Cas 2004-030N
Zurich
Historique de la procédure | ||
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2004 | 2004-030N | 2. kantonale Instanz verurteilt den Angeklagten. Anschliessend: 3. Instanz heisst Nichtigkeitsbeschwerde gut und weist an die Vorinstanz zurück. 2. Instanz weist die Sache auf Anweisung der 3. Instanz an die 1. Instanz zurück. |
2007 | 2007-068N | 1. Instanz verurteilt den Angeklagten in zwei von drei Anklagepunkten. Anschliessend: 2. Instanz hebt das Urteil auf, Zurückweisung an die Vorinstanz. Feststellung der eingetretenen Rechtskraft bezüglich des Freispruchs. Nichteintreten der 3. Instanz auf Nichtigkeitsbeschwerde gegen den Beschluss der 2. Instanz. Nichteintreten des Bundesgerichts auf die Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss der 2. und 3. Instanz. |
2010 | 2010-003N | 1. Instanz erklärt den Angeklagten in zwei Anklagepunkten der Rassendiskriminierung für schuldig. Von einer Bestrafung wird wegen der Übermässigen Verfahrensdauer Umgang genommen. |
2010 | 2010-027N | 2. Instanz tritt auf die Anklage aus Gründen der Verjährung nicht ein. |
Critères de recherche juridiques | |
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Autorité/Instance | 1ère instance cantonale; 2ème instance cantonale; 3ème instance cantonale; Tribunal fédéral |
Acte / Eléments constitutifs objectifs | Propagation d'une idéologie (al. 2); Abaissement ou discrimination (al. 4 1ère phrase); Négation d'un génocide (al. 4 2ème phrase) |
Objet de protection | Objet de protection en général |
Questions spécifiques sur l'élément constitutif | Publiquement (en public) |
Mots-clés | |
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Auteurs | Particuliers |
Victimes | Juifs |
Moyens utilisés | Ecrits; Propagation de matériel raciste |
Environnement social | Associations / Fédérations / Organisations; Media (Internet inclus); Autre environnement social |
Idéologie | Antisémitisme; Autres idéologies |
Der Angeklagte wurde angeklagt, als verantwortlicher Redaktor in einem gesamtschweizerisch verteilten Heft durch verschiedene Aussagen und Begriffe Art. 261bis Abs. 2 und Abs. 4 verletzt zu haben. Unter anderem wurden Ausdrücke wie "die jüdische Standartlüge", "klassische jüdische Lüge" und "Schächtjuden" abgedruckt und das Grinsen eines Mannes beim Schächten eines Schafes auf einem Foto wurde mit dem Grinsen von Nazi-Schergen beim Foltern von KZ-Häftlingen verglichen.
In einem von drei Anklagepunkten betreffend Rassendiskriminierung ist der Freispruch der 1. Instanz von 2007 in Rechtskraft erwachsen. Im erneuten erstinstanzlichen Urteil von 2010 (Nr. 2010-3) erklärt das Gericht den Angeklagten in den übrigen zwei Anklagepunkten der Rassendiskriminierung im Sinne von Art. 261bis Abs. 4 StGB für schuldig. Aus Gründen der Verletzung des Beschleunigungsgebots und der daraus entstandenen unangemessenen Verfahrensdauer wurde indes von einer Bestrafung Umgang genommen.
Die 2. Instanz erklärt im vorliegenden Beschluss die Verfolgung einer allfälligen Rassendiskriminierung vom Jahr 2002 für absolut verjährt und tritt somit nicht auf die Anklage ein.
Anlässlich der damaligen Diskussion um die Aufhebung des Schächtverbots brachte der Angeklagte als Redaktor einer Zeitschrift eine dem Tierschutz gewidmete Auflage zur Thematik des Schächtens heraus. Neben weiteren Beiträgen enthielt die Auflage einen Text, in dem die Ansicht vertreten wird, dass "die von der jüdischen Bundesrätin Dreifuss eingesetzte ’Kommission gegen Rassismus‘ in Wirklichkeit ein mit Steuergeldern finanziertes Instrument zur Verbreitung jüdischer Propaganda" sei. Die Kommission befürworte "die Aufhebung des Schächtverbots mit der klassischen jüdischen Lüge, das Schächten sei für die Tiere nicht schlimmer als das sonst übliche Schlachten mit Betäubung". Eine weitere Aussage über die "jüdische Standardlüge, das Schächtverbot habe seit über hundert Jahren mehr antisemitische als tierschützerische Motive" wurde wie folgt kommentiert: "Wahr daran ist nur, dass man angesichts der widerlichen Verlogenheit der organisierten Juden zum Thema Schächten als Tierschützer eine fast übermenschliche Charakterstärke haben muss, um nicht tatsächlich judenfeindlich zu werden."
Auf einer anderen Seite war ein Bild abgedruckt, welches zwei Männer beim Schächten eines Schafes zeigte. Die Bildlegende lautete: "Jüdisches Schächten eines Schafes. Der sadistische religiöse Fanatiker rechts grinst dazu. So mögen Nazi-Schergen beim Foltern von KZ-Häftlingen gegrinst haben".
Dem Angeklagten wird in der Anklageschrift vorgeworfen, er habe die Tatbestände der Rassendiskriminierung im Sinne von Art. 261bis Abs. 2 und 4 StGB erfüllt, indem er als verantwortlicher Redaktor eines gesamtschweizerisch verteilten Hefts Folgendes abdrucken liess:
Im Urteil von 2010 erklärte die 1. Instanz den Angeklagten in zwei Anklagepunkten der Rassendiskriminierung für schuldig. Von einer Bestrafung wurde wegen der übermässigen Verfahrensdauer Umgang genommen.
Gegen das erstinstanzliche Urteil erhob der Angeklagte erneut Berufung.
Décision 2004-030N
Vorab nimmt das Gericht zu einigen prozessualen Fragen Stellung:
Insbesondere rügt der Angeklagte, eine Verteidigung gegen die vorliegend schwammige Anklage sei nicht möglich, ohne dass die Verteidiger riskierten, ihrerseits in ein Strafverfahren wegen Rassendiskriminierung verwickelt zu werden.
Das Gericht hält folgendes dazu fest: «Strafbar macht er sich nur, wenn er in einer öffentlichen Gerichtsverhandlung nicht bloss bestreitet, dass die eingeklagten Handlungen bzw. Aussagen den besagten Straftatbestand erfüllten, sondern sich (allfälligen) rassendiskriminiereden Auffassungen offen erkennbar anschliesst, indem er sich selber entsprechend äussert.» Der Verteidiger könne auch gewisse Vorbringen, die er für unabdingbar halte, aber nicht öffentlich vortragen wolle, weil er befürchte, sogleich selber der Rassendiskriminierung beschuldigt zu werden, dem Gericht schriftlich einreichen oder für die Dauer des Plädoyers den Ausschluss der Öffentlichkeit verlangen. An dieser Rechtslage ändere auch BGE 130 IV 111 zum Begriff der Öffentlichkeit nichts. Denn Äusserungen in schriftlichen Eingaben an ein Gericht, könnten, weil sie nur einem kleinen Kreis von Amtes wegen damit befasster und zur Verschwiegenheit verpflichteter Personen zur Kenntnis gelangten, auch im Lichte dieser Rechtsprechung nicht als öffentlich gelten. Zuletzt meint das Gericht, könne er auch als Rechtsfertigungsgrund die Berufspflicht beanspruchen.
