Cas 2023-019N
Zurich
Historique de la procédure | ||
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2023 | 2023-019N | Die zuständige Strafverfolgungsbehörde verfügt eine Nichtanhandnahme. |
Critères de recherche juridiques | |
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Acte / Eléments constitutifs objectifs | Incitation à la haine et à la discrimination (al. 1) |
Objet de protection | Religion |
Questions spécifiques sur l'élément constitutif |
Mots-clés | |
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Auteurs | Particuliers |
Victimes | Membres de la population majoritaire / Blancs / Chrétiens |
Moyens utilisés | Ecrits |
Environnement social | Lieux publics |
Idéologie | Autres idéologies |
Zwei Frauen (unbekannte Täterschaft) hätten an einer bewilligten Kundgebung für Frauenrechte und gegen die Beschränkung des Rechts auf Schwangerschaftsabbruch ein Transparent mit der Aufschrift «Christenfundis vertreiben» verwendet. Der plakatierte Schriftzug habe die christliche Glaubensgemeinschaft respektive die bibelgläubigen Christen öffentlich diskriminiert und diffamiert, habe zu Hass und Gewalt gegen ebendiese religiöse Gruppe aufgerufen.
Die zuständige Strafverfolgungsbehörde verfügt eine Nichtanhandnahme.
Zwei Frauen (unbekannte Täterschaft) hätten an einer bewilligten Kundgebung für Frauenrechte und gegen die Beschränkung des Rechts auf Schwangerschaftsabbruch ein Transparent mit der Aufschrift «Christenfundis vertreiben» verwendet. Der plakatierte Schriftzug habe die christliche Glaubensgemeinschaft respektive die bibelgläubigen Christen öffentlich diskriminiert und diffamiert, habe zu Hass und Gewalt gegen ebendiese religiöse Gruppe aufgerufen, was von den Organisatoren der Kundgebung zu verantworten sei.
Gemäss dem Anzeigeerstatter bedeute «Christenfundis vertreiben», Christen, die die Bibel als ihre Basis betrachten, zu vertreiben. Weiter sei dieses Transparent eine Androhung von Gewalt. Die antichristliche Bewegung schüre die Ablehnung und Intoleranz gegenüber Christen. Daraus würde irgendwann offener Hass und Gewalt resultieren. Durch das vorerwähnte Transparent seien zudem seine Rechte auf Gleichwertigkeit, Gleichberechtigung, Religions- und Meinungsäusserungsfreiheit als gläubiger Christ verneint worden, was Diskriminierung bedeuten würde. Ebenfalls würde bei Bewilligungen christlich geprägter Kundgebungen ein anderer Massstab angewandt als bei Kundgebungen bezüglich anderer Themen. Damit die links dominierte Stadtregierung des «roten Zürichs» respektive deren linke Vertreter eine ihr nicht genehme christlich geprägte Demonstration verbieten oder in ein Aussenquartier ohne Appellwirkung verbannen würden, genüge es, eine Gegendemonstration anzukündigen.
