TANGRAM 34

«Humor ist eine Waffe in meinem Mund»

Charles Nguela im Gespräch mit Urs Güney

Urs Güney hat Germanistik studiert und hat ein Jahr Praktikum bei der Fachstelle für Rassismusbekämpfung FRB absolviert. Ausserdem schreibt er als freier Journalist für NZZ Campus und andere Publikationen.
urs_gueney@gmx.ch

Von Vorurteilen lässt sich Charles Nguela nicht unterkriegen. Als Stand-up-Comedian entblösst er mit Sarkasmus und Wortwitz den Alltagsrassismus. Und schafft Gemeinsamkeit, wo zuvor Unwissen war.

Worüber kannst du lachen?

Ironisches macht mich lachen. Und schwarzer Humor! Wenn ich diesen Ausdruck brauche, beziehen es viele gleich auf meine Hautfarbe. Aber auch ich meine damit nur düsteren, bissigen und manchmal etwas anstössigen Humor.

Vor Abgründigem schreckst du also nicht zurück. Kann man denn über alles lachen?

Ja, aber es kommt darauf an, wer es sagt, wie und wo. Witze über Sklaverei empfinde ich meist als verletzend, wenn sie von Weissen kommen. Über Leid sollten nur die scherzen, die gelitten haben. Das kann ein Verarbeitungsprozess sein.

Du selbst kannst ganz schön austeilen und machst dich bei Auftritten beispielsweise über das Einbürgerungsverfahren lustig. War die Einbürgerung für dich wirklich zum Lachen?

Das ist reine Fiktion, ich bin nicht eingebürgert. Bei anderen Nummern schöpfe ich aber aus eigener Erfahrung. Wie die Lehrer mich etwa immer angeschaut haben, wenn sie Rassismus thematisieren wollten. Oder wie man als Dunkelhäutiger beäugt wird, wenn man am Kiosk etwas unschlüssig herumsteht. In der Situation ist das nicht lustig, aber wenn ich nachtragend wäre, könnte ich das Leben nicht mehr geniessen.

Indem du Alltagsrassismus auf der Bühne zerpflückst, hältst du dem Publikum einen Spiegel vor. Wer Leid verursacht hat, sagst du, soll keine Witze darüber machen. Aber lachen ist in Ordnung?

Ich mache mit meinen Witzen ja nicht mich selbst herunter, sondern gebe Vorurteile der Lächerlichkeit preis. Mein Fach in der Comedy ist das Zweideutige, über das man im ersten Moment lacht. Der Aha-Effekt, setzt ein, wenn die Zuschauer längst weggegangen sind. Am nächsten Tag ertappen sie sich vielleicht und verstehen, warum ich einen Witz gemacht habe über genau das Verhalten, das sie jetzt zeigen. Das Thema, das ich einbringe, ist ernst, aber die Stimmung wird durch den Humor aufgelockert. Die Spannung entsteht daraus, dass die Leute sich bewusst werden, was sie womöglich selbst schon getan haben, und trotzdem darüber lachen können.

Verstehst du Comedy als Rassismusprävention?

Dass man mit Humor Vorurteile bekämpfen kann, spüre ich am eigenen Leib. Vor dem Auftritt wollen manche Zuschauer bei mir einen Kaffee bestellen. Danach kommen sie auf mich zu und interessieren sich dafür, woher die Idee für diese oder jene Nummer stammt.

Kannst du mit Komik etwas erreichen, das sich mit Sensibilisierungskampagnen, politischen Initiativen oder dem Engagement in Vereinen nicht machen lässt?

Comedy packt Alltagssituationen an. Ich kann damit scheinbar belanglose Begebenheiten aufgreifen, wie sie sich zum Beispiel in einem Café abspielen. Oder klarmachen, was der Begriff Schwarzfahrer ausdrückt. Die Message kommt besser an als mit erhobenem Zeigfinger. Im Ernst zielt man eher auf das Allgemeine. Umstrittene Initiativen sind oft zu komplex, als dass sie sich für eine Pointe eignen würden.

Schule, Militär, Polizei – du nimmst Institutionen aufs Korn, die vielen Menschen in der Schweiz wichtig sind. Hast du auch schon negative Reaktionen erhalten von Leuten, die finden, das gehöre sich nicht?

