Cas 2022-080N

Politiker wirbt mit rassistischem Flyer für seine Kandidatur

Bâle-Ville

Historique de la procédure
2022 2022-080N Der Beschuldigte wird u.a. der mehrfachen Rassendiskriminierung i.S.v. Art. 261bis StGB schuldig erklärt.
Critères de recherche juridiques
Acte / Eléments constitutifs objectifs Abaissement ou discrimination (al. 4 1ère phrase)
Objet de protection Race;
Ethnie
Questions spécifiques sur l'élément constitutif
Mots-clés
Auteurs Acteurs politiques
Victimes Personnes noires / PoC;
Etrangers et membres d'autres ethnies
Moyens utilisés Déclarations orales;
Ecrits;
Sons / images;
Propagation de matériel raciste
Environnement social Lieux publics;
Médias sociaux
Idéologie Racisme (nationalité / origine);
Racisme (couleur de peau)

Synthèse

In der Absicht, durch fremdenfeindliche Hetze und das Schüren von Emotionen zur Diskriminierung aufzurufen und auf diese Weise die Wählerstimmen von politisch Gleichgesinnten zu erlangen, verfasste und gestaltete der Beschuldigte im Rahmen seiner Kandidatur für den Grossrat an seinem Aufenthaltsort im Raum Basel einen Flyer.
Der Beschuldigte wird u.a. der mehrfachen Rassendiskriminierung i.S.v. Art. 261bis StGB schuldig erklärt.

En fait / faits

Sachverhalt 1:
Der Beschuldigte verfasste und gestaltete im Rahmen seiner Kandidatur für den Grossrat an seinem Aufenthaltsort einen Flyer mit folgenden Äusserungen:
«Was schyyns sich Mänggi wünsche wurde, nit z vyyl Dirgge, Serbe und Kurde»
Damit brachte der Beschuldigte seine uneingeschränkte Ablehnung hinsichtlich einer bestimmten Gruppe von Ausländern (Türken, Serben und Kurden) zum Ausdruck. Die Betroffenen wurden als unerwünscht und damit minderwertig dargestellt, als Personen, die kein Recht auf Anwesenheit in der Schweiz haben sollten.
«D'Ussländer sin an allem tschuld - au an Corona!!» und «Zuwanderung ist keine „Bereicherung» - das ist Corona!»
Damit fixierte der Beschuldigte in pauschalisierender, unsachlicher und undifferenzierter Art und Weise ein Vorurteil, welches die «Ausländer» kollektiv umfasst und sie abwertet. Indem er sie für eine Infektionserkrankung verantwortlich erklärte, qualifizierte der Beschuldigte diese Bevölkerungsgruppe als minderwertig.
«Ausländer und Asylanten nehmen uns die Arbeit weg, die Wohnungen und auch noch die Frauen. Das ist die bittere Wahrheit.»
Damit fixierte der Beschuldigte ein weiteres, auf fremdenfeindlichen Ideologien basierendes, herabsetzendes Klischeebild und behauptete so die qualifizierte Minderwertigkeit der Menschengruppe «Ausländer und Asylanten».
Von diesem Flyer, der dazu diente, ein feindseliges Klima gegenüber bestimmten Ausländern bzw. anderen Ethnien zu schaffen und den Gedanken zu fördern, dass die Angehörigen der betroffenen Bevölkerungsgruppen minderwertig und in der Schweiz unerwünscht sind, und dem Beschuldigten - in Umsetzung der feindseligen Haltung - die Wählerstimmen der Gleichgestimmten bei den anstehenden Grossratswahlen sichern sollte, liess der Beschuldigte eine nicht ermittelte Anzahl Exemplare drucken. Den Flyer verteilte er dann in seinem Wahlkreis in Basel an eine Mehrzahl, dem Beschuldigten nicht bekannter Personen. Er tat dies in der Absicht, einen möglichst grossen Adressatenkreis zu erreichen und hinsichtlich der Abgabe der Wählerstimmen zu beeinflussen. Im Zweifel verteilte er den Flyer mit Hilfe von nicht ermittelten Dritten.
Sachverhalt 2:
Der Beschuldigte liess sich in Anwesenheit von zwei weiteren Personen von einer nicht ermittelten Drittperson bei einer Art Ansprache zum neuen Jahr filmen. Dabei äusserte er sich wie folgt:
«Ich ha öppis, wie du, gege die Kriminelle, wo do ine kömme, die Afrikaner mit de lange Schwänz, wo nume ficki-ficki mache. Das wän mir nid»,
Dabei nahm er - sollte er es nicht direkt angestrebt und das Video selber auf seinem TikTok-Account veröffentlicht haben - zumindest in Kauf, dass seine Hetzrede online gestellt und verbreitet und dadurch von einem grösseren, durch persönliche Beziehungen nicht mehr zusammenhängenden Kreis von Personen wahrgenommen wird. Das Video mit der rassistischen Hetze war während einer nicht exakt eingrenzbaren Dauer auf TikTok zu sehen und damit einem breiten Publikum zugänglich.

