Cas 2005-020N

Muslim-Inserate

Zurich

Historique de la procédure
2005 2005-020N Die zuständige Strafverfolgungsbehörde stellt das Verfahren ein.
Critères de recherche juridiques
Acte / Eléments constitutifs objectifs Incitation à la haine et à la discrimination (al. 1);
Abaissement ou discrimination (al. 4 1ère phrase)
Objet de protection Religion
Questions spécifiques sur l'élément constitutif Bien juridique protégé;
Publiquement (en public)
Mots-clés
Auteurs Acteurs politiques
Victimes Musulmans
Moyens utilisés Ecrits
Environnement social Media (Internet inclus)
Idéologie Hostilité à l'égard des personnes musulmanes

Synthèse

Im Vorfeld der Eidgenössischen Volksabstimmung über die so genannten Einbürgerungsvorlagen wurden in verschiedenen Schweizer Tageszeitungen Inserate mit den Titeln «Muslime bald in der Mehrheit?» und «Prägen bald Muslime unsere Frauenpolitik?» publiziert. In einer Hochrechnung wurde vorausgesagt, der Anteil der Muslime in der Schweiz verdoppele sich alle zehn Jahre und werde im Jahre 2040 72 % erreicht haben. Ausserdem enthielten die Inserate u. a. Äusserungen wie «Muslime stellen ihre Religion über unsere Gesetze». Das Inserat «Prägen bald Muslime unsere Frauenpolitik?» verbindet die Äusserung, Muslime würden in Zukunft die Politik des Landes bestimmen, mit der Aussicht auf Untoleranz gegenüber Andersgläubigen, Absage an die Gleichheit der Geschlechter, Zwangsverheiratung von Minderjährigen, dem Kopftuch als Ausdruck für Unterwerfung und Terror.

Daraufhin wurde von verschiedensten Klägern Anzeige wegen Rassendiskriminierung erhoben.

Die Strafuntersuchungsbehörde hält fest, dass die Stimmberechtigten, um den Abstimmungsgegenstand zu verstehen und eine Entscheidung treffen zu können, über die erforderlichen Informationen verfügen müssten. Bei der Informationsvermittlung seien insbesondere Interessenverbände nicht an ein Objektivitätskriterium gebunden. Zusammenfassend kommt sie zum Schluss, «Aussagen über das Verhältnis von Angehörigen einer Religion zu Andersgläubigen, zur Emanzipation und Selbstbestimmung der Bürgerinnen und Bürger und zu Gewaltakten sind problematisch, weil sie gesellschaftliche Grundwerte und verfassungsrechtlich festgeschriebene Aspekte betreffen, […]. Es wäre aber zu hoch gegriffen, in die Inserate das Schüren von Ressentiments gegen alle Muslime hinein zu interpretieren. […] Die Anzeigen erscheinen vor allem auch deshalb als unproblematisch, weil die Behauptung einer Minderwertigkeit (hinsichtlich grundrechtlicher Positionen) nicht erhoben werde […].»

Die Strafuntersuchungsbehörde stellte das Verfahren ein, da der Tatbestand von Art. 261bis Abs. 1 und Abs. 4 erste Satzhälfte StGB nicht erfüllt sei.

En fait / faits

Im Vorfeld der Eidgenössischen Volksabstimmung über die so genannten Einbürgerungsvorlagen wurden in verschiedenen Schweizer Tageszeitungen Inserate mit dem folgenden Inhalt publiziert.

1. Inserat: «Muslime bald in der Mehrheit?»

«Dank automatischer Einbürgerung: Muslime bald in der Mehrheit?

Von Jahr zu Jahr nimmt die Zahl der Einbürgerungen in unserem Land rapide zu. Denn kein anderes Land bürgert so viel ein wie die Schweiz. Und von Jahr zu Jahr steigt auch die Zahl der Muslime in unserem Land massiv an.

Alle zehn Jahre verdoppelt sich der Anteil der Muslime in der Schweiz.

Keine andere Glaubensgemeinschaft wächst so schnell wie die islamische. 1970 bekannten sich im Kanton Zürich 4'000 Personen zum Islam. Das entspricht jeder 280. Person. 1980 waren es aber bereits dreimal so viele. 1990 lebten bereits 30'700 Muslime im Kanton. Und von 1990 bis 2000 verdoppelte sich die Zahl nochmals, so dass im Jahre 2000 bereits rund 67'000 Muslime in Zürich lebten. Damit ist bereits jede 19. Person im Kanton ein Muslim.