Des Weiteren beanstandet der Angeklagte die vorinstanzliche Beweiswürdigung und Zeugenbefragung. Ausserdem sei Art. 261bis StGB zu unbestimmt formuliert, sodass er keine rechtsstaatlich haltbare Grundlage für eine Verurteilung bilden könne. Ein Punkt, auf den das Gericht besonders intensiv einging, ist die Behauptung, sein Recht auf rechtliches Gehör sei ihm nicht gewährleistet worden, da er materiell nicht verteidigt worden sei. Dann verlangt er, das Verfahren müsse bis zum Entscheid des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte über eine in andrer Sache hängige Beschwerde des Angeklagten sistiert werden. Zuletzt bringt er vor, die Behörde, welche die anfänglichen Untersuchungen geleitet hatte, habe ihn vorverurteilt und dadurch die Unschuldsvermutung verletzt.
Das Gericht behandelt alle diese Einwände gründlich, kommt dann aber zum Schluss, dass sie unbegründet sind oder geheilt wurden, sodass einem Eintreten auf die Berufung nichts im Wege steht.
Im materiellen Teil des Urteils behandelt das Gericht die streitigen Punkte der 4 Anklageschriften der Reihe nach:
1. Anklageschrift: Versuch die Betreiberin eines Bauernhofes unter Drohung einer Medienkampagne zum Rückzug eines Strafantrages zu zwingen (Ziff. V):
Der Angeklagte wird in diesem Punkt vom Vorwurf des Nötigungsversuchs frei gesprochen. [Die genauen Erwägungen werden hier nicht weiter dargelegt, da sie für eine Urteilssammlung zur Rassendiskriminierung nicht relevant sind.]
2. Anklageschrift:
Zur Tatbestandsmässigkeit der fraglichen Äusserungen verweist das Gericht auf die zutreffenden Ausführungen der Vorinstanz. Zusammenfassend sei festzuhalten, «dass der hauptsächliche Inhalt aller dieser Texte darin bestehe, die systematische Ermordung von Millionen von Juden (insbesondere durch Vergasung) zu bestreiten, zu behaupten, dass die historisch dokumentierte (ungefähre) Zahl von sechs Millionen Opfern weit etwa um das Dreissigfache übertrieben sei, und dass somit der Holocaust eine Erfindung der Juden sei, die ihnen dazu diene, insbesondere von Deutschland finanzielle Leistungen zu erpressen und so die Deutschen als Milchkuh zu benützen. [ ] Es gebe nicht den geringsten Hinweis auf eine Judenvernichtungspolitik. [ ] Der Holocaust sei eine Lüge bzw. ein Mythos. [ ] Besonders zynisch, ja geradezu monströs ist die Behauptung, dass Zyklon B lediglich zur Bekämpfung der Läuseplage in den Konzentrationslagern gedient habe und viel weniger Häftlinge gestorben wären, wenn den Deutschen mehr Zyklon B zur Verfügung gestanden hätte. [ ] Der Beweis für die Unwahrheit des Holocaust-Schwindels bestehe in der Tatsache, dass die Juden nach dem Krieg immer noch da gewesen seien. Die meisten Juden im deutschen Machtbereich hätten überlebt. Die Zahl der ausschliesslich an Hunger, Erschöpfung und vor allem Fleckentyphus verstorbenen Opfer habe ca. 170'000 betragen [ ].»
Die Aussage des Angeklagten, er hege keinerlei Sympathie für den Holocaust und könne sich mit den Aussagen nicht identifizieren, kann laut dem Gericht nicht widerlegt werden. Der Sinn solcher Behauptungen könne indessen offensichtlich nur darin bestehen, den unter dem Naziregime an den Juden verübten Völkermord weitgehend zu bestreiten. Selbst wenn es dem Angeklagten nur darum ging, das angeblich unfair geführt Strafverfahren zu kritisieren, würde dies an der objektiven und subjektiven Tatbestandsmässigkeit von Art. 261bis StGB nichts ändern. «Wer solche Texte zwar mit der Anmerkung, sie entsprächen nicht seiner Auffassung im Internet publiziert, nimmt in Kauf, die darin enthaltenen massive Verunglimpfungen der Juden und die gröbliche Verharmlosung des an ihnen begangenen Genozids weiter zu verbreiten und möglicherweise ihre Wirkung zu verstärken.»
Die Verteidigung macht indessen geltend, dass es sich bei den inkriminierten Publikationen des Angeklagten um eine gemäss Art. 27 Abs. 4 StGB straflose wahrheitsgetreue Berichterstattung über eine öffentliche Gerichtsverhandlung handle.
Da die Texte dem Protokoll einer öffentlich geführten Gerichtsverhandlung entstammen und über ein Medium, das Internet, verbreitet wurden, und da die Tathandlung sich in der Publikation erschöpfe, bestätigt das Gericht zwar, dass die Voraussetzungen von Art. 27 Abs. 4 StGB erfüllt seien. Aber nach der bundesgerichtlichen Praxis sei diese Bestimmung auf die Verbreitung rassendiskriminierender Äusserungen nicht anwendbar, weil Art. 261bis StGB gerade erlassen wurde, um deren öffentliche Kundgabe zu verbieten (BGE 125 IV 211f, 126 IV 177). Würde der Art. 27 Abs. 4 StGB auch bei Rassendiskriminierung uneingeschränkt Platz greifen, könnte der Zweck dieses Verbots unterlaufen werden, indem entsprechende Äusserungen ausgerechnet auf die wirksamste Weise, nämlich über die Medien, praktisch beliebig straflos bleiben. Das Gericht räumt allerdings ein, diese Rechtsprechung sei verschiedentlich kritisiert worden, da sie den besonderen Schutz der Medien völlig ausheble. Die Berichterstattung über derartige Gerichtsverfahren unter Einschluss von Angabe über den Gegenstand des Prozesses müsse zulässig sein. Im Ergebnis sei die höchstrichterliche Rechtsprechung jedoch insoweit überzeugend, als die Privilegien, welche den Medien aufgrund von Art. 27 StGB zukommen, nicht zur Umgehung des Rassendiskriminierungsverbots missbraucht werden dürften.
Ob ein solcher Missbrauch vorliege, sagt das Gericht, sei anhand der gesamten Umstände der konkret in Frage stehenden Publikation zu beurteilen. «Der Begriff der wahrheitsgemässen Berichterstattung setzt voraus, dass die Veröffentlichung von einer gewissen Aktualität ist und der Verlauf einer Gerichtsverhandlung mit einem Minimum an Objektivität beschrieben wird.»
