Cas 2003-049N
Rassistische Äusserungen im Internet
Zurich
Historique de la procédure
|
2003 |
2003-049N |
Die 1. Instanz verurteilt den Beschuldigten. |
Critères de recherche juridiques |
Acte / Eléments constitutifs objectifs |
Abaissement ou discrimination (al. 4 1ère phrase) |
Objet de protection |
Race;
Ethnie;
Religion |
Questions spécifiques sur l'élément constitutif |
Bien juridique protégé;
Publiquement (en public);
Elément constitutif subjectif de l'infraction |
Mots-clés |
Auteurs |
Particuliers |
Victimes |
Juifs;
Personnes noires / PoC;
Etrangers et membres d'autres ethnies |
Moyens utilisés |
Ecrits |
Environnement social |
Médias sociaux |
Idéologie |
Antisémitisme;
Racisme (nationalité / origine);
Racisme (couleur de peau) |
Synthèse
Der Beschuldigte tätigte verschiedentlich rassistische Äusserungen in der Chatbox einer Kommunikationsplattform. Einerseits äusserte sich der Beschuldigte wie folgt: «Ich habe heute 10 Neger in Seuzach gesehen, macht mal wieder eine Razzi, dann haben wir vor dem Lumpenpack wieder ruhe. Wir wissen ja alle, das alle Niggers in Seuzach kriminell sind, als ihr das letzte mal ne Razzi gemacht habt hatten wir zimlich lange ruhe vor dem Scheiss Pack». Ausserdem forderte er auf dieser Kommunikationsplattform, dass «Albaner vergast» werden sollen. Auch äusserte er sich abschätzig gegenüber Juden, wobei der genaue Wortlaut dem Urteil nicht zu entnehmen ist. Das Gericht befindet den Beschuldigten der mehrfachen Rassendiskriminierung schuldig im Sinne von Art. 261bis Abs. 4 StGB. Der Beschuldigte wird bestraft mit einer Busse von Fr. 1'000.—.
En fait / faits
Der Beschuldigte tätigte verschiedentlich rassistische Äusserungen in der Chatbox einer Kommunikationsplattform. Einerseits äusserte sich der Beschuldigte wie folgt: «Ich habe heute 10 Neger in Seuzach gesehen, macht mal wieder eine Razzi, dann haben wir vor dem Lumpenpack wieder ruhe. Wir wissen ja alle, das alle Niggers in Seuzach kriminell sind, als ihr das letzte mal ne Razzi gemacht habt hatten wir zimlich lange ruhe vor dem Scheiss Pack». Ausserdem forderte er auf dieser Kommunikationsplattform, dass Albaner vergast werden sollen. Auch äusserte er sich abschätzig gegenüber Juden, wobei der genaue Wortlaut dem Urteil nicht zu entnehmen ist.
En droit / considérants
- Öffentlichkeit der Aussage
Gemäss den Nutzungsbedingungen der in Frage stehenden Kommunikationsplattform kann jedermann, der sich ordnungsgemäss angemeldet und eingeloggt hat, die Plattform zur Kommunikation mit andern Teilnehmern oder der Öffentlichkeit nutzen. Nach den Angaben auf der Homepage der Betreiberin bietet die Chatbox «aktives 'Plaudern' mit Tausenden von Menschen von nah und fern». Gemäss des Beschuldgten hat die Plattform «Swisstalk» 250'000 Teilnehmer. Das Gericht kommt deshalb zum Schluss, dass es sich - entgegen der Ansicht des Beschudligten— nicht um einen Kommunikationsvorgang zwischen zwei oder einer bestimmten Anzahl Personen handelt, wie dies bei einem Telefongespräch der Fall ist Nach konstanter Rechtsprechung des Bundesgerichts ist eine Äusserung dann öffentlich, wenn sie von unbestimmt vielen Personen oder von einem grösseren, nicht durch persönliche Beziehungen zusammenhängenden Kreis von Personen wahrgenommen werden kann was vorliegend gegeben ist.