Art. 261bis StGB schützt die Würde des Menschen in seiner Subjektivität und seiner Eigenschaft als Angehöriger einer Rasse, Ethnie oder Religion, wobei dadurch mittelbar der öffentliche Friede geschützt wird. Die Verletzung der Menschenwürde stellt somit eine gemeinsame Voraussetzung für alle in Art. 261bis StGB aufgeführten Tatbestandsvarianten dar. Eine solche Verletzung liegt vor, wenn einer Person oder einer Gruppe von Personen - aufgrund ihrer Gruppenzugehörigkeit - die Gleichberechtigung bzw. Gleichwertigkeit als menschliches Wesen abgesprochen wird. Neben der Menschenwürde als Hauptaspekt, gilt es bei der Auslegung der vorliegenden Strafnorm, insbesondere deren Schutzzweck - die Meinungsäusserungsfreiheit gemäss Art. 16 BV, Art. 10 EMRK und Art. 19 UNO-Pakt II und die dazugehörige Rechtsprechung des Bundesgerichts und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu beachten. Diese besagt, dass Äusserungen zu politischen Fragen und Problemstellungen des öffentlichen Lebens ein besonderer Stellenwert zukommt. Standpunkte zu vertreten, die einer Mehrheit missfallen und für viele schockierend wirken, ist in einer Demokratie von eminenter Bedeutung. Würden Strafnormen extensiv ausgelegt und so zu hohe Anforderungen an kritische Äusserungen gestellt, würde die Gefahr bestehen, dass auch begründete und berechtigte Kritik - insbesondere auch am Verhalten einzelner Bevölkerungsgruppen - nicht mehr vorgebracht werden könnte. Äusserungen in Relation zu politischen Debatten sind dabei nicht streng nach ihrem Wortlaut zu messen, da bei solchen Auseinandersetzungen - insbesondere bei Kundgebungen mit politischem Bezugsrahmen - oft gewisse Übertreibungen und Vereinfachungen üblich sind. Die Strafbarkeit von Äusserungen im Kontext von Art. 261bis StGB wird dementsprechend nach dem Sinn beurteilt, den ein unbefangener Drittadressat diesen Äusserungen unter den konkreten Umständen gibt. Dabei muss indessen auch beachtet werden, dass der Meinungsäusserungsfreiheit keine so fundamentale Bedeutung gegeben wird, dass die Bekämpfung der Rassendiskriminierung ihre Substanz beraubt würde.
Im Rahmen von politischen Auseinandersetzungen ist daher eine Diskriminierung im Sinne von Art. 261bis StGB oder ein Aufruf dazu nicht leichthin zu bejahen, sondern lediglich dann, wenn - wie oben ausgeführt - die Menschenwürde als konstituierendes Element des Rechtsbegriffs einer demokratischen Gemeinschaft verletzt ist und ein gleichberechtigtes Anerkennen, Geniessen oder Ausüben von Menschenrechten und Grundfreiheiten im öffentlichen Leben in Frage gestellt oder beeinträchtigt ist.
Das von zwei Teilnehmerinnen verwendete Transparent zeigte den Schriftzug «Christenfundis vertreiben». Die Kundgebung befasste sich mit dem Thema Schwangerschaftsabbruch und Frauenrechte. Konkret wurde in den USA am 24. Juni 2022 ein Leiturteil aus dem Jahr 1973 durch den obersten Gerichtshof der USA aufgehoben, wodurch in den USA auf nationaler Ebene kein verfassungsrechtlich garantiertes Recht auf Abtreibung mehr bestand. Dieses Urteil wurde auch in der Schweiz intensiv diskutiert und es fanden mehrere Demonstrationen und Kundgebungen statt. Fragen rund um das Thema Schwangerschaftsabbruch und Selbstbestimmungsrecht der Frau waren zu dieser Zeit in den publizistischen und sozialen Medien ein allgegenwärtiges Thema und wurden auf jeglichen Ebenen hitzig debattiert. Ein Bezug zum höchstrichterlichen Urteil aus den USA war offenkundig. Bei dem verwendeten Schriftzug handelte es sich offensichtlich um eine Anspielung auf die konservativen Kreise, die Schwangerschaftsabbrüche einzuschränken versuchten. Für einen unbefangenen Drittadressaten wäre unter den konkreten Umständen erkennbar gewesen, dass hier nicht die Vertreibung von bibelgläubigen Christen und der Aufruf zu entsprechender Gewalt angestrebt, sondern - wenn auch in leicht übertriebener Weise - den Unmut zur politisch konservativen Haltung kundgetan wurde. Solche Übertreibungen sind besonders im Zusammenhang mit Kundgebungen mit politischem Bezugsrahmen hinzunehmen. Das Transparent respektive der darauf verwendete Schriftzug verletzt die Menschenwürde der Angehörigen der christlichen Religion nicht. Folglich liegt weder ein Aufruf zu Hass und Diskriminierung, noch eine direkte Herabsetzung vor.
Die Voraussetzungen für die Eröffnung einer Untersuchung sind nicht gegeben, weshalb die zuständige Strafverfolgungsbehörde eine Nichtanhandnahme verfügt. Vorbehalten bleibt eine spätere Eröffnung, wenn die Voraussetzungen hierfür eintreten oder bekannt werden.