Bezüglich des Umfangs, in dem sie über Einzelheiten berichteten, sei den Medienleuten aber ein erheblicher Spielraum zuzubilligen. Von Bedeutung sei aber nicht nur, wie ausführlich die strafbaren Äusserungen wiedergegeben werden, sondern auch, wie viel Raum sie im Rahmen der in Frage stehenden Publikation einnähmen. Wenn sie dort in quantitativer Hinsicht dominierten, könne dies dem Berichterstatter nur angelastet werden, sofern er dieses Ungleichgewicht herbeigeführt habe.
Ausgeschlossen seien aber Inhalte, deren mediale Verbreitung mit Blick auf die öffentliche Sicherheit und Ordnung absolut verhindert werden müssten. Bei krass diskriminierenden Äusserungen sei zumindest grosse Zurückhaltung geboten. «Unzulässig bleiben aber jedenfalls Prozessberichte, die grösstenteils aus der detaillierten und kommentarlosen Wiederholung grob rassendiskriminierender Äusserungen bestehen.»
Eine Rolle spiele schliesslich auch der Zweck der Veröffentlichung und die allenfalls erkennbare Einstellung des Berichterstatters. Wer von rassistischen Umtrieben warnen wolle, komme nicht umhin diese auch zu beschreiben. «Selbst eine relativ ausführliche Wiedergabe entsprechender Aussagen muss zu solchen Zwecken erlaubt bleiben. [
] Stellt der Täter hingegen rassendiskriminierende Inhalte ins Zentrum seiner Ausführungen, so ist davon auszugehen, dass ihre Weiterverbreitung sein eigentliches Ziel ist. In solchen Fällen ist die Berufung auf Art. 27 Abs 4 StGB missbräuchlich, weil sie einzig dazu dient, Art. 261bis StGB zu umgehen.»
In concreto hält das Gericht fest, dass die Verurteilung, als der Angeklagte das fragliche Gerichtsprotokoll veröffentlichte, zwar nicht mehr taufrisch gewesen sei; aber das Thema sei für den Angeklagten im Zusammenhang mit dem tierschützerischen Engagement gegen das Schächten und auch mit Blick auf die politischen Bemühungen zur Abschaffung von Art. 261bis StGB (damals lief die Unterschriftensammlung für eine entsprechende Volksinitiative) durchaus aktuell gewesen. Der Prozessbericht sei zwar insgesamt nicht in einem ausgeprägt polemischen Ton abgefasst, Zitate rassendiskriminierenden Inhalts nähmen aber darin breiten Raum ein. Zudem sei, durch die Behauptung, dass die Anklage auf schwachen Füssen stehe, leicht zu erkennen, dass der Verfasser zu den Sympathisanten des Verurteilten gehörte. Das Protokoll sei nahezu vollumfänglich publiziert. Dass dabei die Ausführungen des Verurteilten und seines Entlastungszeugen den grössten Teil des Textumfanges ausmachten, sei aber nicht vom Angeklagten zu vertreten. Indem er auch Äusserungen des Staatsanwaltes und des Gerichts publizierte, habe er ein Minimum an Objektivität gewahrt. Im Verhältnis zum Gesamtumfang der Homepage sei aber der Umfang der rassendiskriminierenden Texte verschwindend klein. Zudem sei die Unwahrheit dieser revisionistischen Behauptungen allgemein notorisch (bekannt). Insoweit bildeten ihre Widergabe in einem Medium kaum noch eine ernste Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Der Inhalt der eingeklagten Textstellen verstosse indessen in krasser Weise gegen Art. 261bis StGB. «Ihre seitenlange und fast durchwegs unkommentierte Veröffentlichung muss grundsätzlich als Missbrauch von Art. 27 Abs. 4 StGB beurteilt werden und könnte höchstens ausnahmsweise etwa im Rahmen einer juristischen Fachpublikation zu Art. 261bis StGB durch ein legitimes (z. B. wissenschaftliches) Interesse gerechtfertigt sein.» Der Angeklagte habe zwar darauf hingewiesen, dass er die Auffassung der Holocaustleugner nicht teile, und dass es ihm mit der Publikation vielmehr um das Recht der freien Meinungsäusserung gehe. «Zum Zwecke der zweifellos zulässigen Kritik an Art. 261bis StGB, an der Handhabung dieser Strafbestimmung seitens der Gerichte oder an der Art, wie entsprechende Verfahren abgewickelt werde, war aber die ausführlichen Publikation der rassendiskriminierenden Texte [
] klarerweise weder nötig noch tauglich. Der Angeklagte kann sich hiefür nicht auf Art. 27 Abs. 4 StGB berufen.»
Die Vorinstanz billigte dem Angeklagten jedoch zu, er habe sich bei der Veröffentlichung der eingeklagten Aussagen in einem Schuld ausschliessenden Rechtsirrtum (Art. 20 StGB) befunden und sprach ihn deshalb frei. Der Angeklagte habe sich damals bei der Staatsanwaltschaft erkundigt, ob er das fragliche Gerichtsprotokoll publizieren dürfe, worauf die genannte Behörde ihm geantwortet habe, man gebe hierzu keine Auskunft. Dies belege zwar, dass er Zweifel an der Straflosigkeit der Publikation gehabt habe, was an sich einen Rechtsirrtum ausschliesse. Immerhin habe er aber mit Art. 27 Abs. 4 StGB einen klaren und unzweideutigen Gesetzestext vor sich gehabt. Das Bundesgericht habe erst nach diesem Verfahren entschlossen, dass dieser Artikel bei Rassendiskriminierung nicht anwendbar sei.
Dieser Argumentation der Vorinstanz kann das Gericht nicht folgen. Die grundsätzliche Strafbarkeit der Äusserungen habe für den Angeklagten ausser Zweifel gestanden. Zur Frage, ob solche offensichtlich rassendiskriminierenden Äusserungen gestützt auf Art. 27 Abs 4 StGB in den Medien dennoch straflos weiterverbreitet werden dürften, sei zwar noch kein höchstrichterlicher Entscheid vorgelegen und die Norm sei aufgrund des Wortlautes auch sehr klar. Der Angeklagte habe aber gleichwohl Zweifel an der Publikation gehegt, denn sonst hätte er keinen Anlas gehabt, eine entsprechende Anfrage an die Staatsanwaltschaft zu richten. Er hätte sich, nachdem er dort keine Antwort erhalten hatte, bei einer anderen kompetenten Stelle erkundigen müssen. Da er dies unterlassen habe, könne er sich nicht auf einen Verbotsirrtum im Sinne von Art. 20 StGB berufen. Er sei daher in diesem Punkt der Rassendiskriminierung im Sinne von Art. Art. 261bis Abs. 4 2. Satzteil StGB schuldig zu sprechen.
