grundlage die Rede sei. Insofern sei die These also dahingehend zu verstehen, dass die Religion des Islam sich klar dazu bekenne, die Weltherrschaft anzustreben. Es werde aber nicht behauptet, dass diese religiöse Bestrebung durch Muslime generell auf kriminelle Art und Weise durchgesetzt werde. Dies im Unterschied zu der Behauptung der Nazis, die Juden würden durch Verschwörung in machtgieriger und krimineller Weise versuchen, die ganze Welt unter ihre Herrschaft zu bringen. Mit Bezug auf das Privatgutachten Niggli hält der Richter fest: «Ein Streben nach Weltherrschaft ist nicht per se illegal, sofern es, wie zum Beispiel durch friedliche universale Mission, innerhalb der rechtlichen Grenzen erfolgt.»
    Das Gericht erachtet auch den zweiten Vorwurf des Geschädigten als unbegründet. Damit dem Leser bewusst werde, dass auch Europa vom Terrorismus betroffen sei, werde hervorgehoben, dass es nicht nur um die Vernichtung Israels gehe, sondern um die Eliminierung anderer Konfessionen und Werte der westlichen Gesellschaft. Um dies zu belegen, werde dargelegt, auf welche geistigen Grundlagen sich islamistische Terroristen stützten. Nämlich werde die legitime religiöse Bestrebung des Islam, die Welt in friedlicher Ausbreitung zu bekehren, von ihnen politisch ausgelegt und zur Rechtfertigung ihrer weltweiten Bluttaten missbraucht.
    Das Gericht räumt zwar ein, der inkriminierte Satz könne isoliert betrachtet auf den ersten Blick problematisch erscheinen, insbesondere weil hier pauschal und ohne Abgrenzung vom «Islam» als Religion die Rede sei. Wie auch aus dem Privatgutachten Niggli hervorgehe, werde bei eingehender Auseinandersetzung mit dem Sinngehalt der Aussage aber deutlich, dass nicht die Minderwertigkeit der entsprechenden Religionsgemeinschaft behauptet werde. Kritisiert und dämonisiert werde daher nicht der Islam per se, sondern die zerstörerischen politischen Aktivitäten, die unter dem Deckmantel des Islam stattfänden. Abschliessend meint der Richter: «Diese These, dass sich der islamistische Terror auf den Islam als Religion berufe, möge zwar in Europa aus politischer Korrektheit oft gemieden werden, deren Richtigkeit sei aber nicht von der Hand zu weisen und müsse zumindest diskutierbar sein.»

    Zusammenfassend ergibt sich für den Richter, dass «[…]der Brief, wie er von einem Durchschnittsleser verstanden werden darf und muss, keine Ideologie im Sinne von Art. 261bis Abs. 2 StGB enthält, die Muslime, Araber und Palästinenser pauschal als minderwertige Menschen darstellen oder gar verleumden.»

  • Art. 261bis Abs. 4 1. Halbsatz StGB: Herabsetzung konkreter Personen
  • Bei dieser Tatbestandsvariante handle es sich um einen direkten Angriff gegen die betroffene Person oder Gruppe. Das Erfordernis, dass die Tathandlung in einer gegen die Menschenwürde verstossenden Weise zu erfolgen habe, sei als Einschränkung auf besonders schwerwiegende Fälle zu verstehen. Ein Verstoss gegen die Menschenwürde liege aber schon vor, wenn jemand als Mensch zweiter Klasse behandelt werde und ihm somit nur ein beschränkter Anspruch auf die Menschenrechte zugestanden werde, ohne dass dem Opfer seine Menschenqualität oder Existenzberechtigung schlechthin abgesprochen werde.

    Der Geschädigte mache geltend, dass Muslime, Araber und Palästinenser durch den «Offenen Brief» herabgesetzt würden, indem sie kollektiv für den weltweiten Terrorismus verantwortlich gemacht und als Verbrecher dargestellt würden.

