Cas 2022-012N
Zoug
Historique de la procédure | ||
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2022 | 2022-012N | Die zuständige Strafverfolgungsbehörde verfügt eine Nichtanhandnahme. |
2022 | 2022-013N | Gegen die Nichtanhandnahmeverfügung wird Beschwerde eingereicht, worauf nicht eingetreten wird. |
Critères de recherche juridiques | |
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Acte / Eléments constitutifs objectifs | Refus de produits ou de services (al. 5) |
Objet de protection | Religion; Orientation sexuelle; Objet de protection en général |
Questions spécifiques sur l'élément constitutif |
Mots-clés | |
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Auteurs | Acteurs du secteur tertiaire |
Victimes | Autres victimes |
Moyens utilisés | Refus de prestations |
Environnement social | Associations / Fédérations / Organisations; Autre environnement social |
Idéologie | Autres idéologies |
Ein Verein der anlässlich der Abstimmung «Ehe für alle» gegründet wurde und gegen die Initiative warb, wirft einer Bank vor, die Eröffnung eines Vereinskontos aufgrund seines Vereinszwecks abgelehnt zu haben. Der Verein argumentiert, dass die Bankbeziehung aufgrund der sexuellen Orientierung und der christlich fundierten Überzeugung der Mitglieder, dass die Ehe Mann und Frau vorbehalten sein sollte, verweigert wurde.
Die zuständige Strafverfolgungsbehörde verfügt eine Nichtanhandnahme. Gegen die Nichtanhandnahmeverfügung wird Beschwerde eingereicht, worauf nicht eingetreten wird.
Ein Verein, der anlässlich der Abstimmung «Ehe für alle» gegründet wurde und gegen die Initiative warb, wirft einer Bank vor, dem Verein aufgrund seines Vereinszweckes die Eröffnung eines Vereinskontos verweigert zu haben. Zur Begründung gab die Bank an, diese wolle mit der Eröffnung eines entsprechenden Vereinskontos kein «Reputationsrisiko» eingehen. Dadurch seien der Verein sowie dessen Gründer C., D., und E., welche sich als Privatkläger konstituierten, in ihren Persönlichkeitsrechten und ihrer Würde unmittelbar verletzt worden. Die Bankbeziehung sei ihnen nämlich aufgrund ihrer sexuellen Orientierung, in Ausformung der Überzeugung, dass die Ehe heterosexuellen Personen vorbehalten bleiben müsse, und ihrer christlich fundierten Überzeugung, wonach die Ehe Mann und Frau vorbehalten sei, verweigert worden.
Nach Anfrage der Staatsanwaltschaft, nahm die Bank wie folgt Stellung:
Bereits aus der Strafanzeige gehe hervor, dass der Tatbestand der Rassendiskriminierung gemäss Art. 261bis Abs. 5 StGB eindeutig nicht erfüllt sei. Der Verein sei als juristische Person von diesem Tatbestand nicht geschützt und hinsichtlich der übrigen Anzeigeerstatter fehle es an einem unmittelbaren - angeblichen - Angriff. Sodann beruhe die Nichteröffnung des Kontos für den Verein auf sachlichen Gründen. Die einzelnen Banken seien nicht dazu verpflichtet, ihre Dienstleistungen jedermann anzubieten. Unter anderem seien ad hoc gegründete juristische Personen, welche sich einer konkreten politischen Sachfrage widmen und deren Geschäftsbeziehungen daher erfahrungsgemäss nicht langfristig seien, nicht von grossem geschäftlichem Interesse. Weiter sei die politische Gesinnung des Vereins von Art. 261 bis Abs. 5 StGB nicht geschützt und der entsprechende Straftatbestand sei daher vorliegend klarerweise nicht erfüllt. Schliesslich fehle es bei der Bank und der für sie handelnden Personen an Anhaltspunkten, die auf ein vorsätzliches bzw. eventualvorsätzliches Handeln hindeuten würden.
Décision 2022-012N
Nach Art. 261bis Abs. 5 StGB macht sich strafbar, wer eine von ihm angebotene Leistung, die für die Allgemeinheit bestimmt ist, einer Person oder einer Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie, Religion oder sexuellen Orientierung verweigert.
Angriffsobjekt von Art. 261bis StGB sind entweder einzelne Personen oder Gruppen von Personen aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten «Rasse, Ethnie, Religion oder sexuellen Orientierung». Diese Aufzählung ist abschliessend. De lege lata werden beispielsweise politische, geografische und nationale Gruppen nicht geschützt, es sei denn, es handle sich dabei um ein Synonym für bestimmte Rassen, Ethnien oder Religionen.