Nicht anders sieht es schweizweit aus: ‹Insbesondere die Gruppe der Muslime ist in der Schweiz sehr stark gewachsen›, heisst es beim Bundesamt für Statistik. Denn während 1990 nur 152'200 Muslime in unserem Land lebten, waren es im Jahr 2000 bereits mehr als 310'000. Auch hier: Eine Verdoppelung innerhalb von nur 10 Jahren. Geht das so weiter, sind Muslime bald in der Mehrheit. Denn die Geburtenrate ist in islamischen Familien wesentlich höher als in anderen Familien.

In 20 Jahren die Mehrheit?

Noch drastischer sieht es Dr. Sami Aldeeb, Verantwortlicher für arabisches und muslimisches Recht am Lausanner Institut für internationale Rechtsvergleichung: ‹Alle zehn Jahre verdreifacht sich der Anteil der Muslime in der Schweiz. Heute leben 310'000 offiziell und rund 150'000 illegal hier. In zwanzig Jahren haben sie die Mehrheit. Dann gibt es mehr Muslime als Christen.› Und das bringt grosse Probleme: ‹Muslime stellen ihre Religion über unsere Gesetze.› (Blick, 20.3.2004)

Den Schweizer Pass automatisch allen geben, deren Eltern nur 5 Jahre in der Schweiz zur Schule gegangen sind?

Mit den Einbürgerungsvorlagen soll nun das Schweizer Bürgerrecht automatisch an alle ausländischen Kinder abgegeben werden. Einzige Bedingung: Lediglich ein Elternteil muss gerade einmal 5 Jahre in der Schweiz zur Schule gegangen sein. Damit wird der Masseneinbürgerung Tür und Tor geöffnet. Und das Schweizer Volk hat nichts mehr zu sagen, mit wem es als Schweizer zusammenleben will.»

(3 Grafiken:)

1. Anteil der muslimischen Bevölkerung im Kanton Zürich (Quelle: Statistisches Amt des Kantons Zürich, 2002/2003)
2. Jährliche Einbürgerungen 1990 – 2002 (www.pikom.ch)
3. Prozentualer Anteil der Muslime an der Schweizer Gesamtbevölkerung (1990 und 2000: Quelle: Bundesamt für Statistik: 2002; 2010, 2020, 2030, 2040 werden als Hochrechnungen bezeichnet. Die ‹Schwelle› von 50 % soll nach dieser Hochrechnung etwa 2034 erreicht sein).

Wer das nicht will, sagt […]: Einbürgerungsvolagen 2x Nein.»

2. Inserat: «Prägen bald Muslime unsere Frauenpolitik?»

«Wegen automatischer Einbürgerung: Prägen bald Muslime unsere Frauenpolitik?»
«In der Schweiz leben bereits 310'000 Muslime. Dazu kommen über 100'000 illegal anwesende Muslime. Die Zahl steigt weiter massiv an: Durch hohe Geburtenraten, Zuwanderung, Asylimmigration, Familiennachzug und Heirat. An den Schulen grosser Städte beträgt der Moslemanteil bereits zwischen 10 und 19 % (Beobachter, 18/2004). Von 1990 bis 2000 hat sich die Zahl der Moslems in unserem Land verdoppelt: Bei gleichem Wachstum leben 2010 bereits 620'000 Muslime und 2020 rund 1'240'000 Muslime in der Schweiz.

Wer bestimmt in Zukunft die Politik unseres Landes?

Mit den neuen Einbürgerungsgesetzten werden inskünftig auch massenhaft Muslime eingebürgert. Sind die Muslime erst einmal Schweizer, dann bestimmen sie die Politik unseres Landes mit. Nicht nur als Schweizer, sondern auch als Moslems. Denn ‹Muslime stellen ihre Religion über unsere Gesetze› (Dr. Sami Aldeeb im ‹Blick›, 20.3.2004).

Mit anderen Worten:
● Keine Toleranz gegenüber Andersgläubigen.
● Keine Gleichheit der Geschlechter
● Immer noch werden Minderjährige zwangsverheiratet.
● Kopftuch als Ausdruck für Unterwerfung.
● Terror unter Vorwand des ‹heiligen Krieges›.

Unsere Nachbarländer bekommen die Macht von Islamisten bereits zu spüren.

