TANGRAM 34

Das Lachen über die «Anderen»: Anti-Political-Correctness als Hegemonie

Rohit Jain ist Soziologe und Sozialanthropologe und hat an der Universität Zürich über transnationale Subjektivierungsprozesse indischer Second@s aus der Schweiz promoviert. Daneben hat er zu Comedy und Rassismus sowie zur Kommodifikation indischer Exotik in der postkolonialen Schweiz publiziert. Rohit Jain ist Kopräsident der Stiftung Gertrud Kurz in Bern.
rohit.jain@uzh.ch

Autor

Rohit Jain ist Soziologe und Sozialanthropologe und hat an der Universität Zürich über transnationale Subjektivierungsprozesse indischer Second@s aus der Schweiz promoviert. Daneben hat er zu Comedy und Rassismus sowie zur Kommodifikation indischer Exotik in der postkolonialen Schweiz publiziert. Rohit Jain ist Kopräsident der Stiftung Gertrud Kurz in Bern.
rohit.jain@uzh.ch

«Die Komik-Schublade», in der die Figuren und Charaktere stecken, schützt und bewahrt die Zuschauer davor, ihren unbewussten Rassismus einzugestehen. Sie provoziert Dementis.» Stuart Hall, 1989, s.163

Humor ist eine faszinierende soziale Kommunikationsweise: Er erlaubt, ja dient sogar dazu, ambivalente Stimmungen und Erfahrungen zu äussern, für die keine sozialen Konventionen existieren oder solchen widersprechen. Im Kontext von Migration haben humoristische Praktiken daher das Potenzial, hierarchische Ordnungen des Eigenen und des Anderen (wieder)herzustellen, aber auch neue, grenzüberschreitende Beziehungen zu eröffnen. Wann aber ist Humor verbindend und wann wirkt er ausschliessend? Wer hat das Recht oder die Freiheit, über Andere zu lachen und wer muss es sich gefallen lassen, ausgelacht zu werden?

Dieser Artikel reflektiert die Schweizer Politik von Humor und Rassismus der letzten 20 Jahre aus einer sozial- und kulturwissenschaftlichen Perspektive. Im Fokus stehen die Fragen, wie humoristische Bilder in Medien, Politik und Alltag zirkulieren und wie dadurch schweizerische Hierarchien des Eigenen und des Anderen konstruiert wurden.

Der Artikel argumentiert, dass Humor in der Schweiz zu einer strategischen Plattform und alltäglichen Praxis geworden ist, um die Überlegenheit der schweizerischen Dominanzgesellschaft zu markieren. Demnach hat sich seit den 1990er-Jahren ein Diskurs einer Anti-Political-Correctness etabliert, der auf einer Metaebene das Sprechen über Rassismus dominiert. Werden im Kampf ums Lachen daher oft hehre Werte wie Meinungsäusserungsfreiheit oder Satire – oder ganz einfach Spass am Spass – gegen die angeblich prüde Political Correctness ins Feld geführt, trägt das Beharren auf «alten Witzen» nur zu oft zu einer nationalistischen Selbstvergewisserung und zur Legitimation von Rassismus bei. Das Versprechen von Humor nach Veränderung und Kritik kann stattdessen nur durch dessen institutionelle Pluralisierung und Demokratisierung und durch eine rassismuskritische Aneignung erfüllt werden.

«Täschligate»: Lachen über «Rassismushysterie» durch Blackfacing

Als Ausgangspunkt der folgenden Überlegungen soll der sogenannte «Täschligate»-Sketch des Schweizer Fernsehens SRF dienen, der 2013 im satirischen Jahresrückblick Endspott des Deutschschweizer Fernsehens ausgestrahlt wurde.

