Cas 2008-017N
Zurich
Historique de la procédure | ||
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2008 | 2008-017N | Die Strafverfolgungsbehörde stellt das Verfahren ein. |
Critères de recherche juridiques | |
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Acte / Eléments constitutifs objectifs | Négation d'un génocide (al. 4 2ème phrase) |
Objet de protection | |
Questions spécifiques sur l'élément constitutif | Elément constitutif subjectif de l'infraction |
Mots-clés | |
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Auteurs | Journalistes / éditeurs |
Victimes | Membres d'autres communautés religieuses; Etrangers et membres d'autres ethnies |
Moyens utilisés | Déclarations orales; Ecrits |
Environnement social | Media (Internet inclus) |
Idéologie | Aucune indication sur l'idéologie |
In einem in der Zeitschrift X veröffentlichten Artikel betreffend dem Genozid an den Armenier führt der Histroriker X aus, er sei nicht überzeugt, dass es sich bei den an den Armeniern im 1915/16 begangenen Verbrechen um ein Völkermord handle. Dass die armenische Bevölkerung von fast ganz Anatolien deportiert worden und dass es zu einigen wohldokumentierten Massakern gekommen sei, bestreitet er hingegen nicht.
Die Strafverfolgungsbehörde sieht den Tatbestand von Art. 261bis Abs. 4 StGB als nicht erfüllt an. Der subjektive Tatbestand verlange vorsätzliches Verhalten, wobei das vorsätzliche Verhalten von rassendiskriminierenden Beweggründen geprägt sein müsse. Dies sei in vorliegendem Fall nicht gegeben.
Die Zeitschrift X veröffentlichte einen Artikel eines Privatdozenten für Geschichte (im Folgenden als Historiker Y benannt) mit dem Titel «Völkermord die armenische Tragödie». Der Artikel hält unter anderem fest, dass zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts rund 1 Mio. christliche Armenier auf Geheiss türkischer Politiker umgebracht worden seien und dass dieser Völkermord von der Türkei bis heute geleugnet werde.
Unter Bezugnahme dieses Artikels warf ein Journalist der Zeitschrift X in der darauffolgenden Ausgabe die Frage auf, ob jemand, welcher bestreite, dass es sich bei der Verfolgung der Armenier durch die Türken um einen Völkermord handle, nunmehr nach der schweizerischen Gesetzgebung im Sinne von Art. 261bis Abs. 4 StGB bestraft werden müsste. Er zitierte in diesem Zusammenhang den Historiker Z., wonach niemand die historische Wahrheit gesetzlich festlegen könne und Historiker über das Quellenmaterial und daraus abgeleitete Thesen disputieren dürften, ohne eine Strafverfolgung befürchten zu müssen. Gestützt darauf entschied der Journalist der Zeitschrift X, dem Historiker X Platz für eine Replik auf die Völkermord-These des Historiker Y einzuräumen.
In seiner Replik hält Historiker X fest, dass er von den Genozid-Vorwürfen nicht überzeugt sei. Es sei zwar sehr wohl zutreffend, dass die armenische Bevölkerung von fast ganz Anatolien deportiert worden und dass es zu einigen wohldokumentierten Massakern gekommen sei, hingegen bestünden über die Zahl der Opfer keine gesicherten Kenntnisse. Er machte weiter geltend, dass viele Armenier die Massaker und Deportationen überlebt hätten und dass es keine Dokumente gebe, mit denen sich belegen lasse, dass die osmanische Regierung einen «Völkermord» beabsichtigt habe. Zwar bestätigt er die Massaker an den Armeniern, erklärt allerdings, die Türken hätten damals gegen Feinde gestanden, welche eine Aufteilung Anatoliens geplant hätten, und zudem hätten sich auch die Armenier Grausamkeiten zuschulden kommen lassen, die vom Historiker Y nur als defensive Aktion interpretiert würden. Es sei bisher zudem nur unzulänglich untersucht worden, welche Rolle armenische Nationalisten gespielt hätten. Abschliessend erklärte er, die armenische Tragödie sei eine Tragödie für alle: für die Türken wie für die Armenier.
In einer weiteren Ausgabe der Zeitschrift wurde dem Historiker Y Platz eingeräumt, um in zwei weiteren Artikeln auf die These des Historiker X einzugehen.
Am 8. Januar 2008 wurde die Staatsanwaltschaft I des Kantons Zürich von der Oberstaatsanwaltschaft beauftragt zu prüfen, ob der in der Zeitschrift X publizierte Artikel des Historikers X rassendiskriminierend sei.
Hinsichtlich der grundsätzlichen Strafbarkeit der Leugnung des Genozids an den Armeniern liegt inzwischen ein höchstrichterlicher Entscheid vor.
Im vorliegenden Fall argumentiert die Strafverfolgungsbehörde, es sei, die ganze Berichterstattung der Zeitschrift X über den Genozid an den Armeniern sich vor Augen haltend, augenscheinlich nicht das Ziel der Redaktion und des Beitrages des Historiker X (Angeschuldigter), die an den Armeniern 1915/16 begangenen Massaker und (letztlich überwiegend tödlich endenden) Deportationen zu leugnen oder zu verharmlosen. Der angeschuldigte Autor polemisiere, er kritisiere Forschungsergebnisse, über welche in der Gilde anerkannter und fach- und sachkundiger Historiker überwiegend Einigkeit bestehe und halte dafür, dass diese Erkenntnisse eben nicht endgültigen Charakter hätten. Immerhin bestätige ja auch Historiker X, auch wenn sich an der Qualifikation der Ergebnisse als Völkermord nichts mehr ändern werde, dass noch nicht alle Quellen erschlossen seien und dass weiter, neuerdings auch unter türkischer Beteiligung, über das Schicksal des armenischen Volkes geforscht werde. Der subjektive Tatbestand von Art. 261bis Abs. 4 StGB verlange aber vorsätzliches Handeln, wobei das Bundesgericht in BGE 123 IV 210 Erw. 4c. und 124 IV 125 Erw. 2b entschieden habe, dass dieses vorsätzliche Verhalten von rassendiskriminierenden Beweggründen geprägt sein müsse. Davon könne vorliegend keine Rede sein. Dasselbe gelte a fortiori für die Redaktion der Zeitschrift X, die der richtigen Position des Historikers Y viel breiteren Raum eingeräumt habe als dem die türkische Linie zumindest teilweise vertretende Angeschuldigte.
Die zuständige Strafverfolgungsbehörde stellt das Strafverfahren ein.