Wer wissen will, was es heisst, wenn Muslime in der Politik mitbestimmen, muss nur über unsere Landesgrenzen schauen:

Frankreich hat ein Kopftuchverbot an Schulen erlassen, um die Unterdrückung der Mädchen zu beenden. Doch radikale Islamisten wollen ihr Frauenbild mit Gewalt durchsetzen. Deshalb haben sie französische Journalisten entführt. Sie wollen die Regierung erpressen, damit das Kopftuchverbot rückgängig gemacht wird.

In Spanien sprengen lokale Muslime einen Bahnhof in die Luft. Warum? Die Islamisten wollen mit Gewalt die spanische Aussenpolitik bestimmen.

In Italien wird die Regierung mit Bombenattentaten und Entführungen junger Entwicklungshelferinnen erpresst.

In Deutschland versucht der Staat, die Koranschulen zu überwachen. Dort werden Fundamentalisten herangebildet, Gewalt gepredigt, Frauen unterdrückt, Bildung verhindert.

Und die Schweiz?

Die Schweiz wurde bereits für islamistische Hetze missbraucht: mit Köpfungsvideos, Hasstiraden, Aufruf zu Judenmord im Internet (Sonntagszeitung, 12.9.2004).

Und nun soll das Schweizer Bürgerrecht mit den beiden Einbürgerungsvorlagen automatisch an alle ausländischen Kinder abgegeben werden. Einzige Bedingung: Lediglich ein Elternteil muss gerade einmal 5 Jahre in der Schweiz zur Schule gegangen sein. Damit wird der Masseneinbürgerung Tür und Tor geöffnet. Und das Schweizer Volk hat nichts mehr zu sagen, mit wem es als Schweizer zusammenleben will.»

(Zwei Grafiken:)

1. Jährliche Einbürgerungen 1990 – 2002 (www.pikom.ch)
2. Prozentualer Anteil der Muslime an der Schweizer Gesamtbevölkerung (1990 und 2000: Quelle: Bundesamt für Statistik: 2002; 2010, 2020, 2030, 2040 werden als Hochrechnungen bezeichnet. Die ‹Schwelle› von 50 % soll nach dieser Hochrechnung etwa 2034 erreicht sein).

Wer das nicht will, […] : Einbürgerungsvolagen 2x Nein.»

Augrund dieser Inserate wurde im Kanton Zürich und im Kanton Bern gegen zwei Personen sowie gegen unbekannte Täterschaft eine Strafanzeige wegen Verdachts auf Rassendiskriminierung erhoben. Zudem meldeten sich bei verschiedenen Amtsstellen in der Schweiz insgesamt 16 weitere Kläger. Alle Verfahren wurden im Kanton Zürich zusammengefasst.

En droit / considérants

Die Anzeigeerstatter machen geltend, die im Inserat enthaltene Äusserung «Muslime stellen ihre Religion über unsere Gesetze» sei falsch, sachlich nicht vertretbar und ziele auf eine systematische Herabsetzung und Verleumdung der Muslime. Die Absicht, Muslime zu diffamieren und ihnen zu unterschieben, sie würden schweizerisches Recht nicht achten, sei unschwer zu erkennen. Mittels der Aussage «Muslime bald in der Mehrheit?» werde weiter versucht, unter nicht nachvollziehbaren Hochrechnungen aufzuzeigen, dass bei einer Annahme der Bürgerrechtsvorlagen in 20 Jahren Muslime die Mehrheit der Schweizer Bevölkerung darstellen würden. Eine solche Fehlinformation diene nicht dem Stimmberechtigten, sondern ziele klar auf eine Diffamierung der islamischen Bevölkerung in der Schweiz. Das Inserat «Prägen bald Muslime unsere Frauenpolitik?» schliesslich unterstelle den Muslimen undifferenziert und pauschal, sie hätten keine Toleranz gegenüber Andersgläubigen und es bestehe eine unmittelbare Verbindung zwischen Muslimen und dem Terrorismus.

Zuerst klärt die Strafuntersuchungsbehörde einige formale Fragen. Zur Frage der Geschädigtenstellung äussert sie sich folgendermassen:

Geschädigtenstellung komme nur denjenigen Personen zu, welchen durch die fraglichen Inserate unmittelbar ein Schaden zugefügt wurde oder zu erwachsen drohte. Im Zusammenhang mit Art. 261bis Abs. 1 und Abs. 4 erste Satzhälfte StGB habe «jeder Angehörige der diskriminierten Religion […] als Geschädigter im materiellen Sinn zu gelten.»