Sie erinnern sich vielleicht an die so genannte «Täschligate»-Affäre: In einer US-Talkshow erzählte Oprah Winfrey, wie sie sich im Sommer 2013 eine Designer-Handtasche in einer Zürcher Edelboutique ansehen wollte. Sie äusserte die Möglichkeit, dass die Verkäuferin ihr die Tasche nicht zeigen wollte, weil Oprah Winfrey schwarz sei und sich daher die Tasche im Wert von mehreren zehntausend Franken wahrscheinlich nicht leisten könnte. Dieser nebenbei geäusserte «Rassismusvorwurf» –
wie der Blick schrieb – löste in der Schweiz nationale Entrüstung aus. In der öffentlichen Debatte wurde versucht, den moralischen Ruf der Schweiz durch implizite und explizite rassistische Verleumdungen von Oprah Winfrey wiederherzustellen. Der Vorfall beschäftigte die Schweizer Volksseele so stark, dass im satirischen Jahresrückblick Endspott ein Sketch zum Thema ausgestrahlt wurde. Darin spielte Birgit Steinegger ihre schwarz angemalte Paradefigur Frau Mgubi, die in einem Kleidergeschäft offensichtlich zu Unrecht für eine Berühmtheit gehalten wird. Aus Panik vor einem Rassismusvorwurf behandelten die Verkäuferin und der Manager sie absurderweise wie eine VIP.

Schriftsteller Raphael Urweider und Thea-terregisseur Samuel Schwarz beklagten sich daraufhin beim Schweizer Radio und Fernsehen SRF über das im Sketch verwendete blackfacing, eine kulturelle Praxis mit einschlägig rassistischer Geschichte.

Blackfacing war eine der meistverbreiteten Repräsentationen von Rasse in der US-amerikanischen und britischen Populärkultur des 19. und 20. Jahrhunderts. In dem spezifischen Genre der Blackface minstrelsy verkleideten und schminkten sich weisse Bohemiens als schwarze Entertainer, Sklaven oder Vagabunden. Sie parodierten eine imaginierte schwarze Alltagskultur und mimten schwarze Musiktradition. Im Übergang von der segregierten Sklavenhalter- zur durchmischten industrialisierten Gesellschaft diente die Identifikation mit dem schwarzen Müssiggang sowohl als kathartischer Übertritt in eine andere ferne, aber ersehnte Welt als auch zur moralischen Selbstvergewisserung gegenüber diesen «Anderen». «It appears that during this sketch of American cultural history the intercourse between racial cultures was at once so attractive and so threatening as to require a cultural marker or a visible sign of cultural interaction.» (Lott, 1993, s. 6). Das Charakteristische und auch Schockierende an der amerikanischen Geschichte des Blackfacing ist die Tatsache, dass die weisse Dominanzgesellschaft stets das Begehren verspürte, das «schwarze Andere» als Fiktion zu konsumieren und ihm nahe zu sein und es zu kennen, aber reale Begegnungen in der stark segregierten und hie-rarchischen Gesellschaft mied. Die Blackface minstrelsy show prägte die kommerzielle weis-
se Populärkultur bis zu ihrer Ächtung im civil rights movement in den 1960er-Jahren.

Mit ihrer Klage befanden sich Urweider und Schwarz zwar durchaus im Einklang mit der Ächtung dieser Praxis in den USA und anderen Ländern mit schwarzer Bevölkerung und verschiedenen aktuellen europäischen Kampagnen gegen Blackfacing in der Populär- und Hochkultur. Die Kritik provozierte – wie auch beim «Täschligate»-Skandal selbst – auf der Stelle Dementis: Kunstfreiheit, Meinungsäusserungsfreiheit, Spassfeindlichkeit und Intellektualismus.

Wie sollen wir Urweiders und Schwarz, Intervention deuten? Macht diese historische Genealogie die Praxis des Blackfacing in der ethnischen Comedy in der heutigen Schweiz automatisch zu einer rassistischen Praxis? Nein, das vielleicht nicht. Interessant wird der historische Vergleich jedoch, wenn wir fragen, welche soziale Bedeutung und Funktion dieses parodistische Lachen über das «Andere» – und in diesem Fall das Blackfacing – in den Hierarchien zwischen dem Eigenen und dem Anderen einnimmt.

