Cas 2014-035N
Bâle-Ville
Historique de la procédure | ||
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2014 | 2014-035N | Das erstinstanzliche Urteil wird im Schuldpunkt bestätigt und Y. wegen Rassendiskriminierung verurteilt. |
Critères de recherche juridiques | |
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Acte / Eléments constitutifs objectifs | Propagation d'une idéologie (al. 2); Négation d'un génocide (al. 4 2ème phrase) |
Objet de protection | Ethnie; Religion |
Questions spécifiques sur l'élément constitutif |
Mots-clés | |
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Auteurs | Acteurs politiques |
Victimes | Juifs |
Moyens utilisés | Ecrits; Propagation de matériel raciste |
Environnement social | Internet (sans réseaux sociaux) |
Idéologie | Antisémitisme; Révisionnisme |
Y. wird zur Last gelegt, X. die Parteiseite via Linkverbindung für seine rassendiskriminierende Veröffentlichung zur Verfügung gestellt und sie nicht davon entfernt zu haben, was zusammenfassend die Tatbestände von Art. 261bis Abs. 2 und 4 StGB erfülle
Die Berufungsklägerin wird unter teilweiser Abänderung des erstinstanzlichen Urteils und unter Anwendung von Art. 261bis Abs. 2 und 4 StGB zu einer Geldstrafe verurteilt.
X., der damalige Vorstandsvorsitzende der Partei A. Sektion Basel hat Mitte 2009 auf der parteieigenen Internetseite unter dem Titel «Die Lügen um Anne Frank» einen ausführlichen Artikel mit dem Fazit veröffentlicht, genauso wie andere Lügen über Deutschland in der Zeit von 1933-1945 sei auch das Tagebuch der Anne Frank eine geschichtliche Lüge (siehe Fall 2010-024N «Artikel auf einer parteieigenen Internetseite mit dem Titel Die Lügen um Anne Frank 1»).
Die Vorinstanz hat die Verantwortlichkeit der Berufungsklägerin Y. zusammengefasst damit begründet, dass sie spätestens seit dem 10. Marz 2010 Herausgeberin des Internet-Auftritts der Partei gewesen sei, von der eine ständige Linkverbindung zur Internetseite der Sektion Basel bestanden habe. Es habe sich dabei nicht um einen Link auf die eigenständige Website eines Dritten gehandelt, vielmehr sei es eine Unterkategorie der Hauptseite, für welche Y. als Redaktorin und Herausgeberin zuständig gewesen sei. Der Verantwortliche der Hauptseite habe es stets in der Hand, missliebige Inhalte zu löschen. Y. wird zur Last gelegt, X. die Hauptseite via Linkverbindung für seine rassendiskriminierende Veröffentlichung zur Verfügung gestellt zu haben.
Umstritten ist, ob neben dem Autor X. auch die Berufungsklägerin Y. für den rassendiskriminierenden Artikel strafrechtlich verantwortlich ist oder nicht.
Die Vorinstanz begründete die Verantwortlichkeit von Y. dahingehend, dass sie als Redaktorin und Herausgeberin der Haupt-Parteiseite auch für die lokale Unterkategorie zuständig gewesen sei und es als Verantwortliche stets in der Hand gehabt hatte, missliebige Inhalte auf allen Ebenen zu löschen oder zu redigieren. Indem sie die Hauptseite X. zur Veröffentlichung rassendiskriminierender Inhalte zur Verfügung gestellt hatte, mache sich Y. strafbar. Es handelt sich derweil bei der Webseite der Ortssektion nicht um eine eigenständige Seite, sondern um eine tiefere Ebene der Hauptseite der Partei A. Beim Zurverfügungstellen der Hauptwebseite nach Kenntnisnahme des inkriminierten Artikels handelt es sich um ein (andauerndes) Handlungsdelikt. Bei der Tathandlung sei nicht von Gehilfenschaft, sondern von Mittäterschaft auszugehen, weil es für die Verbreitung des inkriminierten Artikels der technischen Infrastruktur der Hauptseite bedurft habe, für deren Bewirtschaftung Y. zuständig gewesen sei. Dadurch habe sie die Tatherrschaft gehabt. Der subjektive Tatbestand sei gegeben, weil es Y. bewusst gewesen sei, dass es sich beim inkriminierten Artikel, der die offizielle Geschichtsschreibung betreffend den Holocaust in solcher Form anzweifelt, geradezu um einen Lehrbuchfall der Rassismusstrafnorm handle.