    Das Gericht hält auch diesen Vorwurf für unbegründet. Es verweist für die Begriffe «Herabsetzung» und «Diskriminierung» auf die Erläuterungen zu Abs. 2, bzw. Abs. 1., fügt aber beim Tatbestand der «Herabsetzung» hinzu, dass die Zuschreibung einzelner Verhaltensweisen und Eigenschaften oder Kritik einzelner Bräuche und Verhaltensnormen nicht die Menschenwürde verletze.
    In concreto wären der Tatbestand von Abs. 4 1. Satzhälfte erfüllt, wenn mit dem Brief bezweckt würde, alle Muslime, Araber und Palästinenser als minderwertig darzustellen. Der Richter meint aber: «Wie jedoch bereits mehrfach dargelegt, werden die bezeichneten Personengruppen aus dem Kontext ersichtlich gerade nicht pauschal als Terroristen oder als Gefahr für die westliche Zivilisation dargestellt.» Die implizite Aussage, dass sich der Terrorismus auf im Koran enthaltene Aufforderungen zur Islamisierung der Welt abstütze, möge Muslime zwar unangenehm berühren oder gar verletzen, vermöge sie aber nicht in einer gegen die Menschenwürde verstossenden Weise herabzusetzen oder zu diskriminieren.

  • Zusammenfassend hält der Richter fest, dass der objektive Tatbestand von Art. 261bis Abs. 1, 2 und 4 nicht erfüllt sei.
  • Zuletzt wendet sich das Gericht der Frage des subjektiven Tatbestands zu.
    In den Fällen von Art. 261bis Abs. 1, 2 und 4 1. Satzteil sei Vorsatz erforderlich, insbesondere müsse das Bewusstsein und der Wille vorliegen, eine Person oder Gruppe unter Berufung auf deren Zugehörigkeit zu einer bestimmten Rasse, Ethnie oder Religion herabzusetzen bzw. zu ihrer Diskriminierung aufzurufen. Dabei genüge Eventualvorsatz, d. h. der Täter halte den strafbaren Erfolg für möglich und handle gleichwohl, weil er ihn in Kauf nehme.
    Bei Abs. 1 sei zusätzlich hinsichtlich des Merkmals der Öffentlichkeit ein zielgerichtetes Handeln im Sinne eines direkten Vorsatzes nötig.
    Im Rahmen von Abs. 1 und 2 seien Äusserungen, welche die Öffentlichkeit nicht werbend beeinflussen, nicht erfasst. Liege dieses subjektive Element nicht vor, liege ev. ein Anwendungsfall von Abs. 4 vor.
    Der Angeklagt bestreite nicht, dass er den Brief wissentlich und willentlich verfasst habe. Allerdings mache er geltend, sein Motiv sei es gewesen, gegen den menschenverachtenden, mörderischen Wahn islamistischer Terroristen und deren gewalttätige, missbräuchliche Interpretation des Islam zu protestieren. Er habe insofern bewusst zwischen islamistischen Terroristen, dem Islam und den Muslimen differenziert. Ausserdem habe er ein Bewusstsein dafür schaffen wollen, dass Terrorismus nicht nur ein auf Israel beschränktes Problem sein, sondern unsere ganze westliche Zivilisation bedrohe.
    Der Richter hielt die Aussagen des Angeklagten vor dem Hintergrund der Attentate in Kenia und aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit, seiner politischen Position und seiner Zugehörigkeit zur jüdischen Glaubensgemeinschaft sowie seiner persönlichen Betroffenheit für glaubhaft und nachvollziehbar. Ausserdem fehlten objektive Anhaltspunkte dafür, dass er sich von anderen Motiven leiten liess. Insofern habe dem Angeklagten sowohl das Bewusstsein wie auch der Wille gefehlt, Muslime, Araber oder Palästinenser aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur islamischen Religion oder einer Ethnie herabzusetzen oder zu diskriminieren. Ebenso wenig habe er eine solche Wirkung für möglich gehalten oder sie in Kauf genommen. Deshalb sei eventualvorsätzliches Handeln auszuschliessen. Ihm könne bei Bejahung des objektiven Tatbestands höchstens pflichtwidrige Unvorsicht im Sinne von Art. 18 Abs. 3 StGB vorgeworfen werden. Fahrlässiges Handeln sei aber im Rahmen von Art. 261bis StGB nicht strafbar. Damit fehle es vorliegend auch am subjektiven Tatbestand.