In casu ist zunächst festzuhalten, dass es für die Bank als nicht öffentlich-rechtliche Bank keine vertragliche oder gesetzliche Grundlage gibt, welche sie zu einem Vertragsabschluss mit einer natürlichen oder juristischen Person verpflichten würde. Sofern die Ablehnung einer Geschäftsbeziehung nicht auf der «Rasse», Ethnie, Religion oder sexuellen Orientierung des potentiellen Geschäftspartners bzw. Kunden beruht, ist sie von der Vertragsfreiheit gedeckt und es liegt kein Verstoss gegen Art. 261bis StGB vor. Die Bank liess in ihrer Stellungnahme unter anderem ausführen, eine Geschäftsbeziehung mit dem ad hoc gegründeten Verein sei aus geschäftspolitischen Gründen bzw. aus mangelndem geschäftlichem Interesse an kurzfristigen Geschäftsbeziehungen abgelehnt worden. Da das Gegenteil nicht bewiesen werden kann, ist bereits aus diesem Grund keine Strafuntersuchung an die Hand zu nehmen.
Sodann stand gemäss der Homepage des Vereins hinter der Abstimmungskampagne ein überparteiliches Komitee, welches erfolgreich das Referendum zustande gebracht hatte. Organisiert in einem Trägerverein, unterstützten mehrere Parteien und Organisationen diese Kampagne. Folglich wurde der Verein ausschliesslich im Hinblick auf die vom National- und Ständerat in der Wintersession 2020 beschlossenen Änderungen des Zivilgesetzbuches («Ehe für alle») gegründet und verfolgte dementsprechend ausschliesslich politische Ziele. Da politische Gruppierungen – wie vorstehend erwähnt- von Art. 261bis StGB nicht geschützt werden, ist auch aus diesem Grund das Verfahren - weder in Bezug auf den Verein noch die übrigen Privatkläger - nicht an die Hand zu nehmen ist.
Schliesslich ist Folgendes zu beachten: Selbst wenn die Bank gegenüber im Verein «ausgeführt haben sollte, die Geschäftsbeziehung habe wegen eines von der Bank befürchteten Reputationsrisikos nicht eingegangen werden können, fehlen jegliche Anhaltspunkte dafür, dass die Bank ein solches Risiko aufgrund der sexuellen oder religiösen Ausrichtung des Vereins bzw. dessen Mitgliedern befürchtet hätte. Wie die Bank zutreffend ausführt, gehört ein Grossteil der Bevölkerung des Kantons Zug der christlichen Glaubensgemeinschaft an.
Darüber hinaus ist es gerichtsnotorisch, dass ein Grossteil der Bevölkerung des Kantons Zug heterosexuell orientiert ist. Demzufolge scheint es lebensfremd anzunehmen, dass die Bank die Geschäftsbeziehung mit dem Verein aufgrund der religiösen oder sexuellen Ausrichtung des Vereins bzw. dessen Mitgliedern abgelehnt hat. Im Ergebnis liegen keine Hinweise dafür vor, dass die Bank bzw. die für sie handelnden natürlichen Personen die Geschäftsbeziehung mit dem Verein aufgrund der religiösen oder sexuellen Ausrichtung des Letzteren bzw. seiner Mitglieder abgelehnt hat. Folglich ist keine Strafuntersuchung gegen die zuständigen Personen bei der Bank an die Hand zu nehmen.
Die zuständige Strafverfolgungsbehörde verfügt eine Nichtanhandnahme.
Décision 2022-013N
Die Bank bestreitet, dass der Beschwerdeführer zur Beschwerde legitimiert sei. Ein Verein sei eine juristische Person, welche sich nicht auf die von Art. 261bis StGB geschützte Menschenwürde berufen und daher auch nicht Geschädigte gemäss dieser Bestimmung sein könne. Die Beschwerdeführer stellen sich hingegen auf den Standpunkt, auch juristische Personen würden einen Persönlichkeitsschutz geniessen und seien somit Träger der Menschenwürde.
Das Bundesgericht hat bisher einzig klargestellt, dass Verbänden nicht stellvertretend für ihre Mitglieder oder die diskriminierte Gruppe Parteistellung in einem Strafverfahren betreffend Art. 261bis StGB zukommt (BGE 125 IV 206 E. 2). Ob eine juristische Person selbst im Sinne von Art. 261bis Abs. 5 StGB diskriminiert werden kann, ist bisher jedoch nicht höchstrichterlich entschieden worden. Für die Möglichkeit der Geschädigtenstellung von juristischen Personen in einem Verfahren betreffend Art. 261bis Abs. 5 StGB spricht, dass sich juristische Personen auf das Grundrecht der Religionsfreiheit berufen können, wenn sie nach ihren Statuten ein religiöses oder kirchliches Ziel verfolgen (BGE 125 1 369 E. lb; BGE 118 1a 46 E. 3b). Soweit eine juristische Person Trägerin des Grundrechts der Religionsfreiheit sein kann, ist nicht einzusehen, weshalb ihr der strafrechtliche Schutz vor Diskriminierung aufgrund ebendieser Religion verwehrt werden sollte.