Gemäss dem Gericht ist weiter zu prüfen, ob die vom Angeklagten erwähnten Personen oder Gruppen von Personen von Art. 261
bis Abs. 4 StGB geschützt sind, also ob sie einer Rasse, Ethnie oder einer Religion angehören. Als Rasse geschützt von Art. 261
bis Abs. 4 StGB sind Gruppen von Menschen, die sich selbst und die von anderen als Gruppe erfahren bzw. erfahren werden, und denen (auch fälschlicherweise) bestimmte erbliche Merkmale zugeschrieben werden. Das Gericht hält fest, dass die vom Beschuldigten verwendeten Begriffe «Neger» und «Nigger» gemeinhin als (abschätzige) Bezeichnungen für Menschen mit dunkler Hautfarbe gelten, die nach dieser Definition eine Rasse im Sinne von Art. 261
bis StGB darstellen. Der Begriff der Ethnie könne wie der rein soziologische Begriff der Rasse definiert werden — hier fehle allerdings jeder Bezug zu erkennbaren biologischen Besonderheiten; im Vordergrund stehen kulturelle, sprachliche und historische Aspekte. Die Gruppe der Juden sei eine religiöse und zugleich auch eine durch ihre Ethnie bestimmte Gruppe und wird von Art. 261
bis Abs. 4 StGB geschützt, seien demnach von Art. 261
bis Abs. 4 StGB erfasst.
Mit der Aussage «Albaner vergasen» verhalte es sich gemäss Gericht jedoch anders. Denn Nationen und Nationalitäten werden als solche, d.h. als rechtliche Kategorien, von Art. 261
bis Abs. 4 StGB nicht erfasst. Werde aber mit der Nationalität die betreffende Ethnie gemeint, so sei auch in diesen Fällen Art. 261
bis StGB anwendbar. Das Gericht kommt deshalb zum Schluss, dass die Äusserung des Angeklagten «Albaner vergasen» nicht unter Art. 261
bis StGB falle.
- Herabsetzung in der Menschenwürde
Das Gericht führt weiter aus, dass eine Person oder Gruppe i.S. von Art. 261
bis Abs. 4 StGB herabgesetzt wird, wenn ihr aufgrund der Gruppenzugehörigkeit bzw. — eigenschaft die Gleichwertigkeit bzw. Gleichberechtigung als menschliches Wesen abgesprochen wird. Herabsetzen bedeute, jemandem einen minderen Wert zuschreiben, und zwar im Bereich seiner Menschenwürde, mit der Konsequenz, dass dem Opfer auch eine geringere Rechtsstellung zugewiesen werde. Mit der Aussage «Ich habe heute 10 Neger in Seuzach gesehen, macht mal wieder eine Razzi, dann haben wir vor dem Lumpenpack wieder ruhe. Wir wissen ja alle, das alle Niggers in Seuzach kriminell sind, als ihr das letzte mal ne Razzi gemacht habt hatten wir zimlich lange ruhe vor dem Scheiss Pack» werden gemäss Gericht alle Personen mit dunkler Hautfarbe in Seuzach herabgesetzt. Eine Herabsetzung von Menschen mit dunkler Hautfarbe sei zudem in der Bezeichnung von Menschen mit den Schimpfwörtern «Neger» oder «Nigger» zu sehen.
Die Verbindung zwischen negativem Werturteil und der unentrinnbaren Gruppenzugehörigkeit enthält gemäss Gericht die Behauptung einer grundsätzlichen Minderwertigkeit der angesprochenen Gruppe wie dies vorliegend mit der Äusserung «dreckiges jüdisches Grinsen» erfolgte. Ob die betroffene Person tatsächlich der behaupteten Gruppe angehört, sei — entgegen der Ansicht des Angeklagten— unmassgeblich.
Zusammenfassend kommt das Gericht zum Schluss, dass der objektive Tatbestand von Art. 261
bis Abs. 4 StGB vorliegend mehrfach erfüllt ist.
In subjektiver Hinsicht ist gemäss Gericht erforderlich, dass der Täter sämtliche objektiven Tatbestandsmerkmale wie auch den sie verbindenden Kausalzusammenhang mit Wissen und Willen, d.h. mit Vorsatz (Art. 18 Abs. 2 StGB) erfüllt.
Auch wenn der Angeklagte anlässlich der Verhandlung angab, seine Äusserungen seien nicht öffentlich erfolgt, da die benutzte Chat-Plattform über die Telefonleitung laufe, war er sich bewusst, dass jedermann, der sich ordnungsgemäss angemeldet und eingeloggt hat, lesen konnte, was er dort schrieb, seine Äusserungen also öffentlich erfolgten. Insgesamt sei festzuhalten, dass für die Erfüllung des subjektiven Tatbestands Eventualvorsatz ausreiche. Dieser liegt gemäss Gericht vor, wenn sich der Täter die Verwirklichung des Tatbestandes nur als möglich vorstellt, sie aber in Kauf nimmt und sich damit abfindet, was vorliegend bei allen Äusserungen, die den Tatbestand von Art. 261
bis Abs. 4 StGB objektiv erfüllen, zu bejahen ist.