    Zusammenfassend ergebe sich, dass dem Brief in seiner Gesamtheit nicht derjenige Sinngehalt zugemessen werden dürfe, wie er von der Anklage und vom Geschädigten behauptet werde. Er habe sich vielmehr an ein politisches Ereignis angelehnt und sei als klare politische Stellungnahme für Israel und die Werte der westlichen Gesellschaft sowie als Brandmarkung des Terrorismus zu werten. Abschliessend hält der Richter fest: «Es mag wohl zutreffen, dass der ‹Offene Brief› geeignet war, bei vielen Leuten Betroffenheit auszulösen und dies zweifellos auch getan hat. Für die Strafbarkeit nach Art. 261bis StGB fehlt es jedoch vorliegend bei allen Tatbestandsvarianten schon am erforderlichen objektiven Tatbestandsmerkmal, wonach sich die Aussagen gegen eine durch die Norm geschützte Personengesamtheit richten müssen. Ungeachtet der Beurteilung des objektiven Tatbestandes fehlt es überdies auch an den subjektiven Voraussetzungen für eine Strafbarkeit nach Art. 261bis StGB. Demzufolge ist der Angeklagte freizusprechen.»

    Auf die Genugtuungsforderung des Geschädigten tritt das Gericht gar nicht ein, da der Angeklagte nicht schuldig ist.

    Décision

    Der Angeklagte wird freigesprochen. Auf die Genugtuungsforderung wird nicht eingetreten.


    Décision 2005-012N

    2. kantonale Instanz spricht den Angeklagten frei.

    En droit / considérants

    Vorab nimmt die Berufungsinstanz zu einigen prozessualen Fragen Stellung.
    Sie spricht dem Geschädigten zwar die Opferstellung im Sinne des Opferhilfegesetzes ab, bestätigt aber seine Geschädigtenstellung.
    Die Verletzung des Anklageprinzips wird, wie schon durch die Vorinstanz, verneint.
    Für eine Einholung eines amtlichen Obergutachtens zur Frage der Islamauslegung sieht der Richter keinen Anlass, da die juristische Beurteilung des Briefes eine reine Rechts- und Auslegungsfrage sei, welche das Gericht selber zu entscheiden habe, wozu es keiner spezifischen Sachkenntnisse bedürfe.

    Die Berufungsinstanz hält zunächst fest, der Angeklagte habe eingestanden, dass er den Brief geschrieben habe, mache aber geltend, er habe damit in keiner Art und Weise Muslime, Araber oder Palästinenser pauschal für dieses Ereignis verantwortlich machen wollen.

    Nach einem kurzen Überblick über die Tatbestände des Art. 261bis Abs. 1, 2, und 4 1. Satzteil StGB würdigt die Berufungsinstanz den Entscheid der Vorinstanz (Freispruch) durch ausführliche Zitate aus dem Urteil. Sie kommt zum Schluss, dass die Feststellungen und Schlüsse der Vorinstanz nicht zu beanstanden seien. Sie könne sich somit darauf beschränken, auf die Ausführungen dieses Entscheids zu verweisen und lediglich Ergänzungen bzw. allfällige Korrekturen anzubringen. Sie weist darauf hin, dass es sich dabei auf die wesentlichen Punkte beschränken könne und sich nicht mit allen Parteistandpunkten ausführlich auseinanderzusetzen habe:

    Allgemeine Ergänzungen:

    • Die Berufungsinstanz erinnert, dass die Frage, ob eine Äusserung die Menschenwürde verletze, danach beurteilt werde, wie sie vom Durchschnittsempfänger nach den konkreten Umständen verstanden werden müsse. Dabei sei nicht die einzelne Äusserung isoliert zu betrachten, sondern es seien der Gesamtzusammenhang der Aussagen, die konkrete Situation, in der die Äusserungen entstanden seinen, sowie die weiteren Umstände zu würdigen.
  • Es sei zu beachten, dass der Brief in zeitlichem Zusammenhang zu einem terroristischen Anschlag geschrieben worden sei. Die Berufungsinstanz zitiert aus einem Zeitungsartikel der NZZ u. a. folgende Passage: «Laut Augenzeugen hatten sich im Fahrzeug drei arabisch aussehende Männer befunden. […] Gegenüber der Agentur Reuters bekannte sich eine bisher nicht in Erscheinung getretene Terrorgruppe mit dem Namen ‹Armee Palästinas› zu den Anschlägen. Die kenianischen Behörden bezichtigen jedoch sofort bin Ladins al-Kaida, die Anschläge verübt zu haben.» Daraus folgert die Berufungsinstanz, der Angeklagte habe gestützt auf die damalige Berichterstattung in den Medien klarerweise einen Konnex zwischen dem Attentat in Kenia und dahinter stehenden mutmasslichen Terroristengruppen ziehen können. Im Übrigen brandmarke das Schreiben auch den Terrorismus im Allgemeinen, weshalb im Aufruf auch jene als Terroristen auftretende Personengruppen namentlich erwähnt werden durften, deren Urheberschaft im Zusammenhang mit den Anschlägen in Kenia nicht unmittelbar belegt ist.
  • Des Weiteren betont die Berufungsinstanz, dass die Äusserungen nach dem Sinn, welchen der unbefangene Durchschnittsleser diesen unter den jeweiligen konkreten Umständen gäbe, und nicht immer nach ihrem strikten Wortlaut zu beurteilen seien. Dabei habe keine entscheidrelevante Bedeutung, ob gewisse Personen dem fraglichen Text einen rassistischen Inhalt beimessen würden. Ebenso wenig sei die Meinung eines Privatgutachters oder des Verfasser des Textes selber für das Gericht verbindlich. Alle diese Ansichten stellten unverbindliche Parteistandpunkte dar.
  • Zur der Klärung der Frage, ob ein Konflikt zwischen der Meinungsäusserungs-

  • freiheit und dem Straftatbestand der Rassendiskriminierung besteht, zitiert die Berufungsinstanz ausführlich aus dem Bundesgerichtsentscheid 131 IV 23. Das Bundesgericht hält fest, den Äusserungen zu politischen Fragen kämen in einer Demokratie ein besonderer Stellenwert zu. So seien denn auch Äusserungen in «überspitzter Form» zulässig. Die Meinungsäusserungsfreiheit dürfe zwar der Bekämpfung der Rassendiskriminierung nicht die Substanz rauben. Doch sei der Straftatbestand noch nicht erfüllt, wenn über eine Gruppe etwas Unvorteilhaftes geäussert werde, solange die Kritik insgesamt sachlich bleibe und sich auf objektive Gründe stütze. Daraufhin kommt die Berufungsinstanz unter Verweis auf die bundesrätliche Botschaft zum Schluss, «dass weder eine sachliche Berichterstattung noch die in einer Demokratie notwendige politische Diskussion von der Definition des Tatbestandes der Rassendiskriminierung erfasst sei, weshalb das Recht der Meinungsäusserungsfreiheit in seinem Kerngehalt nicht berührt werde.»

  • Das Erfordernis der Öffentlichkeit sieht die Berufungsinstanz, unter Verweisung auf die Erwägungen der Vorinstanz, als klarerweise gegeben an.
  • In der Frage, ob Muslime, Araber und Palästinenser zu den strafrechtlich geschützten Gruppen gehören, bestätigt die Berufungsinstanz vollumfänglich den Entscheid der Vorinstanz, welche dies bejahte.
  • Analyse des Offenen Briefes:

    • Zuerst betont die Berufungsintanz, dass das Thema dieses Strafverfahrens «‹nur› – aber immerhin – der ‹Offene Brief›» sei, und dass andere Äusserungen des Angeklagten nicht berücksichtigt würden.
  • Die Berufungsinstanz sieht es als unbestreitbar an, dass im Brief zuweilen klar Stellung bezogen werde. Es sei aber vom Verfasser auch glaubhaft dargelegt worden, dass Wut, Trauer und Schmerz die auslösenden Elemente waren.
  • Im Hinblick auf Art. 261bis StGB seien nur wenige Textpassagen überhaupt rechtlich relevant und die Vorinstanz habe sich in zutreffender Weise mit diesen befasst. Ergänzend seien aber folgende Erwägungen anzubringen:
  • In einem ersten Schritt äussert sich die Berufungsinstanz zu drei Aussagen:

    1. Aussage: «Wenn unschuldige Babies, Mütter und Väter an einem Ort, der auch noch ‹Paradies› heisst, von religiös-fanatisierten Islamisten abgeschlachtet werden, so gibt es dafür nicht die geringste Rechtfertigung.»