Wie Christoph Gebel, Chef der SRF-Unterhaltungsabteilung, erklärte, sollte der Sketch die angebliche offensichtliche «Rassismushysterie» auf die Schippe nehmen. Warum brauchte es dazu die Kunstfigur Frau Mgubi? Würde da nicht lediglich eine Szene im Backoffice ausreichen, wo Verkäuferin und Manager angesichts einer angeblichen, schwarzen Berühmtheit in Panik verfallen? Es liegt die Interpretation nahe, dass die Verkleidung und die schwarze Maske der Mgubi zur humoristischen Pointe gehörten: Das unerwartete Auftauchen der schwarzen Frau in der weissen und kulturell homogenen Schweiz war selbst das Spektakel! Durch die Überschreitung der rassialisierten, kulturellen und sprachlichen Grenze durch Frau Mgubi im Schweizer Laden – und Birgit Steinegger als Frau Mgubi – kam die Schweiz in einen aufregenden Kontakt mit ihren «Anderen». Zudem funktionierte die Pointe nur, weil die als dümmlich und unzivilisiert dargestellte Frau Mgubi keinesfalls eine Berühmtheit sein konnte. Schwarze Frauen gehören gemäss dieser auf soziale Typen ausgerichteten Comedy-Sprache nicht wirklich zur Schweiz, sondern bewegen sich an den Rändern und bringen den courant normal auf eine vielleicht dümmlich-lustige, aber doch unschweizerische Art durcheinander. Auf der Ebene der Darstellung markierte der Sketch deutlich, wer in der dominanten Lesart zur Schweiz gehört und wer nicht, wer sich selbst repräsentieren kann und wer nicht.

Anti-Political-Correctness: Neue Rechte und ethnische Comedy

Auf geradezu idealtypische Weise zeigten der «Täschligate»-Skandal, der Sketch darüber und die Debatte über den Sketch das Zusammenspiel von rassialisiertem Humor einerseits und der Metaebene des Sprechens über rassialisierten Humor andererseits. Während die Praxis des rassialisierten Humors die Metapolitik antreibt, legitimiert die Metapolitik den rassialisierten Humor.

Die doppelte Verquickung von Humor und Rassismus ist nun kein historischer Zufall oder Ausdruck künstlerischer Individualität. Sie ist eingebettet in die Verschiebungen der Medienlandschaft und der Minderheitenpolitik seit den 1990er-Jahren. Ich möchte sogar behaupten, dass Humor gerade wegen dieser Metapolitik des Rassismus zu einer strategischen Plattform und Praxis geworden ist, um die Überlegenheit der Dominanzgesellschaft gegenüber Minderheiten im Alltag, in den Medien und in der Politik zu festigen.

Der Begriff der Political Correctness (PC) ist in den USA der 1960er-Jahre im Zusammenhang mit dem Civil Rights Movement und dem Feminismus entstanden, um die kulturelle und sprachliche Dimension von rassistischer und sexistischer Macht zu kritisieren. Ab den späten 1980er-Jahren hatte die neokonservative Rechte in den USA begonnen, PC als Zensur der Meinungsäusserungsfreiheit und moralische Diktatur zu diffamieren, um liberale und emanzipatorische Positionen zu affirmative action zu schwächen und die weisse Vorherrschaft zu sichern. In dieser Form einer Anti-Political-Correctness etablierte sich PC als implizites Feindbild in den öffentlichen Debatten der europäischen Migrationsgesellschaften. In der Schweiz wurde dieser Diskurs einer Anti-Political-Correctness bei der Gründung der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus und beim Inkrafttreten der Antirassismusstrafnorm 1995 medial wirksam etabliert und seither weitergeführt. Eine besondere Strategie der neuen Rechten in der Schweiz war es seither, durch ambivalenten, rassistischen Humor, die schon strukturell schwachen, antirassistischen Institutionen der Lächerlichkeit preiszugeben. Wir erinnern uns etwa an die aufmüpfigen Neger-Zitate des damaligen Parteipräsidenten der Schweizerischen Volkspartei SVP und heutigen Bundesrats Ueli Maurer im Jahr 2003.

Diese Formierung der neuen Rechten und des Anti-Political-Correctness-Diskurses war eng verknüpft mit der Etablierung der Comedy als neuem Fernsehgenre. Comedy wurde von deutschen Privatsendern in den 1990er-Jahren aus den USA importiert und sollte angesichts des zunehmenden Wettbewerbs auf dem Privatfernsehmarkt die gesellschaftliche Mitte ansprechen und Einschaltquoten sichern. Im neuen Genre der Comedy wurden – im Gegensatz zum subtilen gesellschaftskritischen Moralin des Kabaretts – in einem karnevalesken Spektakel soziale Konventionen und moralische Tabus über den Haufen geworfen, damit das Publikum der körperlichen Selbstkontrolle des Alltags entkommen konnte. In der Verteidigung von exzessivem Spass gegenüber moralischen Bedenken inszenierte der stereotype, brachiale Humor explizit oder implizit stets den Bruch mit Political Correctness. Witze gegen Frauen, Homosexuelle oder ethnische Minderheiten erfüllten dieses Bedürfnis nach Psychohygiene und ermöglichten gleichzeitig, die Mitte der Gesellschaft als Publikum zu binden, die sich im blinden Fleck des spöttischen Fernsehblickes befand. Die späten 1990er-Jahre sahen demnach eine Zunahme der ethnischen Comedy: Rajiv Prasad in der Schweiz (ab 1998), Ali G. in England (2000), Stefan und Erkan (2002–2004) oder Kaya Yanar in Deutschland (ab 2001) oder eben Frau Mgubi sind nur einige Charaktere dieser ethnisch-humoristischen Landschaft Europas.