Dann geht die Strafuntersuchungsbehörde über zu den materiellen Fragen und damit zur Beurteilung, ob die Inserate von den Tatvarianten des Art. 261bis Abs. 1 und Abs. 4 erste Satzhälfte StGB erfasst werden:

Zuerst hält die Strafuntersuchungsbehörde fest, das von Art. 261bis StGB geschützte Rechtsgut sei nach überwiegender Auffassung «die Menschenwürde, also der soziale Wert- und Achtungsanspruch des Menschen.» Die Würde werde verletzt, «wenn einer Person ihr Lebensrecht als gleichwertige Peron in der staatlichen Gemeinschaft abgesprochen und sie als minderwertiges Wesen behandelt» werde. Der Angriff müsse sich «gegen den die menschliche Würde ausmachenden Kern der Person richten.» Lege man den Art. 261bis StGB verfassungskonform, nämlich im Lichte der Meinungsfreiheit aus, so könnten «nur krasse, geradezu menschenverachtende und verabscheuungswürdige Äusserungen und Formen der Diskriminierung unter die Strafbestimmung fallen».

Als zweites wendet sich die Strafuntersuchungsbehörde den gemeinsamen Tatbestandsmerkmalen zu: Das Erfordernis der Öffentlichkeit sieht es als nicht strittig, da die Inserate schweizweit in verschiedenen Tageszeitungen und offenbar auch als Flugblatt publiziert wurden. Des Weiteren wird festgehalten, dass man unter Muslimen nach allgemeinem Sprachgebrauch Angehörige der islamischen Religion verstehe. Dass der Islam zu den Weltreligionen zähle und in Folge dessen seine Mitglieder als religiöse Gruppe durch den Art. 261bis StGB geschützt seien, müsse nicht weiter begründet werden.

In einem dritten Schritt werden die beiden Tatbestandvarianten einzeln beurteilt:

  • Aufruf zu Hass oder Diskriminierung (Abs. 1):
Unter «Aufrufen» seien nach der Rechtsprechung nicht nur Äusserungen mit explizitem Aufforderungscharakter zu verstehen, sondern es würden auch die allgemeine Hetze oder die Erzeugung bzw. Steigerung von feindseligen Emotionen erfasst. Allerdings müssten diese Äusserungen eine gewisse Intensität erreichen: «tendenziöse Stimmungsmache, moralische Abqualifizierung oder verächtlich machende Geschmacklosigkeiten» würden nicht genügen. Der Tatbestand verlange also «ein über die blosse Ablehnung oder Verachtung hinausgehendes, nachhaltiges und eindringliches Einwirken auf Menschen, mit dem Ziel, gegenüber diesen eine feindselige Haltung zu begründen oder zu verstärken und damit die gleichwertige soziale Subjektqualität der Betroffenen in Frage zu stellen».

Dabei sei die Strafbarkeit der Äusserungen nach dem Sinn zu beurteilen, den der unbefangene Durchschnittsleser diesen unter den jeweiligen Umständen gäbe. Die Inserate seien nicht allein auf Grund des Wortlautes einzelner Textstellen zu würdigen, sondern es seien der Sinn, der sich aus dem Text als Ganzes ergäbe, der Kontext und die Begleitumstände zu beachten. Das Publikum rechne mit Übertreibungen, Vereinfachungen und pointierten Positionsbezügen und pflege nicht jedes Wort auf die Goldwaage zu legen.

Die inkriminierten Texte seien im Rahmen einer politischen Abstimmung konzipiert und publiziert worden. Dabei gehe es wie bei «normaler» Werbung darum, dass die zu transportierende Botschaft rasch wahr- und aufgenommen werde. Um Wirkung zu erzielen seien die Aussagen knapp, plakativ und undifferenziert gehalten. Auch Politwerbung habe nicht ausgewogen zu sein.