    2. Aussage: «Die abscheulichen Attentate von Kenia sind das letzte Beispiel für die islamistisch-arabisch-palästinensischen Wahnsinnsschlächtereien gegen die jüdisch-israelische Zivilbevölkerung»

    3. Aussage: «[…] die der terroristisch-islamistische Wahn überall auf der Welt fordert»

    Durch die gewählte Wortkombination dieser drei Aussagen würden unmissverständlich nur bestimmte radikale Gruppierungen islamistischer Fundamentalisten und Terroristen ins Visier genommen. Es seien aber nicht der Islam oder die Muslime als Glaubensgemeinschaft gemeint.
    Die Vorinstanz habe sich mit dem Islamismus und den entsprechenden negativen Auswirkungen des islamistischen Fundamentalismus ausreichend befasst. Insbesondere habe sie dargelegt, dass in der medialen Berichterstattung im Zusammenhang mit religiös-fanatisierten Attentätern regelmässig der Terminus «Islamisten» verwendet werde, um sie so von Muslimen als friedliche Angehörige der islamischen Glaubensgemeinschaft abzugrenzen. Die Vorinstanz gehe somit davon aus, dass der Durchschnittsleser das Adjektiv islamistisch nicht dahingehend interpretiere, dass damit pauschal alle Angehörigen der islamischen Glaubensgemeinschaft gemeint seien.
    Dieser Beurteilung der Vorinstanz erweise sich als korrekt. Im Übrigen mache auch Prof. Niggli in seinem Privatgutachten diese Abgrenzung.
    Diese Ausführungen bedürfen laut Berufungsinstanz keiner weiteren Ergänzung und Präzisierung, und sie genügen somit als rechtliche Beurteilung vollauf. Dennoch sei es unumgänglich an, im Sinne einer Untermauerung der Aussagen der Vorinstanz, zusätzliche Ausführungen zu machen. Es folgt eine fundierte, und breite Recherche zu den Begriffen «Islam und Islamismus», in welcher verschiedenste Expertenmeinungen zitiert werden. Am Schluss zieht die Berufungsinstanz das Fazit, dass die Begriffe «Islam und Islamismus» im allgemeinen Sprachgebrauch nicht dasselbe bedeuten. Eine Verwendung des Begriffes «Terrorismus» im Zusammenhang oder in Wortgebilden bzw. Wortzusammensetzungen mit radikalen, fundamentalistischen Islamisten erscheine unter dem Blickwinkel der Antirassismusnorm nicht als unzulässig. Selbst wenn jedoch eine solch klare Differenzierung nicht existiere, sei der Adressat der Vorwürfe des „Offenen Briefes» klar erkennbar: offensichtlich würden Terrorgruppen bzw. Personengruppen mit terroristischer Zielsetzung anvisiert. Die Präzisierungen betreffend Herkunft der Attentäter verlören dadurch an Gewicht.

    In einem weiteren Schritt äussert sich die Berufungsinstanz noch mal eingehend zur 2. Aussage betreffend «die islamistisch-arabisch-palästinensichen Wahnsinns-Schlächterein». Hier würden zwar die ethnischen Gruppen der Araber bzw. Palästinenser erwähnt, doch geschehe dies in klarem und direktem Konnex zur Gruppe der Islamisten. Es werde also nicht nur ein Bezug zu den konkreten Ereignissen hergestellt, sondern auch zu spezifischen terroristischen Gruppen. «Es ist daher davon auszugehen, dass der Durchschnittsleser den fraglichen Ausdruck mit der Betonung auf ‹islamistisch› liest, während er die Zusätze ‹arabisch-palästinensisch› nur als untergeordnete Attribute wahrnimmt und sie als blosse Herkunftsbezeichnung auffasst. Keinesfalls lässt sich mithin aus der betreffenden Aussage der Schluss ziehen, sämtliche Angehörige selbiger Ethnie oder Religion seien Terroristen.»