Ja, aber mir war vom ersten Tag an klar, dass mich nicht alle mögen werden. Mein Ziel ist es nicht, den Leuten auf die Füsse zu treten, sondern mich gegen die Politik mit der Angst auszusprechen. Ich will die Schweiz nicht schlecht machen! Über manches Problem kann man aber lachen, wenn man es nur mal mit andern Augen anschaut. Man versteht sich auch besser, wenn man sich aufeinander einlässt – zum Beispiel wird klar, warum vielen Ausländern die Schweiz so still und gedämpft vorkommt. In den USA, England oder Frankreich wissen die Leute wohl mehr über Minderheiten. Wenn ich einen Witz darüber mache, dass Dunkelhäutige gerne Poulet essen, verstehen nicht viele, was daran lustig ist. Humor kennt durchaus kulturelle Unterschiede. In der Schweiz ist – zumindest vordergründig – Political Correctness sehr wichtig.

Willst du politisch inkorrekt sein?

Wenn man über heikle Themen reden und lachen kann, bringt das die Gesellschaft weiter. Comedy kann Tabus brechen. Wenn man alles mit Samthandschuhen anfasst, geht man Dingen aus dem Weg, die im Raum stehen und verarbeitet werden müssten. Sie anzusprechen braucht ein wenig Mut, aber von allein ändert sich die Gesellschaft nicht.

Auf deiner Webseite beschreibst du deinen Weg vom Klassenclown und Pausenentertainer zum Comedian – wann hast du eigentlich Humor als Werkzeug für dich entdeckt?

Als letztgeborenes Kind hatte ich schon in der Familie die Rolle des Eisbrechers. Auch in der Schule konnte ich kritische Momente in allgemeines Gelächter verwandeln. In Bewerbungsgesprächen, Polizeikontrollen –
immer wieder sah ich, wie viel Humor im Alltag hilft. Scherzend findet man rasch Zugang zu den Mitmenschen, sieht Gemeinsamkeiten. Im Moment des Lachens sind alle im Raum gleichgestellt. Humor ist eine Waffe in meinem Mund, allerdings eine sehr positive. Wenn Menschen lachen, sieht man ihr wahres Gesicht. Ob jemand boshaft lacht oder von Herzen, erkenne ich sofort. Das ist ein Geschenk an uns Komiker.

Wann hast du entschieden, als Komiker auf die Bühne zu treten?

Vor viereinhalb Jahren habe ich mit Freunden in einer Bar auf Teufel komm raus herumgescherzt. Eine ältere Dame fragte mich danach, ob man mich buchen kann. Im ersten Moment verstand ich gar nicht, was sie meint. Aber es blieb nicht die einzige positive Rückmeldung zu diesem ersten «Auftritt». Freunde meldeten mich dann beim Lenzburger Gauklerfestival an. Dort gelang es mir, ein wirklich grosses Publikum zum Lachen zu bringen. Als ich schliesslich einen Agenturvertrag erhielt, realisierte ich, dass Comedy mehr als bloss ein Hobby ist.

Woher nimmst du die Energie, Erlebnisse auszubreiten, die im ersten Moment schmerzhaft waren?

Nichts hilft schneller, Negatives zu verarbeiten, als Humor. Ich bin nicht der Einzige, der schlechte Erfahrungen gemacht hat, aber auf der Bühne kann ich dagegen antreten. Das empfinde ich geradezu als Verpflichtung. Lachen ist auch Verzeihen. Man kann das Vergangene loslassen: Es war zwar nicht gut, aber wenigstens lustig. Das ist nicht unbedingt einfacher, aber bereichernder als grüblerisch die Ursachen zu hinterfragen. Zu sehen, wie das Publikum nach der Vorstellung aufgeheitert ist, macht auch Mut.

Dunkelhäutiger Comedian, der das Leben in der Schweiz beschreibt – hast du dich durch diese Rollenzuschreibung auch schon eingeschränkt gefühlt?

Nein, ich fühle mich als Vermittler. Ausländische Bekannte fragen mich, wie ich in der Schweiz so gut klarkomme, dass ich mit Humor ernste Probleme ansprechen kann. Schweizer interessieren sich dafür, wie es für mich ist, hier zu leben. Eingeschränkt fühle ich mich von denjenigen, die meinen Auftritt als selbstironische Darbietung missverstehen. Ich muss mir sehr genau überlegen, was ich sage, damit ich keine Stereotype bestärke. Ob die Botschaft ankommt, merke ich an der Art, wie die Zuschauer lachen. Wenn mich jemand nicht verstehen will, kann ich aber nicht viel dagegen tun. Ich kann nur versuchen, sein Umfeld positiv zu beeinflussen.