Ich argumentiere, dass diese Comedys, ohne es allenfalls zu wollen, die Anti-PC-Positionen der Neuen Rechten in der Mitte der Gesellschaft salonfähig gemacht haben. Die Macher dieser Comedy, deren Fans und Verfechter waren oft keine Rechtswähler – oft gerade nicht. Gerade im Fall von Viktors Spätprogramm, das im Jahr 2000 von der EKR wegen Verbreitung rassistischer Stereotype im Fall der Figur Rajiv Prasad gerügt wurde, richtete sich der Spott sowohl gegen die angeblich humorlose Kritik der EKR als auch gegen die SVP, deren Nationalrat Christoph Mörgeli die EKR bewusst provoziert hatte (Jain 2012). In der ethnischen Comedy konnte sich die liberale oder bürgerliche Mitte im Namen von Satire sowohl von rechten Scharfmachern als auch gegen die angebliche Zensur der politisch Korrekten abgrenzen. Der angeblich authentische Sarrazinsche Gestus gegen das Gutmenschentum und das Establishment wurde im Lachen auf eine unverfängliche, ja spassvolle Weise repetiert und inkorporiert, ohne gerügt zu werden: «Endlich sagt es mal einer!» In dieser Zelebrierung der Opferperspektive durch die Dominanzgesellschaft liegt
der ideologische Dreh der Anti-Political-Correctness. Die Beziehung der Dominanzgesellschaft gegenüber ihren «Anderen», die in ethnischen Comedys offensichtlich verhandelt wird, wird unsichtbar gegenüber der offensichtlichen Gängelung des Volkes durch die politische oder intellektuelle Klasse.

Die ethnische Comedy hat sich also auf populärkulturelle und unverfängliche Weise in der Mitte der Gesellschaft verankert, was die neue Rechte um die SVP politisch seit den frühen 1990er-Jahren vorangetrieben hat: die liberale Legitimation rassistischen Sprechens und die gleichzeitige Delegitimation von Rassismuskritik. Dass rassialisierter Humor in der Comedy im Falle des Deutsch-Türken Kaya Yanar gerade von einem Angehörigen einer Minderheit selbst zelebriert wurde, legi-timierte die Anti-Political-Correctness in der Dominanzgesellschaft natürlich umso stärker. Während Yanar in einem subkulturellen Zusammenhang durchaus subversives Potenzial hat, markierten seine Comedys – und er selbst! –im Rampenlicht der Primetime die hegemoniale Unterscheidung in liberal-humorvolle und traditionell-unassimilierbare Türken.

Der europaweite Höhepunkt der doppelten Verquickung von Rassismus und Humor, von Rassismus der neuen Rechten und ethnischer Comedy der Mitte, waren zweifellos die dänischen Mohammed-Karikaturen. Auf einen Schlag konnte durch gezielten, rassialisierten Humor glaubhaft gemacht werden, dass vielen Musliminnen und Muslimen Meinungsäusserungsfreiheit, Humor und Satire fremd sind. Und umgekehrt legitimierte die politische Debatte den rassialisierten Humor als strategische Plattform im «Kampf der Zivilisationen».