    Auch die Aussage «Der Islam bekennt sich klar dazu, die Weltherrschaft anzustreben» ist laut Berufungsinstanz neutral und verstosse nicht gegen Art. 261bis StGB. «Das Streben nach Weltherrschaft ist nicht per se illegal, sofern dies innerhalb der bestehenden rechtlichen Grenzen erfolgt und dabei die Menschenrechte respektiert werden. Zudem ist davon auszugehen, dass dem Islam ein gewisser Hegemonialanspruch, was an sich jeder monotheistischen Weltreligion anhaftet, tatsächlich innewohnt.»

    Zusammenfassend sei festzuhalten: Der Brief nehme klar Stellung zu den Terroranschlägen in Kenia. Es lasse sich keinerlei Legitimität für Terrorismus finden und begründen. «Wenn jemand den internationalen Terrorismus anprangert und die Öffentlichkeit wachrüttelt, damit also ein Zeichen setzen will für all jene Personen, die einen solchen ‹Wahnsinn› ablehnen, so kann man dabei ohnehin nicht jedes Wort einer linguistischen Analyse unterziehen.» Öffentliche Proteste gegen Terrorismus bedürften keiner weiteren Rechtfertigung und seien zweifellos von der Meinungsfreiheit gedeckt.
    Die Erwähnung des Islam sei – weil im Schreiben immer von islamistischen Terrorgruppierungen die Rede sei – an sich zwar nicht sehr glücklich. Allerdings seien die Aussagen im Gesamtzusammenhang zu sehen, wonach sich islamistische Fundamentalisten, um ihre Handlungen zu legitimieren, selbst auf die entsprechenden Koranstellen beziehen. Umgekehrt verbiete sich klar eine Gleichsetzung von Islam und Islamismus. Dies lasse sich aber aus dem «Offenen Brief» auch nicht ableiten.
    Die vom Geschädigten mehrfach aufgestellte Behauptung, der «Offene Brief» spreche in seiner «krassen antipalästinensischen, antiarabischen und antimuslimischen Stossrichtung» für sich, er richte sich «in deutlicher Sprache gegen alle Araber, Muslime und Palästinenser», er unterstelle ihnen pauschal, für die Terroranschläge in Kenia verantwortlich zu sein, es werde «zu einem abendländischen Feldzug gegen die islamistisch-arabisch-palästinensische Welt» und zur Beendigung jeglicher Toleranz ihr gegenüber aufgerufen, sei falsch, ja manipulativ und tendenziös. Aus dem Brief sei auch kein «abendländischer Überlegenheitsgestus» herauszuspüren.

    Als Fazit hält die Berufungsinstanz das Folgende fest:

    Der Brief sei Ausdruck von Betroffenheit und ein emotionaler Aufruf, sich dem weltweit zunehmenden Terrorismus nicht zu beugen. Wenn und soweit er das Ziel verfolgen sollte, ein feindseliges Klima zu schaffen, dann folglich allein gegenüber dem Terrorismus. Es würde also nicht zu Hass oder Diskriminierung von Araber, Palästinensern und Muslimen aufgerufen, deshalb sei der Tatbestand von Art. 261bis Abs. 1 StGB nicht erfüllt. Aus dem Aufruf könne auch nicht abgeleitet werden, Muslime, Araber und Palästinenser seien alles Terroristen. Womit auch der Tatbestand der Herabsetzung von Abs. 4 1. Satzteil nicht erfüllt sei. Auch ein Verstoss gegen Abs. 2 sei klar nicht erkennbar.

    Was den subjektiven Tatbestand anbelangt, verweist die Berufungsinstanz auf die Ausführungen der Vorinstanz, wonach dem Angeklagten weder vorsätzliches noch eventualvorsätzliches Handeln nachgewiesen werden könne.

    Demzufolge sei der Angeklagte freizusprechen und auf die Genugtuungsforderung sei nicht einzutreten.

    Décision

    Das Urteil der Vorinstanz wird vollumfänglich bestätigt. Der Angeklagte wird freigesprochen. Auf die Genugtuungsforderung wird nicht eingetreten.


    Décision 2005-032N

    Das Schweizerische Bundesgericht (Kassationshof) tritt nicht auf die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde ein.

