Mit der Diskriminierungsstrafnorm können rassistische Hetze und Diskriminierung sowie die Leugnung von Völkermorden strafrechtlich verfolgt werden.
Die Strafnorm gegen Diskriminierung und Aufruf zu Hass (Art. 261bis StGB, im Folgenden «Diskriminierungsstrafnorm») wurde geschaffen, um Menschen und Menschengruppen vor rassistischer Diskriminierung, Herabsetzung und Hetze aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten «Rasse», Ethnie, oder Religion zu schützen. 2020 wurde zudem das Schutzobjekt der sexuellen Orientierung aufgenommen Jeder Mensch hat einen bedingungslosen Anspruch darauf, als gleichberechtigtes Wesen anerkannt zu sein und nicht als minderwertig bezeichnet oder behandelt zu werden. Die Diskriminierungsstrafnorm dient also einem Ziel, das eigentlich selbstverständlich sein sollte, aber – wie die Erfahrung zeigt – in keiner Gesellschaft, in keinem Land selbstverständlich ist.
Nicht von der Diskriminierungsstrafnorm geschützt wird die Religion als solche. Es ist nicht strafbar, sich kritisch über das Christentum zu äussern, sich über Moses lustig zu machen oder Mohammed-Karikaturen zu zeichnen, solange damit nicht die Angehörigen der jeweiligen Religion herabgesetzt und diskriminiert werden. Die Diskriminierungsstrafnorm schützt also Menschen und nicht Religionen.
Seit 1995 gibt es in der Schweiz die Diskriminierungsstrafnorm. Die Urteilssammlung der EKR zeigt, dass die Strafnorm von den Gerichten und Staatsanwaltschaften erfolgreich angewendet wird und den Opfern von rassistischer oder homophober Diskriminierung eine wirksame Handhabe gibt, sich gegen die erlebte Verletzung zu wehren.
Beispiel Verurteilung:
Die Strafverfolgungsbehörde verurteilte eine Person wegen rassistischer Diskriminierung, weil sie Fahrenden gedroht hatte, sie alle mit einem Bagger niederzufahren und ihre Wohnungen anzuzünden bzw. das «Sauzigeunerpack» zu vernichten. Später fuhr die Person mit dem Auto in hohem Tempo an den Wohnwagen und den spielenden Kindern vorbei.
Beispiel Freispruch:
Die beschuldigte Person beschimpfte vor einem Restaurant eine Personengruppe mit «Huere Albaner» und «Scheiss Jugos». Die zweite Rechtsinstanz sprach die beschuldigte Person frei. Sie sah die Herabsetzung der Menschenwürde im Sinne von Art. 261bis StGB nicht gegeben, weil den Albanern durch die Äusserungen nicht ihr Lebensrecht als gleichwertige Persönlichkeiten in der staatlichen Gemeinschaft abgesprochen werde und sie nicht als minderwertige Wesen behandelt worden seien.
Die Beispiele zeigen, dass nicht jedes diskriminierende und beleidigende Verhalten gegenüber Angehörigen einer «Rasse», Religion, Ethnie oder sexuellen Orientierung bestraft wird. Die Diskriminierungsstrafnorm ist als rote Linie zu sehen, die aufzeigt, ab wann eine rassistische bzw. homophobe Handlung strafbar ist. Dies bedeutet jedoch nicht, dass alle Handlungen, die diese rote Linie nicht überschreiten, akzeptabel sind.
Oft wird kritisiert, dass in der Diskriminierungsstrafnorm nicht genau genug festgelegt sei, was verboten ist und was nicht. Natürlich muss Art. 261bis StGB, wie jede andere Strafnorm auch, von den Gerichten interpretiert (ausgelegt) werden. Gerade bei strafrechtlichen Bestimmungen, die ja ein Unrecht benennen und umschreiben sollen, werden Begriffe verwendet, die notwendigerweise eine Wertung ausdrücken sollen. Eine Strafnorm ist keine detaillierte Gebrauchsanweisung für den Einzelfall, sie muss auf jeden konkreten Einzelfall angewendet werden.
Im Strafrecht gibt es unzählige solcher eher offenen Umschreibungen von strafbaren Handlungen, die seit Jahrzehnten angewendet werden. Zu denken ist hier beispielsweise an Art. 173 StGB (üble Nachrede), der den Begriff des «unehrenhaften Verhaltens» enthält (was genau ist nun «unehrenhaft»?) oder Art. 146 StGB (Betrug), bei dem die Lüge mit welcher der Betrug begangen wird «arglistig» sein muss (wann ist etwas «arglistig»?).
In der Debatte um Art. 261bis StGB ist es also wichtig zu unterstreichen, dass sich die Strafnorm in ihrer Auslegebedürftigkeit nicht von anderen Normen des Strafrechts unterscheidet.
Seit 1995 wird die Strafnorm gegen Diskriminierung und Aufruf zu Hass von den Gerichten und Staatsanwaltschaften angewendet, um rassistische (und seit 2020 auch homophobe) Hetze, Diskriminierung und die Leugnung von Völkermorden zu bestrafen. Wie andere Strafnormen, enthält auch die Diskriminierungsstrafnorm keine detaillierte Gebrauchsanweisung für jeden konkreten Einzelfall. Es ist Aufgabe der Gerichte, im Einzelfall abzuklären und zu entscheiden, ob eine Handlung strafbar ist. Rassistische oder homophobe Einstellungen in der Gesellschaft verhindert die Strafnorm nicht. Dies ist aber auch nicht die Aufgabe einer Strafrechtsnorm, sondern vielmehr die einer wirkungsvollen Sensibilisierungsarbeit.
Zum AnfangLetzte Aktualisierung: 20.06.2023