Das Gericht führt hierzu aus, dass die Wortprägung «Schächtjuden» zwar kaum von einer freundlichen Gesinnung gegenüber Juden zeuge und insbesondere gegenüber jenen, die das Schächten praktizierten. Ausserdem beziehe sie sich direkt auf ein Ritual der jüdischen Religion. «Sie beinhaltet aber für sich allein keine Herabsetzung der Juden auch nicht der schächtenden wegen deren Ethnie oder Religion im Sinne von Art. 261bis Abs. 2 oder 4 StGB, denn damit wird weder ausdrücklich noch implizit behauptet, diese seien als Menschen und Träger von Grundrechten minderwertig.»
Das Gericht hält dann aber weiter fest, dass der Angeklagte den Schächtjuden indessen nicht nur ein unmenschliches Verhalten vorwerfe, sondern sie wegen eines Teils ihrer Religion in einem Zug mit Nazis als Unmenschen bezeichne. «Er spricht ihnen damit ausdrücklich die Menschenwürde ab und stellt sie mit Anhängern eines verbrecherischen Regimes auf eine Stufe. Dies erfüllt klarerweise den Tatbestand der Rassendiskriminierung im Sinne von Art. 261bis Abs. 4 1. Teil StGB.»
Nicht erfüllt sieht das Gericht hingegen den Tatbestand von Art. 261bis Abs. 2 StGB. «Ideologien sind weltanschauliche oder politische Gedankegebäude, die in sich geschlossen sind oder geschlossen zu sein vorgeben und auf einer absolut gesetzten Grundanschauung und Werterhaltung beruhen. Der Angeklagte ist demgegenüber bei seinen verbalen Attacken auf die Juden offensichtlich auf eine einzige Idee fixiert, nämlich auf die Bekämpfung des Schächtens. Ein zusammenhängendes Geflecht politischer Vorstellungen rassistischen bzw. antisemitischen Inhalts ist dahinter nicht auszumachen.» Der Angeklagte sei daher in diesem Punkt nur im Sinne von Art. 261bis Abs. 4 1. Satzteil StGB schuldig zu sprechen nicht aber im Sinne von Abs. 2.
Das Gericht ist der Überzeugung, dass der Angeklagte, indem er behaupte, dass die Juden einem Rassismus anhingen, der mit demjenigen Hitlers vergleichbar sei, diese als verabscheuungswürdig und verbrecherisch darstelle. Selbst wenn, wie der Angeklagte behaupte, im Talmud stehe, dass das Kind eines Nichtjuden und einer Israelitin ein Hurenkind und der Samen der Nichtjuden ein Viehsamen sei, dass Juden Nichtjuden bestehlen, berauben und ihnen die Frauen rauben dürften, wäre unzweifelhaft, dass es sich dabei um uralte Texte handeln würde. Die Behauptung, dass das heutige Judentum daran festhalte, sei schlicht absurd. Nach wie vor praktizierten sie das Schächten, was jedoch legal sei. Sie deswegen mit Hitler zu vergleichen und ihnen Abartigkeit vorzuwerfen, entspreche einer groben, gegen die Menschenwürde verstossenden Herabsetzung im Sinne von Art. 261bis Abs. 4 1. Satzteil StGB. Der Angeklagte sei somit in diesem Punkt schuldig zu sprechen.
Das Gericht hält fest, der Angeklagte habe die Menschenwürde der Juden in schwerwiegender Weise herabgesetzt, indem er Juden mit Menschenfressern und Nazihenkern vergleiche und die «Schächtjuden» mit letzteren als charakterlich gleich einstufe. Der Tatbestand von Art. 261bis Abs. 4 1. Satzteil StGB sei somit erfüllt. Der Angeklagte habe aber mit dem Hinweis auf die beiden Äusserungen, seine kurz zuvor erfolgte Verurteilung als Willkürjustiz kritisieren wollen. Er habe lediglich in diesem Zusammenhang auch die Äusserungen wiedergegeben, die dazu geführt hätten. Dies bleibe gemäss Art. 27 Abs. 4 StGB straflos.
Mit der Bemerkung, dass die Frage an Frau Dreifuss nicht treffender hätte formuliert werden können, bekräftige der Angeklagte jedoch darüber hinaus die inkriminierte Äusserung. Dies sei ein Verstoss gegen Art. 261bis Abs. 4 1. Satzteil StGB.
Der Angeklagte sei somit hinsichtlich Ziff. V frei zu sprechen jedoch hinsichtlich Ziff. VI der Rassendiskriminierung im Sinne von Art. 261bis Abs. 4 1. Satzteil StGB schuldig zu sprechen.
Das Gericht räumt zwar ein, dass sich der Verfasser vordergründig vom Rassenhass distanziere. Er setze aber schon im nächsten Abschnitt die Rituale der jüdischen Religion denen von Kannibalen gleich und fordere, dass die «Verbeugungen vor jüdischem Kapital» nicht geduldet werden dürfe. Zudem behaupte er, die Juden seien selbst schuld, wenn antisemitische Tendenzen aufkämen und fordert sie mit einem drohenden Unterton auf, auf das Schächten zu verzichten, ansonsten werde sie der Staat nicht schützen können. «Indem von den Juden unter Androhung von Nachteilen gefordert wird, sich von den Gebräuchen ihrer Religion zu distanzieren, wird zumindest teilweise ihr Anspruch auf die Ausübung der verfassungsmässigen Grundrechte bestritten.» Der vom Angeklagten weiterverbreitete Text sei somit rassendiskriminierend im Sinne von Art. 261bis Abs. 4 1. Satzteil StGB. Er sei somit in diesem Punkt schuldig zu sprechen.
Die Verteidigung macht geltend, der Angeklagte habe bezüglich Ziff. II, III, VI, VII lediglich aus tierschützerischen Motiven gehandelt und habe nicht die Absicht gehabt, Juden aufgrund ihrer Rasse, Ethnie oder Religion zu diskriminieren.
Es erscheint dem Gericht durchaus glaubhaft, dass es dem Angeklagten primär um die Bekämpfung des Schächtens gegangen sei und ihn zumindest ursprünglich nicht ein genereller, rassistisch motivierter Hass auf die Juden dazu veranlasst habe, diese Texte zu verbreiten. Es sei aber ebenso klar, dass deren Inhalt weit über eine sachliche Kritik am Schächten hinausgehe: «Wer sich aus welchen Motiven auch immer wiederholt in einer solchen Weise äussert, nimmt eine systematische Verleumdung und gegen die Menschenwürde verstossende Herabsetzung der Angehörigen der jüdischen Religionsgemeinschaft zumindest bewusst in Kauf und schürt den Judenhass.» Der Angeklagte sei somit auch in subjektiver Hinsicht der mehrfachen Begehung der Rassendiskriminierung im Sinne von Art. 261bis Abs. 4 1. Satzteil StGB schuldig zu sprechen.
3. Anklageschrift: Reizgasangriff:
Der Angeklagte wird in diesem Punkt der einfachen Körperverletzung schuldig gesprochen. [Die genauen Erwägungen werden hier nicht weiter dargelegt, da sie für eine Urteilssammlung zur Rassendiskriminierung nicht relevant sind.]