    En droit / considérants

    Das Bundesgericht prüft als Erstes, ob die Legitimation des Beschwerdeführers zur Nichtigkeitsbeschwerde nach Art. 270 lit. e BStP gegeben sei. Dies setze voraus, dass dem Geschädigten die Stellung als Opfer im Sinne des Opferhilfegesetzes zukomme.

    Nach Art. 2 Abs. 1 OHG ist jede Person Opfer, die durch eine Straftat in ihrer körperlichen, sexuellen oder psychischen Integrität unmittelbar beeinträchtigt worden ist, unabhängig davon, ob der Täter ermittelt worden ist und ob er sich schuldhaft verhalten hat.

    Das Bundesgericht hält fest, dass die Rechtsprechung verlange, dass diese Beeinträchtigung ein gewisses Gewicht habe. Dabei sei nicht die Schwere der Straftat, sondern der Grad der Betroffenheit der geschädigten Person massgebend. Entscheidend sei, ob die Beeinträchtigung des Geschädigten in seiner körperlichen, sexuellen oder psychischen Integrität das legitime Bedürfnis begründe, die Hilfsangebote und Schutzrechte des Opferhilfegesetzes in Anspruch zu nehmen.
    Der Art. 261bis Abs. 4 1. Satzteil StGB schütze die Würde des einzelnen Menschen und subsidiär den öffentlichen Frieden. Die Opfereigenschaft falle etwa in Betracht, wenn der rassendiskriminierende Angriff mit Tätlichkeiten verbunden sei oder wenn dadurch zugleich weitere Straftatbestände wie Körperverletzung oder Brandstiftung usw. erfüllt würden. Sei dies nicht der Fall, sei die Opferstellung nur zu bejahen, wenn ein besonders schwerer Angriff vorliege. So verhalte es sich etwa, wenn sich die rassendiskriminierenden Äusserungen gegen einen ehemaligen Gefangenen eines Konzentrationslagers richten und dieser aufgrund der dadurch bewirkten Retraumatisierung erheblich in seiner psychischen Integrität beeinträchtigt werde.
    Die gleichen Voraussetzungen an die Opferstellung hätten bei Art. 261bis Abs. 5 StGB zu gelten.
    Zur Opferstellung bei Art. 261bis Abs. 1 und 2 StGB habe das Bundesgericht zwar noch nie Stellung bezogen. Dies sei aber in diesem Fall weiterhin auch nicht nötig, denn eine Bejahung komme auf jeden Fall nicht unter weniger strengen Voraussetzung in Betracht als bei Abs. 4 1. Satzteil.
    Da der Art. 261bis StGB Abs. 4 2. Satzteil allein den öffentlichen Frieden schütze, komme Personen, welche der in der Vergangenheit verfolgten Rasse, Ethnie oder Religion angehörten, bei der Leugnung der Vorgänge keine Opferstellung zu. Auch wenn ihre Betroffenheit, je nach den Umständen des konkreten Einzelfalles, schwer wiegen und im äussersten Fall gar zu einer psychischen Beeinträchtigung führen möge.

    Im konkreten Fall führt das Bundesgericht aus, der Beschwerdeführer sei keinen Angriffen auf seine körperliche Integrität ausgesetzt gewesen. Er sei daher gemäss der Rechtsprechung nur als Opfer zu betrachten, wenn ein besonders schwerer Fall der Rassendiskriminierung vorliege und er glaubhaft mache, dass diese ihn in seiner psychischen Integrität erheblich beeinträchtig habe. In der Nichtigkeitsbeschwerde werde dies aber nicht dargetan. Es sei lediglich die Rede davon, dass ihn der Brief als führenden Palästinenser in der Schweiz besonders betroffen gemacht habe. Dies genüge indessen nicht, um eine Opferstellung zu begründen. Es seien auch sonst keine Umstände ersichtlich, welche den Schluss auf eine erhebliche Beeinträchtigung zuliessen.

    Das Bundesgericht kommt zum Schluss, dass dem Beschwerdeführer somit keine Opferstellung im Sinne des Art. 2 OHG zukomme. Da ihm somit die Legitimation zur Erhebung der Nichtigkeitsbeschwerde fehle, sei darauf nicht einzutreten.

    Décision

    Aufgrund fehlender Beschwerdelegitimation wird auf die Nichtigkeitsbeschwerde nicht eingetreten.