Auch die Berufungsinstanz ging bei der Webseite von einer Unterseite/Subdomain der Hauptseite der Partei A. aus. Grundsätzlich ist somit der an der Hauptseite Berechtigte auch an deren Subdomains berechtigt. Der damalige Parteipräsident von A. bestätigte im Laufe des Verfahrens, dass es sich bei der Seite von A. sowie der Sektion Basel um Haupt- resp. Subdomains bzw. um eine architektonische Einheit handle, deren Kontrolle gemäss Berufungsgericht grundsätzlich konsolidiert und zentralisiert ist. Die Berufungsklägerin war zum relevanten Tatzeitpunkt gemäss Impressum die einzige Herausgeberin und Redaktorin der Hauptseite. Damit trug sie grundsätzlich objektiv die Verantwortung für die Inhalte, die auf dieser Website veröffentlicht wurden, und zwar einschliesslich der Subdomains, also der Sektionsseiten, mitunter jener der Sektion Basel. Selbst wenn sie über keine Zugangsdaten verfüge, müsse sie sich in dieser Eigenschaft grundsätzlich die oberste organisatorische und technische Verfügungsmacht – allenfalls via IT-Fachpersonen – über die Website der Partei A. samt aller Subdomains anrechnen lassen. Die Berufungsklägerin hatte es als Vorstandsmitglied respektive der Vorstand selbst hatte es derweil auch in der Hand, den Text vom Netz zu nehmen.
Damit ist festzuhalten, dass die Berufungsklägerin in ihrer Eigenschaft als Mitglied des Vorstands sowie als gemäss Impressum einzige Herausgeberin und Redaktorin für die Inhalte der Website der Partei A. einschliesslich deren Subdomains objektiv verantwortlich war und die Webseite X. zur Verfügung stellte, mithin auch für den inkriminierten Artikel.
Ohne dieses Zur-Verfügung-Stellen hätte X. den inkriminierten Artikel auch nicht aufschalten können. Damit liegt in objektiver Hinsicht Mittäterschaft vor.
Weiter hatte die Vorinstanz betreffend subjektiven Tatbestand zutreffend festgehalten, dass nicht erforderlich ist, dass der Mittäter beim Fassen des Tatentschlusses bereits beteiligt ist. Er kann sich diesen auch später zu Eigen machen (dolus subsequens) und ihn konkludent äussern (vgl. auch BGer 6B_473/212 E. 1.5). Der Artikel der Webseite wurde in der Folge von Y. während mehrerer Monate nach ihrer Kenntnis wissentlich und willentlich auf der Webseite belassen. Gerade betreffend den Inhalt des Artikels und deren rassendiskriminierender Natur legt die Berufungsinstanz bei Y. einen hohen Massstab an, denn so wurde sie bereits in der Vergangenheit wegen Rassendiskriminierung verurteilt, hatte jedoch die rechtlichen Konsequenzen ohne grosse Anzeichen von Reue oder Einsicht auf sich genommen respektive die Bedeutung der Strafrechtsnorm in seiner Ganzheit erheblich relativiert und deren Abschaffung politisch gefordert. Aus dem Ganzen ergibt sich jedenfalls, dass der Berufungsklägerin als seinerzeitigem Vorstandsmitglied der Partei A. durchaus zumindest die Kompetenz – wenn nicht gar ein Spezialwissen – zuzusprechen war, die rechtsverletzende Natur des inkriminierten Artikels zu erkennen. Schliesslich ist die Vorinstanz auch darin zu bestätigen, dass es sich beim inkriminierten Artikel geradezu um einen Lehrbuchfall der Verletzung der Rassismusstrafnorm handelt, was gerade für die Berufungsklägerin augenfällig gewesen sein musste. Die Berufungsinstanz bejahte in der Folge den Vorsatz der Y. Der inkriminierte Artikel ist, wie erwähnt, unbestritten rassistischen Inhalts im Sinne von Art. 261bis StGB und zielt in erster Linie auf die Leugnung des Holocaust und einzelner Geschehnisse (Tagebuch der Anne Frank) ab.
Auch wurde durch das in der Partei A. gelebte politische Verständnis und Parteiprogramm das zu Eigen Machen des Artikelinhalts bejaht. Nebst dem objektiven ist auch der subjektive Tatbestand von Art. 261bis Abs. 2 und 4 StGB erfüllt und der vorinstanzliche Schuldspruch im Schuldpunkt zu bestätigen.
Die erstinstanzlichen Erwägungen werden im Schuldpunkt teilweise bestätigt, einzig der Tagessatz wird der neuen Einkommenssituation von Y. angepasst. Y. wird wegen Rassendiskriminierung im Sinne von Art. 261bis Abs. 2 und 4 StGB zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je CH 30.- verurteilt.