Die Strafuntersuchungsbehörde hält zwar fest, dass, obwohl die Religionszugehörigkeit für die Erwerbung des Bürgerrechts keine Rolle spiele, die Inserate zwischen Religionszugehörigkeit und Bürgerrechtserwerb eine Verknüpfung herstellten , indem beide Überschriften als Blickfang die Muslime ins Zentrum rückten. Der Leser solle glauben, dass von den Änderungen des Bürgerrechtsgesetzes vor allem Ausländer mit islamischem Glauben profitierten und dass der Anteil dieser Gruppe bis zum Jahre 2040 72 % der Gesamtbevölkerung der Schweiz ausmachen würde. Die Redlichkeit dieser Hochrechrechnung zu beurteilen sei allerdings nicht Sache der Strafuntersuchungsbehörden. «Zwar wird ein unrealistisches, unsinniges und falsches Bild der Bevölkerungsentwicklung behauptet, damit ist aber noch nicht für oder gegen den Islam oder die Muslime Stellung bezogen. Spürbar ist die Abneigung der Verfasser gegen die aus ihrem Entwicklungsszenario resultierenden möglichen Mehrheitsverhältnisse. Die inkriminierten Texte verleihen aber einer emotional gesteigerten Feindschaft oder Verachtung nicht Ausdruck und rufen auch nicht dazu auf. Die Muslime werden im Text nicht verurteilt oder herabgesetzt».

Dem Zitat im Inserat «Muslime bald in der Mehrheit?», wonach Muslime ihre Religion über unsere Gesetze stellen würden, tendenziöse Stimmungsmache, einen Appell zu Animosität oder agitatorischen Charakter beizumessen, geht der Strafuntersuchungsbehörde zu weit, zumal unklar bleibe, in welchen Zusammenhang diese Äusserung zu stellen sei. «Das Zitat ist derart allgemein und offen gehalten, dass daraus kein Negativum abzuleiten ist. […] Die Idee eines Vorranges des ius divinum gegenüber dem ius humanum findet sich auch andernorts, […] und die Apostel brachten vor dem Hohen Rat zu ihrer Verteidigung vor: ‹Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen›.» Eine Tatbestandsmässigkeit sei nicht zu erkennen.

Die Strafuntersuchungsbehörde räumt zwar ein, dass das Inserat «Prägen bald Muslime unsere Frauenpolitik?» Islam, Islamismus, islamistischen Fundamentalismus etc. begrifflich nicht auseinander halte und undifferenziert von fehlender Toleranz, Unterdrückung und Terror spreche. Es sei aber vom Konzept her weder dazu gedacht noch geeignet sich mit dem Verhältnis von Islam und Islamismus auseinanderzusetzen. «Mit einigen Stereotypen – […] – wird ein durch Aktivitäten von Islamisten /Fundamentalisten geprägtes Zukunftsszenario vorhergesagt, dem durch eine Verwerfung der Eingbürgerungsvorlagen zu begegnen ist. Die Aversion gegenüber einer solchen Entwicklung ist spürbar, eine Antipathie gegenüber Islamismus, Fundamentalismus und Terror wird deutlich gemacht. Es fehlt aber – immer unter dem Blickwinkel von StGB Art. 261bis Abs. 1 – das aufwieglerische, Hass generierende, auf offene Feindschaft oder ähnlich starke Ablehnung zielende Element, das eine gesteigerte Abscheu, welche die Grenzlinie der Menschenwürde durchstösst, zum Ausdruck bringen würde.» Dass islamkritische Äusserungen, die auf Verbindungen zwischen Islam und der islamistischen Ideologie abzielten, nicht verletzen würden, solle schon in einem juristischen Gutachten aufgezeigt worden sein.

  • Herabsetzung und Diskriminierung (Abs. 4 erste Satzhälfte):
  • Zuerst ruft die Strafuntersuchungsbehörde die relevanten Passagen in Erinnerung:
    - Beide Inserate prognostizieren als Zukunftsszenario einer Zustimmung zu den Änderungen des Bürgerrechtsgesetzes eine muslimische Mehrheit in der Schweiz.
    - Beide Inserate präsentieren Hochrechnungen, wonach es in 20 Jahren mehr Muslime als Christen in der Schweiz geben solle, was grosse Probleme bringe, weil Muslime ihre Religion über unsere Gesetze stellen würden.
    - Das Inserat «Prägen bald Muslime unsere Frauenpolitik?» verbindet die Äusserung, Muslime würden in Zukunft die Politik des Landes bestimmen, mit der Aussicht auf Untoleranz gegenüber Andersgläubigen, Absage an die Gleichheit der Geschlechter, Zwangsverheiratung von Minderjährigen, dem Kopftuch als Ausdruck für Unterwerfung und Terror unter dem Vorwand des ‹heiligen Krieges›. In den Nachbarländern habe man die Macht von Islamisten bereits zu spüren bekommen. Und auch die Schweiz sei bereits für islamistische Hetze missbraucht worden.