En droit / considérants

Gemäss Art. 261bis Abs. 4 StGB macht sich der Rassendiskriminierung strafbar, wer öffentlich durch Wort, Schrift, Bild, Gebärden, Tätlichkeiten oder in anderer Weise eine Person oder eine Gruppe von Personen wegen ihrer «Rasse», Ethnie oder Religion in einer gegen die Menschenwürde verstossenden Weise herabsetzt oder diskriminiert oder aus einem dieser Gründe Völkermord oder andere Verbrechen gegen die Menschlichkeit leugnet, gröblich verharmlost oder zu rechtfertigen sucht. Die Strafbestimmung schützt die Würde des einzelnen Menschen in seiner Eigenschaft als Angehöriger einer «Rasse», Ethnie oder Religion.
Die Unterscheidung von «rassischen» Gruppen wird aufgrund physischer Merkmale getroffen, die primär (auch fälschlicherweise) der Biologie zugeschrieben werden. Ethnische Gruppen unterscheiden sich durch eine gemeinsame Geschichte und ein gemeinsames System von Einstellungen und Verhaltensnormen.
Die Menschenwürde ist verletzt. wenn einer Person oder Personengruppe aufgrund ihrer Gruppenzugehörigkeit die Gleichberechtigung bzw. Gleichwertigkeit als menschliches Wesen abgesprochen wird.

Sachverhalt 1:
Mit dem Satz «Was schyyns sich Mänggi wünsche wurde, nit z vyyl Dirgge, Serbe und Kurde» bringt der Beschuldigte unmissverständlich seine ablehnende Haltung gegenüber den in der Schweiz lebenden Türken, Serben und Kurden zum Ausdruck. Zu prüfen bleibt, ob er diese Ethnien dadurch in einer gegen die Menschenwürde verstossenden Weise herabsetzt oder diskriminiert, sie mithin als minderwertig darstellt. Der Verteidiger dementiert dies mit der Begründung, dass die Zuwanderungspolitik der Schweiz, welche EU-Bürger gegenüber Drittstaatsangehörigen besserstelle, ebenfalls nicht rassistisch sei. Dieser Vergleich hinkt aus zweierlei Gründen. Einerseits handelt es sich bei Drittstaatsangehörigen um keine Ethnie oder «Rasse», weshalb sie nicht unter den Schutzbereich von Art. 261bis Abs. 4 StGB fallen (vgl. BGE 140 IV 67 ff.). Anderseits ist die Zuwanderungspolitik das Resultat politscher Meinungsbildung und verfolgt damit die Interessen der Mehrheit, wobei insbesondere wirtschaftliche Landesinteressen im Vordergrund stehen.
Hiervon unterscheidet sich der Flyer des Beschuldigten insofern, als der darin geäusserte Wunsch nach weniger Serben, Kurden und Türken ohne Angabe von Gründen und völlig undifferenziert ausfällt. Indem diese Menschen einzig aufgrund ihrer Ethnie für hierzulande unerwünscht erklärt werden, werden sie gegenüber der schweizerischen Landesbevölkerung als minderwertig dargestellt. Unbehelflich ist schliesslich der Einwand des Beschuldigten, er habe den Satz von der Fasnachtsclique «Alte Stainlemer» abgeschrieben, welche in einem deswegen eröffneten Strafverfahren freigesprochen worden sei. Nach Wissen des Gerichts sowie der fallführenden Staatsanwältin wurde gegen die «Alte Stainlemer» in diesem Zusammenhang nie ein Strafverfahren geführt und war der Beschuldigte aufgrund der damals ausgelösten Welle der Empörung vielmehr zur Vorsicht bezüglicher solcher Äusserungen gehalten. Im Ergebnis ist der Tatbestand der Rassendiskriminierung in Bezug auf den Satz «Was schyyns sich Mänggi wünsche wurde, nit z vyyl Dirgge, Serbe und Kurde» erfüllt.

