Die Menschenwürde ist der unantastbare Kern aller Grundrechte – die Diskriminierungsstrafnorm schützt diesen Kern. Die Meinungsäusserungsfreiheit ist kein Freipass zur Verletzung der Menschenwürde.
Das primäre Ziel von Art. 261bis StGB ist es nicht, rassistische Meinungen zu verhindern, sondern die Würde der betroffenen Personen und den öffentlichen Frieden zu schützen. Auch die Rechtsprechung des Bundesgerichts bestätigt dies und hält fest, dass bei der Auslegung von Art. 261bis StGB der Meinungsäusserungsfreiheit genügend Rechnung zu tragen sei.
Die Gegner der Diskriminierungsstrafnorm haben in ihren Bemühungen, die Strafnorm abzuschaffen oder abzuschwächen, immer wieder darauf hingewiesen, die Diskriminierungsstrafnorm schränke die Meinungsäusserungsfreiheit ein. Es ist jedoch so, dass auch durch andere Strafnormen die Meinungsäusserungsfreiheit eingeschränkt werden kann. So wird zum Beispiel durch die Ehrverletzungstatbestände (Üble Nachrede, Verleumdung, Beschimpfung Art. 173-177 StGB) die Meinungsäusserungsfreiheit eingeschränkt.
Die Meinungsäusserungsfreiheit gilt gemäss Rechtsprechung des Bundesgerichts weder auf nationaler noch auf internationaler Ebene absolut. Sie kann – wie jedes andere Freiheitsrecht – aufgrund eines überwiegenden öffentlichen Interesses oder zum Schutz von Grundrechten Dritter eingeschränkt werden.
So kann z.B. die Ausübung der Meinungsäusserungs-, Presse- und Informationsfreiheit das Recht auf Schutz der Persönlichkeit und Privatsphäre beschränken. Die Lösung dieses Grundrechtskonfliktes bedingt eine Güterabwägung unter Berücksichtigung der konkreten Umstände und Interessen. Dies bedeutet, dass ein Gericht entscheiden muss, welchem Recht im konkreten Einzelfall der Vorrang einzuräumen ist.
Bei Rassismus und rassistischer Diskriminierung geht es jedoch gerade nicht um kollidierende gleichwertige Grundrechte. Die Annahme, dass ein solcher Grundrechtskonflikt grundsätzlich auch zwischen Art. 261bis StGB und der Meinungsäusserungsfreiheit besteht, ist aus rechtswissenschaftlicher Sicht ein Irrtum. Die Garantie der Menschenwürde, welche von der Diskriminierungsstrafnorm geschützt wird, ist der unantastbare Kern und die Voraussetzung für die Existenz der übrigen Grundrechte, also auch der Meinungsäusserungsfreiheit. Es widerspräche dem Grundgedanken der Menschenrechte, einem Menschen Freiheitsrechte zuzugestehen, die dieser wiederum nutzen kann, um anderen Menschen ihre Menschenwürde abzusprechen. Es gibt kein Menschenrecht auf Verletzung der Menschenwürde.
Die Menschenwürde ist der unantastbare Kern und die Grundvoraussetzung aller Grundrechte, sie wird von der Diskriminierungsstrafnorm geschützt. Die Meinungsäusserungsfreiheit ist ein wichtiges Grundrecht, sie darf jedoch nicht missbraucht werden, um anderen Menschen die Menschenwürde abzusprechen. Es gibt kein Menschenrecht auf Verletzung der Menschenwürde!
Zum AnfangLetzte Aktualisierung: 20.06.2023