    Die Strafuntersuchungsbehörde hält dann die Gemeinsamkeit der Begriffe «Herabsetzen» und «Diskriminieren» fest: der Täter missachtet der betroffenen Person, anknüpfend an ihre Zugehörigkeit zu einer religiös definierten Gruppe, ihren Anspruch auf prinzipiell gleiche Anerkennung. Die Tätigkeit des Diskriminierens unterscheide sich von derjenigen des Herabsetzens dadurch, dass dabei nicht die Minderwertigkeit einer Gruppe behauptet und daraus eine Minderberechtigung abgeleitet werde, sondern umgekehrt eine Minderberechtigung behauptet werde, die eine Minderwertigkeit impliziere. Da die beiden Texte den Anspruch der Muslime, in ihren Grundrechten anerkannt zu werden, nicht direkt verneinten oder indirekt forderten, sondern nur Aussagen zum Verhältnis des Islam zur modernen Gesellschaft machten, sei lediglich die Tatvariante des Herabsetzens zu prüfen. Die Ausübung sachlicher Kritik an der Einstellung oder am Verhalten einer religiösen Gruppe durch Anprangerung der Haltung zu bestimmten Sachfragen sei aber keine Herabsetzung oder Diskriminierung.

    Zuerst äussert sich die Strafuntersuchungsbehörde zu den Inseraten als Ganzes:

    Die von den Islamisten durchgeführten Angriffe auf die westliche Zivilisation hätten auch hierzulande zu einem negativen Islambild geführt, stets verbunden mit der latenten Gefahr der undifferenzierten pars-pro-toto-Konklusion (pars pro toto = Ein Teil [steht] für das Ganze). «Die Inserate sprechen zum Teil diese negativ besetzten Problemfelder an und wollen sich diese für eine Ablehnung der Einbürgerungsvorlagen zu Nutze machen. Es ist hier aber nicht der Ort, um sich über Fragen des politischen Geschmacks oder Stils ein Urteil zu bilden, sondern es ist lediglich zu prüfen, ob sich die Inserate an die vom Strafrecht gesetzten Schranken halten. Dass den Muslimen ausser der ‹automatischen Einbürgerung› - das war schliesslich die Abstimmungsfrage – andere Rechte hätten abgesprochen werden sollen, ist den Texten jedenfalls nicht zu entnehmen.»

    Dann würdigt die Strafuntersuchungsbehörde die einzelnen Zitate:

    Das Zitat «Muslime stellen ihre Religion über unsere Gesetze» werfe allenfalls den Islamisten eine staats- oder demokratiefeindliche Haltung vor, nicht aber den Muslimen generell. Eine ausführliche Differenzierung der beiden Begriffe «Islam» und «Islamismus» sei, wie oben erwähnt, schon aus Platzgründen nicht möglich gewesen. Eine Minderwertigkeit der Muslime in Bezug auf ihre grundrechtlichen Positionen werde aber nicht behauptet.

    Mit der Affiche «Keine Toleranz gegenüber Andersgläubigen» werde den Muslimen zwar ein gewisses Manko im Umgang mit Andersgläubigen vorgeworfen, womit in der Schweiz, wo der Religionsfriede geschützt sei, ein sensibler Bereich angesprochen werde. Aber daraus werde keine Minderberechtigung im Hinblick auf die Grundrechte abgeleitet.

    Der Terminus «Keine Gleichheit der Geschlechter» wolle offenbar andeuten, dass der Islam in der Beseitigung der Diskriminierung der Frau noch nicht so weit sei oder gar nicht so weit gehen wolle wie die westlich-demokratischen Gesellschaften. Diese kritische Haltung sei im Lichte der Rassismusstrafnorm nicht zu beanstanden.

    Auch das Anprangern überkommener (patriarchalischer) Traditionen und Bräuche wie die Zwangsverheiratung sei strafrechtlich nicht weiter zu beanstanden. Schliesslich sei doch auch eine fatwa, welche die Zwangsheirat verbot, erlassen und verschiedene parlamentarische Vorstösse zu diesem Thema gemacht worden.