Bezüglich der Aussagen «D'Ussländer sin an allem tschuld - au an Corona!!» und «Zuwanderung ist keine „Bereicherung» - das ist Corona!» sowie «Ausländer und Asylanten nehmen uns die Arbeit weg, die Wohnungen und auch noch die Frauen. Das ist die bittere Wahrheit» ist festzuhalten, dass Begriffe wie «Ausländer» und «Asylanten» solange nicht unter den Schutzbereich von Art. 261bis Abs. 4 StGB fallen, als sie nicht stellvertretend für andere «Rassen» oder Ethnien verwendet werden.
Dies ist vorliegend nicht der Fall, weshalb in Bezug auf diese beiden Passagen ein Freispruch ergeht.

Sachverhalt 2:
In Bezug auf das Video im Innenhof des Ratshauses wendet der Verteidiger ein, der vom Beschuldigten verwendete Begriff «Afrikaner» beschreibe keine einzelne «Rasse» oder Ethnie, sondern stünde vielmehr stellvertretend für sämtliche auf dem afrikanischen Kontinent lebenden Personen verschiedener Nationalitäten. Dem ist entgegenzuhalten, dass der Begriff «Afrikaner» im allgemeinen schweizerischen Sprachgebrauch nur die dunkelhäutigen Afrikaner meint, ansonsten ausdrücklich von «Nordafrikanern» die Rede ist. Dass der Beschuldigte in casu tatsächlich dunkelhäutige Afrikaner gemeint hat, zeigt sich auch am Passus «die Afrikaner mit de lange Schwänz», besteht der Mythos grosser Penisse doch einzig in Bezug auf dunkelhäutige Menschen. Der Begriff «Afrikaner» fällt aufgrund des Gesagten in den Schutzbereich von Art. 261bis Abs. 4 StGB.

Mit der Aussage «Ich ha öppis, wie du, gege die Kriminelle, wo do ine kämme, die Afrikaner mit de lange Schwänz, wo nume ficki-ficki mache. Das wän mir nid» wird entgegen der Ansicht des Verteidigers keineswegs zwischen kriminellen und nicht kriminellen Afrikanern differenziert, vielmehr werden in die
Schweiz immigrierende Kriminellen mit Afrikanern gleichgestellt. Indem der Beschuldigte die hier lebenden Afrikaner als kriminell, ausschliesslich triebgesteuert und ansonsten nutzlos darstellt, spricht er ihnen zentrale Wesensmerkmale menschlichen Handelns ab, wodurch er sie in einer gegen die Menschenwürde verstossenden Weise herabsetzt. Im Ergebnis ist der Tatbestand der Rassendiskriminierung gemäss Art. 261bis Abs. 4 StGB erfüllt und ergeht ein Schuldspruch gemäss Anklage.

Décision

Der Beschuldigte wird der mehrfachen Rassendiskriminierung (Art. 261bis StGB), der mehrfachen üblen Nachrede (Art. 173 StGB) und der mehrfachen Beschimpfung (Art. 177 StGB) schuldig erklärt und verurteilt zu einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu CHF 25.00, mit bedingtem Strafvollzug, unter Auferlegung einer Probezeit von 3 Jahren.