4. Anklageschrift:
Das Gericht stellt klar, dass der Vergleich einer nach der Auffassung des hiesigen Gesetzgebers tierquälerischen Methode der Tierschlachtung mit dem Foltern von KZ-Häftlingen unpassend und stossend sei. Zudem sei er insbesondere auch sachlich verfehlt, weil in den KZs die Menschen aus purem Sadismus gequält wurden, während es beim Schächten um religiös begründete Regeln gehe. Für sich allein wäre die Äusserung aber nicht ohne weiteres als rassendiskriminierend zu beurteilen; denn Juden oder KZ-Häftlinge würden damit nicht pauschal als minderwertig eingestuft oder mit Tieren gleichgesetzt. «Das zentrale Anliegen engagierter Tierschützer besteht, wie allgemein bekannt ist, im Gegenteil darin, Tieren dieselbe Würde zuzugestehen wie Menschen, und dadurch können Menschen nicht diskriminiert werden.» Der Angeklagte unterstelle aber im begleitenden Text ausdrücklich, dass Tiere aus sadistischen Motiven geschächtet würden. Indem er sich auf «religiösen Fanatikern» beziehe, behaupte er zwar nicht explizit, Juden neigten aufgrund ihrer Religion (generell) zu sadistischen Verhaltensweisenschreibe. Beim Schächten handle es sich aber um ein Ritual, das in der öffentlichen Wahrnehmung stark mit dem jüdischen Glauben verbunden sei. Zudem werfe er in derselben Ausgabe der Zeitschrift, der Gesamtheit der «organisierten Juden» ohne Beschränkung auf «religiöse Fanatiker» im Zusammenhang mit dem Schächten «widerliche Verlogenheit» vor. Das Gericht ist deshalb der Meinung, dass «für den unbefangenen Durchschnittsleser» klar sei, dass die inkriminierte Äusserung nicht bloss auf Fanatiker bezogen sei. «Sie enthält vielmehr zumindest implizit die Behauptung, dass die gesamte Religionsgemeinschaft der Juden zum religiösen Fanatismus und damit verbunden zu sadistischen Verhaltensweisen neige oder diese zumindest billige.» Der Tatbestand von Art. 261bis Abs. 4 1. Satzteil StGB sei somit erfüllt. Der vorinstanzliche Schuldspruch sei zu bestätigen.
Zum Strafmass äussert sich das Gericht folgendermassen:
Es stellt fest, dass der Angeklagte 2 Straftatbestände erfüllt und eines dieser Delikte mehrfach begangen habe. Dies sei Straf erhöhend zu berücksichtigen. Es sei jedoch hinsichtlich der vom Angeklagten ausgeübten Körperverletzung eine Strafmilderung möglich, da die Tat im Notwehrexzess begangen wurde.
Das Verschulden des Angeklagten sei hinsichtlich der mehrfachen Rassendiskriminierung keinesfalls mehr leicht. Der Angeklagte habe mehrere Texte rassendiskriminierenden Inhalts ins Internet gestellt und über eine lange Zeit stehengelassen. Besonders gravierend sei die ausführliche Veröffentlichung von in einem Strafverfahren beurteilten Texten, in welchen der unter der Herrschaft der Nazis an den Juden verübte Völkermord weitestgehend geleugnet wird. Es sei dem Täter hinsichtlich der von ihm im Zusammenhang mit dem Schächten publizierten Texten zwar zuzubilligen, dass er aus Gründen des Tierschutzes gehandelt habe und sein Ziel nicht darin bestanden habe, die Juden in rassendiskriminierender Weise zu verunglimpfen. Er habe sich dabei aber in Äusserungen verstiegen, die z. T. in krasser Weise gegen das Verbot der rassischen, ethnischen und religiösen Diskriminierung verstössen. Es sei offensichtlich, «dass der Angeklagte bei der an sich legitimen Verfolgung seiner tierschützerischen Anliegen zunehmend fanatisch wurde und sich sein Engagement gegen das Schächten schliesslich zu einem eigentlichen, in grob diskriminierenden Äusserungen öffentlich zutage tretenden Antisemitismus ausweitete.» Die im Notwehrexzess begangene und objektiv nicht gravierende Körperverletzung falle daneben nicht stark ins Gewicht.
Aus der Lebensgeschichte und den persönlichen und finanziellen Verhältnissen kann das Gericht keine besonderen be- oder entlastenden Momente erkennen. Seit einigen Jahren sei der Angeklagte hauptberuflich als Präsident und Geschäftsführer eines Vereins sowie als Verleger von dessen Publikationen tätig, wobei er einen Monatslohn von Fr. 6000.- beziehe. Sein Vermögen habe sich innert der letzten drei Jahre auf über eine Million Franken verdoppelt. Ausser der Hypothek von Fr. 1000.- pro Monat für die Liegenschaft, in welcher der Angeklagte mit seiner Familie wohne, habe er keine Schulden.
Der Angeklagte sei dreifach vorbestraft: Fr. 25000.- Busse wegen übler Nachrede, 45 Tage Gefängnis unbedingt wegen mehrfacher Rassendiskriminierung, DM 4000.- Geldstrafe wegen Beleidigung. Diese Vorstrafen insbesondere die einschlägige wegen Rassendiskriminierung - müssten sich Straf erhöhend auswirken.
Straf mindernd könne sich die lange Verfahrensdauer auswirken.
Die erstinstanzlich ausgefällte Strafe von 5 Monaten Gefängnis sei auf der Basis des damaligen Schuldspruches ohne weiteres angemessen gewesen. Die Tatsache, dass der Angeklagte in zwei weiteren Anklagepunkten freigesprochen wurde, dass ihm ein Strafmilderungsgrund bezüglich der Körperverletzung zugebilligt wurde, und dass seit dem erstinstanzlichen Urteil wiederum Jahre verstrichen seien, stehe der Tatsache eines zusätzlichen Schuldspruches gegenüber, so dass eine Strafreduktion nicht am Platze sei.
Die objektiven Voraussetzungen für einen bedingten Strafvollzug wären eigentlich gegeben, dennoch entschliesst sich das Gericht diesen nicht zu gewähren: «Nachdem aber weder die Verurteilung zu einer unbedingt vollziehbaren Gefängnisstrafe von immerhin 1 ½ Monaten Dauer [ ] noch die Anhebung neuer Strafuntersuchungen den Angeklagten von weiteren rassendiskriminierenden Publikationen abzuhalten vermochten und er diesbezüglich auch im vorliegenden Gerichtsverfahren keinerlei Einsicht zeigte, erscheinen seien Bewährungsaussichten als ungünstig und ist deshalb die heute ausgefällte Freiheitsstrafe zu vollziehen.»