    Die Kopftuchdebatte habe im politisch/gesellschaftlich Diskurs und auch in gerichtlichen Entscheiden eine enorme Breite eingenommen. Dabei sei das Kopftuch auch als Zeichen des politischen Islamismus eingesetzt und entsprechend mit einem starken Symbolgehalt aufgeladen worden. Dazu gehöre auch die Betonung eines sittlichen Unterschieds zwischen Mann und Frau, währenddem die Bundesverfassung deren Gleichberechtigung als hohen Wert einstufe. Eine kritische Einstellung gegenüber dem Kopftuch sei nicht rassendiskriminierend, solange sie nicht von Benachteiligung der Muslime in ihren grundrechtlichen Positionen begleitet sei.

    Der Extremismusbericht des Bundesrates hält fest, dass in der islamischen Welt der islamistische Fundamentalismus gewalttätigen Gruppierungen seit rund zwanzig Jahren zur Rekrutierung diene. Auch in der Schweiz und im restlichen Europa würden gewisse Aktivitäten solcher Gruppen beobachtet oder vermutet. Die Expansion des Islam in der Schweiz stelle uns vor die Frage, ob das Aufkommen des radikalen Islam innerhalb der minoritären schweizerischen muslimischen Bevölkerung eine Grundlage für gewalttätige islamistische Bewegungen werden könne. «Das Inserat erwähnt das Phänomen von islamistisch motivierten Gewaltakten. Es wird allerdings […] weder gesagt noch indirekt zum Ausdruck gebracht, alle Muslime seien potenzielle Terroristen oder Attentäter. […] Die Gewaltakte werden nicht den Muslimen allgemein, sondern radikalen Islamisten bzw. Fundamentalisten zum Vorwurf gemacht.» Der Tatbestand von Art. 261bis Abs. 4 erste Satzhälfte StGB sei also nicht erfüllt.

    Abschliessend hält die Strafuntersuchungsbehörde fest, der Tatbestand von Art. 261bis Abs. 1 und Abs. 4 erste Satzhälfte StGB sei nicht erfüllt. Um den Abstimmungsgegenstand zu verstehen und eine Entscheidung treffen zu können, müssten die Stimmberechtigten über die erforderlichen Informationen verfügen. Bei der Informationsvermittlung seien insbesondere Interessenverbände nicht an ein Objektivitätskriterium gebunden. Sie dürften Propaganda betreiben, Tatsachen tendenziös deuten, reisserisch, plakativ, polemisch sein, solange dies innerhalb der vom Recht gesetzten Grenzen geschehe. Das Komitee der Angeklagten lege den Fokus auf eine Verdoppelung des muslimischen Anteils an der Schweizerbevölkerung in den Jahren 1990 bis 2000. Daraus entwickle es ein Argumentarium gegen die Einbürgerungsvorlagen: Einerseits mit der Behauptung, der Zuwachs des muslimischen Bevölkerungsanteils setze sich in nächsten Jahrzehnten in der gleichen Höhe fort und andererseits mit einer Aufzählung einiger Stereotype, die hierzulande negativ besetzt sind. «Aussagen über das Verhältnis von Angehörigen einer Religion zu Andersgläubigen, zur Emanzipation und Selbstbestimmung der Bürgerinnen und Bürger und zu Gewaltakten sind problematisch, weil sie gesellschaftliche Grundwerte und verfassungsrechtlich festgeschriebene Aspekte betreffen, […]. Es wäre aber zu hoch gegriffen, in die Inserate das Schüren von Ressentiments gegen alle Muslime hinein zu interpretieren. […] Es wird nicht gesagt, der Djihad-Terrorismus sei in irgendeiner Form für den Islam repräsentativ, bzw. es bestehe in irgendeiner Form eine Identität zwischen Islam und (terroristischem) Islamismus. Die Anzeigen erscheinen vor allem auch deshalb als unproblematisch, weil die Behauptung einer Minderwertigkeit (hinsichtlich grundrechtlicher Positionen) nicht erhoben werde […].»

    Da der Tatbestand von Art. 261bis Abs. 1 und Abs. 4 erste Satzhälfte StGB nicht erfüllt werde, sei das Verfahren einzustellen.

    Décision

    Das Verfahren wird eingestellt, da der Tatbestand von Art. 261bis Abs. 1 und Abs. 4 erste Satzhälfte StGB nicht erfüllt sei.