Der Vereinszweck betrifft jedoch das politische Engagement im Zusammenhang mit der Eidgenössischen Abstimmung über die «Ehe für alle» und somit klarerweise eine politische Zwecksetzung. Eine religiöse Komponente ist dem Vereinszweck nicht zu entnehmen. Dass das politische Engagement aufgrund einer religiösen Überzeugung der Vereinsmitglieder erfolgt, reicht nicht als religiöse Zwecksetzung. Es findet sich in den Statuten auch kein Hinweis auf die christliche Religion, aufgrund derer der Beschwerdeführer diskriminiert worden sein soll, wie dieser selbst behauptet. Vielmehr bezeichnet sich der Beschwerdeführer in den Statuten als «parteipolitisch und konfessionell neutraler, gemeinnütziger Verein». Eine religiöse Zielsetzung ist vorliegend somit nicht gegeben.
Die sexuelle Selbstbestimmung ist von zentraler Bedeutung für die Entfaltung der Persönlichkeit und deshalb von Art. 10 Abs. 2 BV grundrechtlich geschützt. Ob sich der Beschwerdeführer analog der Religionsfreiheit bezüglich der sexuellen Orientierung auf Art. 10 Abs. 2 BV berufen kann, kann vorliegend offenbleiben. Der Beschwerdeführer nimmt in seinen Statuten nämlich ohnehin nicht Bezug auf eine sexuelle Orientierung, sondern einzig auf den Ehebegriff. Bei dem vom Beschwerdeführer propagierten Ehebegriff als «auf Dauer angelegte Verbindung zwischen einem Mann und einer Frau» handelt es sich um einen juristischen und kulturellen Terminus. Die politische Debatte bei der Abstimmung über die «Ehe für alle» betraf die Änderung des Ehebegriffs im Schweizerischen Zivilgesetzbuch. Entgegen der Darstellung der Beschwerdeführer ist die Überzeugung, wie die Ehe gemäss dem Schweizerischen Zivilgesetzbuch ausgestaltet werden soll, nicht Ausdruck einer sexuellen Orientierung, sondern eines politischen Anliegens. Die vom Beschwerdeführer angeführte Heterosexualität, aufgrund welcher er diskriminiert worden sein soll, wird in ihrer Zwecksetzung weder ausdrücklich noch indirekt genannt. Der Beschwerdeführer kann sich somit auch nicht auf den Diskriminierungsschutz aufgrund der sexuellen Orientierung berufen.
Aus diesen Gründen kann der Beschwerdeführer deshalb nicht als Geschädigter im Sinne von Art. 115 StPO bezüglich Art. 261bis Abs. 5 StGB gelten. Er ist daher auch nicht legitimiert, gegen die Nichtanhandnahmeverfügung der Staatsanwaltschaft Beschwerde zu führen. Auf seine Beschwerde ist demnach nicht Einzutreten.
Selbst wenn auf die Beschwerde hätte eingetreten werden können, wäre diese abzuweisen gewesen. Wie die Staatsanwaltschaft zutreffend ausführt, handelt es sich beim Beschwerdeführer um einen Verein mit ausschliesslich politischer Zielsetzung, wobei die politische Meinung nicht von Art. 261bis StGB geschützt wird. Ob die Bank die Bankbeziehung mit dem Beschwerdeführer aufgrund von Reputationsrisiken ablehnten, ist in diesem Zusammenhang unerheblich. Es ist nicht ersichtlich, inwiefern die Eingehung einer Kontobeziehung mit einer heterosexuellen und/oder christlichen Person die Reputation einer Bank gefährden könnte.
Eine nicht öffentlich-rechtliche Bank macht sich nicht strafbar, wenn sie mit gewissen politischen Ansichten nicht in Verbindung gebracht werden möchte oder sich zu gewissen politischen Themen nicht exponieren will. Es liegen somit keine Hinweise vor, welche eine Strafbarkeit der Bank gemäss Art. 261bis StGB nahelegen.
Die Staatsanwaltschaft hat das Verfahren deshalb zu Recht nicht anhand genommen.
Gegen die Nichtanhandnahmeverfügung wird Beschwerde eingereicht, worauf nicht eingetreten wird.