Das Urteil bezüglich der Schadenersatzforderung des Geschädigten wird wie folgt geändert. An der hundertprozentigen Schadenersatzpflicht des Angeklagten könne heute nicht festgehalten werden, da davon ausgegangen werde, dass er die betreffende Tat in einem Notwehrexzess begangen hat. Da er die Grenzen des Notwehrrechts aber eindeutig überschritten habe, sei die Haftungsquote wegen teilweisem Selbstverschulden nur auf 80 % zu reduzieren.
Die von der Vorinstanz abgewiesene Genugtuungsklage wird vom Geschädigten nicht angefochten.
Der Angeklagte wird somit der mehrfachen Rassendiskriminierung im Sinne von
Art. 261bis Abs. 2 (2. Anklageschrift Ziff. I) und Abs. 4 StGB (2. Anklageschrift Ziff. I, II, III, VI und VII; 4. Anklageschrift Ziff. I und III) sowie der einfachen Körperverletzung im Sinne von Art. 123 Ziff. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 33 Abs. 2 1. Satzteil StGB (3. Anklageschrift) schuldig gesprochen. Hingegen wird er vom Vorwurf der Rassendiskriminierung im Sinne von Art. 261bis Abs. 2 und 4 StGB (2. Anklageschrift Ziff. IV, V und VIII; 4. Anklageschrift Ziff. II), sowie des Nötigungsversuchs im Sinne von Art. 181 in Verbindung mit Art. 22 Abs. 1 StGB (1. Anklageschrift, Ziff. V) freigesprochen.
Er wird somit zu einer Gefängnisstrafe von 5 Monaten unbedingt verurteilt. Unter Verweis auf den Weg des ordentlichen Zivilprozesses, wird festgestellt, dass der Angeklagte gegenüber dem Geschädigten zu 80 % schadenersatzpflichtig ist. Eine Genugtuung wird dem Geschädigten nicht zugesprochen.
Der Angeklagte wird der mehrfachen Rassendiskriminierung im Sinne von Art. 261bis Abs. 2 (2. Anklageschrift Ziff. I) und Abs. 4 StGB (2. Anklageschrift Ziff. I, II, III, VI und VII; 4. Anklageschrift Ziff. I und III) sowie der einfachen Körperverletzung im Sinne von Art. 123 Ziff. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 33 Abs. 2 1. Satzteil StGB (3. Anklageschrift) schuldig gesprochen.
Er wird somit zu einer Gefängnisstrafe von 5 Monaten unbedingt verurteilt. Unter Verweis auf den Weg des ordentlichen Zivilprozesses, wird festgestellt, dass der Angeklagte gegenüber dem Geschädigten zu 80 % schadenersatzpflichtig ist. Eine Genugtuung wird dem Geschädigten nicht zugesprochen.
Décision 2007-068N
Zu den Ausdrücken «klassische jüdische Lüge» und «widerliche Verlogenheit der organisierten Juden» äussert sich das Gericht wie folgt. Es stellt fest, dass die Ausdrücke «klassisch» und «Verlogenheit» dem Durchschnittsleser, auf den abzustellen ist und der den in Frage stehenden Text einmal allenfalls auch nur flüchtig durchliest, vormachen, dass Juden eine generelle, grundsätzlich lügnerische Veranlagung haben. Das Gericht hält fest, dass es im Rahmen der Meinungsfreiheit grundsätzlich erlaubt sei, sich gegenüber dem Schächten selber und dem Schächtvorgang als solchem zu äussern, solange keine rassendiskriminierenden Elemente damit verbunden werden. Mit der Behauptung über eine angebliche «widerliche Verlogenheit der organisierten Juden» werde der Religionsgemeinschaft der Vorwurf gemacht, die öffentliche Meinungsbildung gezielt und bewusst zu verfälschen, womit ihnen in pauschaler Weise eine stark negativ besetze Charaktereigenschaft zur Last gelegt werde. Diese vom Angeklagten gemachten Äusserungen erfüllen somit den Tatbestand der Rassendiskriminierung nach Art. 261bis Abs. 4 erste Hälfte StGB.
Der vom Angeklagten gezogene und durch ein Bild verstärkter Vergleich von «jüdischem Schächten» mit «Nazi-Schergen» setze Juden, oder wenigstens sich zum Schächten bekennende Juden, mit Nazi-Schergen gleich, da beide zu sadistischen Verhaltensweisen neigen oder solche zumindest billigen würden. Aus diesem Grund erfüllen auch diese Äusserungen den Tatbestand der Rassendiskriminierung im Sinn von Art. 261bis Abs. 4 erste Hälfte StGB.
Das Gericht hält fest, dass der Angeklagte auch den subjektiven Tatbestand von Art. 261bis Abs. 4 erste Hälfte StGB erfülle, da die von ihm publizierten Textauszüge die Juden als Religionsgemeinschaft in krasser Weise herabsetzen und aus der Optik eines nicht juristisch geschulten Menschen offensichtlich rassendiskriminierend sind. Es sei zudem zu berücksichtigen, dass der Angeklagte bereits für gleiche beziehungsweise ähnliche Äusserungen verurteilt worden sei. Der Angeklagte musste sich also über den rassendiskriminierenden Gehalt seiner Äusserungen im Klaren sein. Die erste Instanz kommt somit zum Schluss, dass auch der subjektive Tatbestand von Art. 261bis Abs. 4 erste Hälfte StGB gegeben ist.
Das Gericht verurteilt den Angeklagten wegen Rassendiskriminierung gemäss Art. 261bis Abs. 4 Hälfte 1 StGB zu einer unbedingten Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je CHF 130.-, insgesamt zu CHF 11'700.- Freispruch im dritten Anklagepunkt. Auf drei Anklagen aus den Jahren 1999, 2000 und 2001 wird zufolge Verjährung nicht eingetreten.
Décision 2010-003N
Das Gericht hält es für nicht ersichtlich, inwiefern es sich bei den Äusserungen nach lit. a und c der Anklage um die öffentliche Verbreitung von Ideologien im Sinne von Art. 261bis Abs. 2 StGB handeln sollte. Weder sei für die Verbreitung ein besonderer intellektueller Aufwand betrieben worden, noch könnten die Aussagen als scheinwissenschaftliche Lehren qualifiziert werden. Eine Schuldigsprechung nach Art. 261bis Abs. 2 StGB komme bereits aus diesen Gründen nicht in Frage, weshalb das Gericht auf die Prüfung der weiteren Tatbestandselemente verzichtete.
Die fragliche Ausgabe der Zeitschrift hatte eine Auflage von 2,6 Millionen Exemplaren und wurde in der ganzen Deutschschweiz verteilt. Das Tatbestandselement der Öffentlichkeit ist damit erfüllt.
Es stellt sich die Frage, ob die Äusserungen als eine die Menschenwürde verletzende Herabsetzung einer Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie oder Religion zu qualifizieren sind.