Weiter hält das Gericht fest, dass weder Rechtfertigungs- noch Schuldausschliessungsgründe ersichtlich sind. Da der Angeklagte sowohl den objektiven als auch den subjektiven Tatbestand erfüllt hat, sei er im Sinne der Anklage schuldig zu sprechen. In Abweichung zur Anklageschrift sei festzuhalten, dass der Angeklagte den Tatbestand von Art. 261
bis Abs. 4 StGB mehrfach erfüllte.
Der durch den Gesetzgeber gezogene Strafrahmen von Gefängnis oder Busse (Art. 261
bis Abs. 6 StGB) wird bei Vorliegen eines Strafmilderungsgrundes nach unten und, sofern ein Strafschärfungsgrund gegeben ist, nach oben erweitert. Innerhalb dieses Rahmens ist die Strafe nach der allgemeinen Regel von Art. 63 StGB festzulegen wobei der Richter Strafschärfungs- und Strafmilderungsgründe mindestens straferhöhend bzw. -mindernd zu berücksichtigen hat.
Das Gericht hält fest, dass keine Strafmilderungsgründe vorliegen. Strafschärfend im Sinne von Art. 68 Ziff. 1 Abs. 1 StGB sei aber zu berücksichtigen, dass der Angeklagte den Tatbestand von Art. 261
bis Abs. 4 StGB mehrfach erfüllte. Das Gericht führt weiter aus, dass es an das gesetzliche Höchstmass der Strafart gebunden ist, weshalb die obere Grenze des Strafrahmens bei 3 Jahren Gefängnis bleibt. Die untere Grenze des Strafrahmens ist die Busse. Da bei der Strafzumessung die Strafe im Hinblick auf die mehrmalige Tatbegehung mindestens innerhalb des ordentlichen Strafrahmens erhöht werden müsse, habe das Gericht die Mindeststrafe jedenfalls zu überschreiten
Das Gericht erklärt weiter, dass nach der allgemeinen Regel von Art. 63 StGB das Gericht die Strafe nach dem Verschulden des Täters bemisst; Das Gericht berücksichtigt die Beweggründe, das Vorleben und die persönlichen Verhältnisse des Schuldigen.
Im vorliegenden Fall kommt das Gericht zum Schluss, dass das Verschulden des Angeklagten erheblich ist. Der Beschuldigte hat in grober und verletzender Weise gezielt die Würde von Menschen gewisser Rassen und Ethnien herabgesetzt. Auf einer Tausenden von Menschen zugänglichen Chat-Plattform bezeichnete er, ohne irgendeinen triftigen Grund, in pauschalisierender Art und Weise eine gesamte Gruppe von Menschen als Kriminelle. Dabei nahm er in Kauf, dass seine Äusserungen auch von Angehörigen der betreffenden Gruppen, von unmündigen und noch leicht beeinflussbaren Menschen gelesen werden konnten. Das Geständnis im Sachverhalt kann gemäss Gericht nicht strafmindernd berücksichtigt werden, resultiert es doch in erster Linie aus einer gewissen Bekennermentalität des Angeklagten. Straferhöhend sei die Vorstrafe des Beschuldigten zu berücksichtigen.
Der Angeklagte hat gemäss seinen eigenen Angaben die Realschule absolviert. Nach der dreijähren Sanitärlehre habe er eine Zusatzlehre als Haustechniker-Installateur absolviert. Zur Zeit des Urteils befand er sich an der Meisterschule in Weiterbildung. Der Angeklagte führte weiter aus, gemäss Steuererklärung erziele er ein Jahreseinkommen von Fr. 18'000.—. Es sei so tief, weil er wegen der Meisterschule nicht zu 100% arbeite. Seine Miete betrage monatlich Fr. 1'035.— und er verfüge über Ersparnisse von Fr. 5'000.—, mit denen er die Kosten für die Weiterbildung bestreite.
In Anbetracht dieser Umstände erscheint dem Gericht eine Busse in der Höhe von Fr. 1'000.— als angemessen.
Décision
Das Gericht befindet den Angeklagten der mehrfachen Rassendiskriminierung schuldig im Sinne von Art. 261bis Abs. 4 StGB. Der Angeklagte wird bestraft mit einer Busse von Fr. 1'000 CHF. Die Gerichtsgebühr in der Höhe von 1'103 CHF hat der Beschuldigte zu tragen.