Das Gericht geht davon aus, dass die beanstandeten Inhalte der Zeitschrift jedenfalls im Wesentlichen ausschliesslich gegen das Schächten und die dieses praktizierenden oder befürwortenden Juden gerichtet war und Teil der tierschützerischen Aktivitäten des Angeklagten waren. Angesichts dessen muss das Gericht die Frage beantworten, ob die Äusserungen im Rahmen des tierschützerischen Kampfes gegen das Schächten als legitim zu qualifizieren sind oder selbst unter Beachtung der Freiheit der Meinungsäusserung gemäss Art. 16 BV und Art. 10 EMRK eine nicht mehr tolerierbare Herabsetzung darstellen.
Bei der Gesamtbetrachtung der beanstandeten Ausdrücke hält es das Gericht für massgebend, dass die angebliche Lügenhaftigkeit bzw. Verlogenheit der Juden ein antisemitisches Klischee darstellt, welches im Dritten Reich aufgegriffen wurde und sich zum Teil bis in die Gegenwart hält. Dieses Klischee verschaffe Schlagwörtern und Wortkombinationen wie «klassische jüdische Lüge» oder «jüdische Propaganda» eine besondere, suggestive Kraft, welche die Lügenhaftigkeit auch dann als jüdische Charaktereigenschaft erscheinen lassen könne, wenn der Text einschränkende Hinweise enthalte. Vorliegend wecke die mehrfache explizite Verknüpfung des Wortes «Lüge» mit dem Adjektiv «jüdisch» beim unbefangenen Durchschnittsadressaten die Assoziation, dass beides irgendwie zusammengehöre. Dies geschehe ungeachtet der jeweils beigefügten Einschränkung auf das Schächten.
Diese Lügenhaftigkeit bzw. Verlogenheit wird im fraglichen Text als «widerlich» bezeichnet und als etwas, welches den Angeklagten «anwidert» und von ihm als Tierschützer fast "übermenschliche Charakterstärke» erfordere, um nicht «judenfeindlich» zu werden. Nach Einschätzung des Gerichts gelte was als verabscheuungswürdig bezeichnet werde, für den Autor offensichtlich auch als minderwertig. Im Ergebnis werde also den das Schächten praktizierenden oder unterstützenden Juden vorgeworfen, allein wegen der Zugehörigkeit zu dieser Gruppe allgemein und grundsätzlich «als Mensch» minderwertig zu sein.
Diese Äusserungen würden selbst bei einer grosszügigen Berücksichtigung des tierschützerischen Anliegens des Angeklagten und des aus der Meinungsfreiheit resultierenden Freiraums deutlich über das hinausgehen, was in einer pluralistischen, demokratischen Gesellschaft im Rahmen einer politischen Auseinandersetzung noch zulässig sei und sein dürfe.
Im Ergebnis sei daher eine die Menschenwürde verletzende Herabsetzung einer Gruppe von Personen wegen ihrer Religion im Sinne von Art. 261bis Abs. 4 erster Teil StGB zu bejahen. Dass sich diese «nur» gegen die das Schächten praktizierenden oder unterstützenden Juden richtet, ändere daran nichts, da auch diese Teilgruppe vom Straftatbestand geschützt werde.
Zum subjektiven Tatbestand: Dass dem Angeklagten der Umstand nicht bewusst war, dass antisemitische Klischees ausgenützt wurden um mit Schlagwörtern und Wortkombinationen zu suggerieren, Lügenhaftigkeit sei eine klassische Verhaltensweise der angegriffenen jüdischen Gruppe, erscheint dem Gericht als äusserst unwahrscheinlich. Ein zumindest eventualvorsätzliches Handeln des Angeklagten sei somit zu bejahen. Viel eher dürfe jedoch von vorsätzlichem Handeln mit dem Ziel, die eigenen tierschützerischen Anliegen zu fördern, auszugehen sein. Der Tatbestand von Art. 261bis Abs. 4 erster Teil StGB ist somit erfüllt.
Eine auf das Offensichtliche beschränkte Interpretation des fraglichen Bildes mit Bildlegende könnte zu dem vom Angeklagten geltend gemachten Schluss verleiten, lediglich dem jüdischen Schächter auf dem Bild werde Sadismus und religiöser Fanatismus vorgeworfen, und lediglich sein Grinsen werde mit dem von folternden Nazi-Schergen verglichen. Wie jedoch bereits aus dem Titel «Jüdisches Schächten eines Schafes» und der Illustration eines weiteren Bildes hervorgeht, sollte mit dem Bild nicht ein angeblich empörender Einzelfall dargestellt, sondern eine angeblich empörende Praxis illustriert werden. Mit dem gezogenen Vergleich zum Grinsen von Nazi-Schergen wird, für den unbefangenen Durchschnittsadressaten ohne Weiteres erkennbar und verständlich, insinuiert, die jüdischen Schächter und Nazi-Schergen seien hinsichtlich ihrer Beweggründe — Sadismus und politisch-ideologischer bzw. religiöser Fanatismus — und der Natur und Verabscheuungswürdigkeit ihres Handelns — Quälerei von Menschen bzw. Quälerei von Tieren — miteinander vergleichbar.
Sadismus und in geringerem Masse auch Fanatismus gelten gemäss dem Gericht als negative, verabscheuungswürdige und minderwertige Eigenschaften, Sadismus gar als Abartigkeit. Da diese Eigenschaften durch die Bildlegende in ihrer Gesamtbetrachtung auf alle das Schächten praktizierenden oder unterstützenden Juden bezogen würden, werde ihnen zweifelsohne unterstellt, allein aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu dieser Gruppe «als Mensch» minderwertig zu sein.
Im Ergebnis sei daher eine die Menschenwürde verletzende Herabsetzung einer Gruppe von Personen wegen ihrer Religion im Sinne von Art. 261bis Abs. 4 erster Teil StGB zu bejahen. Dass sich diese «nur» gegen die das Schächten praktizierenden oder unterstützenden Juden richtet, ändert daran nichts, da auch diese Teilgruppe, wie bereits erwähnt, vom Straftatbestand geschützt wird. Bezüglich des subjektiven Tatbestands wird wiederum ein zumindest eventualvorsätzliches Handeln des Angeklagten bejaht, wobei ein vorsätzliches Handeln wahrscheinlicher sei.
Der Angeklagte sei der Rassendiskriminierung im Sinne von Art. 261bis Abs. 4 StGB bezüglich lit. a und c der Anklage vom 28. April 2003 schuldig zu sprechen.
Zum Strafmass äussert sich das Gericht folgendermassen:
Beim objektiven Tatverschulden falle zu Ungunsten des Angeklagten ins Gewicht, dass die Zeitschrift mit einer hohen Auflage in der ganzen Deutschschweiz verteilt wurde. Stark negativ zu bewerten sei der perfide Vergleich der Juden beim Schächten mit folternden Nazi-Schergen. Damit sei Opfern nationalsozialistischer Verbrechen oder deren Nachkommen unterstellt worden, sie seien mit den Tätern dieser Verbrechen vergleichbar. Das objektive Tatverschulden sei somit als nicht mehr leicht zu qualifizieren.
Beim subjektiven Tatverschulden sei positiv zu bewerten, dass jedenfalls im Wesentlichen der tierschützerische Kampf des Angeklagten gegen das Schächten der Beweggrund für die publizierten Äusserungen gewesen sei. Diese seien somit im Wesentlichen nicht antisemitisch motiviert gewesen. Das subjektive Tatverschulden sei deshalb als eher gering zu qualifizieren.
Im Ergebnis sei daher von einem eher leichten Verschulden des Angeklagten auszugehen. In Würdigung aller relevanten Strafzumessungsfaktoren mit Ausnahme der Verletzung des Beschleunigungsgebots würde dem Gericht eine Geldstrafe von rund 30 Tagessätzen als angemessen erscheinen.
Zur Verletzung des Beschleunigungsgebots: Der Verteidiger des Angeklagten beantragte die definitive Einstellung des Verfahrens wegen einer überlangen Verfahrensdauer oder gestützt auf Art. 52 StGB, da die Vorwürfe über 15 Jahre zurückliegen und ihre seit über 11 Jahren dauernde Verfolgung bis heute nicht rechtskräftig abgeschlossen wurde.
Art. 52 StGB soll die Strafjustiz von überflüssigen Verfahren betreffend Bagatelldelikte entlasten. Das Gericht hält fest, dass Art. 261bis StGB dem Schutz der Würde und Gleichheit des Menschen in seiner Eigenschaft als Angehöriger einer bestimmten Ethnie, Rasse oder Religionsgemeinschaft dient und somit dem Schutz besonders hochwertiger öffentlicher Interessen. Angesichts dessen erklärt es das Gericht als nicht ersichtlich, wie dieses Vergehen im Einzelfall als geringfügig bzw. als Bagatelle qualifiziert werden könnte. Aufgrund dieser Bestimmung könne somit zumindest in diesem Fall weder die Befreiung von Strafe noch die Einstellung des Verfahrens verlangt werden.
Allerdings stellt das Gericht fest, dass nicht sämtliche durch Rechtsmittel veranlasste Verfahrensteile zügig durchgeführt worden seien und die durch die Häufung der Rückweisungen bewirkte Verfahrensverlängerung in einer Gesamtbetrachtung teilweise als ungerechtfertigt erscheine. Das Gericht erklärt demnach die Verfahrensdauer als nicht mehr angemessen, weshalb eine Verletzung des Beschleunigungsgebots nach Art. 29 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK zu bejahen sei. Diese erscheine allerdings, namentlich weil die Verfahrensdauer nur teilweise den Gerichtsbehörden anzulasten sei, als nicht schwerwiegend, weshalb eine Verfahrenseinstellung nicht in Frage komme. Angesichts der relativ geringen Strafe, welche ansonsten auszusprechen wäre, sowie der nicht vorhandenen Geschädigteninteressen, sei der überlangen Verfahrensdauer durch Umgangnehmen von einer Bestrafung Rechnung zu tragen.
Der Angeklagte wird der Rassendiskriminierung im Sinne von Art. 261bis Abs. 4 StGB bezüglich lit. a und c. der Anklage für schuldig gesprochen.
Von einer Bestrafung des Angeklagten in Form einer Geldstrafe von rund 30 Tagessätzen wird wegen Verletzung des Beschleunigungsgebots Umgang genommen.
Décision 2010-027N
Das Gericht stellt fest, dass die Frist für den Eintritt der absoluten Verjährung einer allfälligen Rassendiskriminierung im Jahr 2002, im September 2010 abgelaufen ist. Auf die Anklage sei somit auch in den noch verbleibenden Punkten nicht mehr einzutreten.
Das Gericht weist des Weiteren darauf hin, dass die Kosten und Staats- bzw. Gerichtsgebühr dem Angeschuldigten auferlegt werden können, wenn dieser gemäss klarer Aktenlage die Einleitung der Untersuchung durch ein verwerfliches oder leichtfertiges Verhalten verursachte oder ihre Durchführung erschwerte. Indessen sei es mit der Unschuldsvermutung nicht zu vereinbaren, eine Kostenauflage bei Eintritt der Verjährung damit zu begründen, dass der Angeklagte im Urteilsfall voraussichtlich schuldig gesprochen worden wäre.
Im Rahmen der Prüfung eines «prozessualen Verschuldens» prüft das Gericht summarisch, ob der Angeklagte mit seiner Publikation gegen Normen des Zivilrechts verstiess, was ohne Weiteres zur Einleitung eines Strafverfahrens hätte führen müssen.
Betreffend lit. a der Anklage weist das Gericht darauf hin, dass bereits die Vorinstanz festgehalten habe, es erscheine «grundsätzlich als glaubhaft, dass der Angriff des Angeklagten tatsächlich dem Schächten und den dieses praktizierenden oder unterstützenden Juden galt». Es sei offenkundig, dass es dem Angeklagten darum gehe, die Prozedur des Schächtens — jedenfalls ohne Betäubung — zu bekämpfen und nicht die Religion der Juden an sich oder deren Angehörige schlecht zu machen. Das prozessuale Verschulden sei demnach in diesem Punkt nicht gegeben.
Betreffend lit. c der Anklage verweist das Gericht auf das Bundesgerichtsurteil BGE 6B/367/1998, in dem dargestellt wurde, dass es zu weit gehe, das Schächten von Tieren mit der Massenvernichtung der Juden unter der Nazi-Herrschaft gleichzusetzen. Das Gericht bestätigt, dass es selbstredend und bei aller Tierliebe nicht angehen könne, das Foltern und systematische Quälen von Menschen, namentlich in einem Konzentrationslager, dem rituellen Schächten eines Schafes nur annähernd gleich zu setzen. Indessen könnten die strafrechtlichen Aspekte eines solchen Vergleichs wegen der eingetretenen Verjährung nicht mehr überprüft werden. Die Bildlegende eigne sich zwar zumindest potentiell dazu, die Persönlichkeitsrechte der abgebildeten Person zu verletzen. Eine entsprechende Klage sei dem Gericht jedoch nicht bekannt und sei jedenfalls nicht kausal für die Anhebung des Strafverfahrens gewesen. Es könne dem Angeklagten deshalb kein prozessuales Verschulden nachgewiesen werden.
Insgesamt könne dem Angeklagten keineswegs zugebilligt werden, sich im Rahmen des inkriminierten Heftes zweifelsfrei innerhalb der vom Verbot der Rassendiskriminierung gezogenen Grenzen oder gar des unter Durchschnittsbürgern üblichen Anstandes gehalten zu haben. Seine Aussagen seien zumindest in hohem Masse politisch unkorrekt. Eine Kostenauflage lasse sich indessen mangels Schuldspruchs und unter Beachtung der Unschuldsvermutung nicht begründen. Die Kosten seien damit vollumfänglich auf die Gerichtskasse zu nehmen.
Die 2. Instanz erklärt die Verfolgung einer allfälligen Rassendiskriminierung vom Jahr 2002 für absolut verjährt und tritt somit nicht auf die Anklage ein.