Demokratische Repräsentationspolitik und Vielfalt des Humors

Dem Humor – sogar in Form einer dominanzgesellschaftlichen, stereotypen Parodie des «Anderen» – wohnt durchaus das Potenzial inne, interkulturelle Hierarchien zu verschieben und Grenzen abzubauen. Wenn Humor als Raum für vielfältige, ja karnevaleske Gemeinschaft dienen soll, muss er erstens einen Blick von aussen zulassen und selbstreflexiv sein und sich entschuldigen können, statt sich reflexartig und aggressiv zu verteidigen. Das grenzüberschreitende und utopische Potenzial des Humors wird sofort ins Gegenteil verkehrt, wenn die Offenheit des Humors für die politische Selbstvergewisserung der Dominanzgesellschaft geschlossen wird. Zweitens muss sich das humoristische Versprechen einer vielfältigen Gemeinsamkeit auch in den sozialen Beziehungen und Institutionen niederschlagen. Die «Fremden» sollen auch über das «Eigene» und alle zusammen über einander lachen können – im Staatsfernsehen, in der Familie und auf der Strasse oder wo sonst auch immer. An dieser ästhetischen und institutionellen Vielfalt des Lachens, des Humors, ja der politischen und kulturellen Repräsentation überhaupt mangelt es in der Schweiz. Der Kampf der Mehrheitsgesellschaft darum, den einen alten Witz doch lustig finden zu dürfen, ist verräterisch. Die aufgebaute Drohkulisse einer Lawine der Political Correctness, die einem den kulturellen Boden des Gewohnten unter den Füssen wegreissen würde, wenn im Einzelfall nachgegeben würde, führt in eine ethische und humoristische Sackgasse. Stattdessen liesse sich fragen, welche neuen Formen von Humor und sozialen und interkulturellen Beziehungen entstehen könnten, wenn wir dieses Beharren aufgeben würden.

Die Schweiz ist zwar keine Sklavenhaltergesellschaft, jedoch ist auch sie von einer segregierten Öffentlichkeit geprägt. Nicht nur hat knapp ein Fünftel der volljährigen Bevölkerung keine politischen Rechte. Auch bezüglich der medialen Repräsentation herrscht eine Segregation vor. Über Ausländerinnen und Ausländer wird unterproportional und vor allem problemorientiert berichtet. Menschen mit Migrationshintergrund haben weniger Artikulationschancen und sind in der Produktion, in der Redaktion und im Agenda-Setting der Medien kaum oder durch hegemoniale Positionen vertreten. Die Ignoranz gegenüber einer schweizerischen Bevölkerung mit Migrationshintergrund zeigt sich auch in der SRF-Comedy-Kultur: Es wird gar nicht daran gedacht, dass schwarze Menschen die Sendung schauen und sich an Blackfacing –
dem Symbol rassistischer US-Segregation per se – stören könnten. Und wenn doch, dann sind sie halt immer noch nicht integriert. Kurz: Kritik provoziert Dementis.

Was ist das Fazit dieser Überlegungen? Lachen ist frei, aber nicht unpolitisch. Humor ist subtil, aber nicht einfach persönlich. Jedes noch so idiosynkratische Lachen ist immer auch Produkt einer Humorhierarchie, die festlegt, wer mit wem worüber lachen darf und wer erdulden muss, ausgelacht zu werden, ohne sich wehren zu können. Der Kampf gegen die Kritik am Gelächter der Mehrheit über die Minderheit ist deshalb stets auch ein Kampf für das Gelächter der Mehrheit über die Minderheit. Das Versprechen des Humors nach Veränderung und Kritik kann stattdessen nur durch dessen institutionelle Pluralisierung und Demokratisierung und eine antirassistische Aneignung erfüllt werden. Es reicht dabei nicht aus, die Repräsentationsquote der «Anderen» zu erhöhen und Angehörige von Minderheiten in die herrschenden Institutionen zu assimilieren. Es geht vielmehr auch um eine neue politische Kultur von Differenz und Zugehörigkeit in einer multikulturellen, demokratischen Gesellschaft. Der Mut zu einem anderen Humor und zu einer anderen Humorhierarchie würde einen Weg in diese Richtung eröffnen.

Bibliographie

Stuart Hall, «Die Konstruktion von ‹Rasse› in den Medien», in: Ideologie, Kultur, Medien, Neue Rechte, Rassismus, Argument Verlag, Hamburg, 1989.

Rohit Jain, «Die Comedyfigur Rajiv Prasad in Viktors Spätprogramm – (post-)koloniales Phantasma und die Krise des ‹Sonderfalls Schweiz›», in: Postkoloniale Schweiz. Formen und Folgen eines Kolonialismus ohne Kolonien, transcript, Bielefeld, 2012.

Eric Lott, Love & Theft. Blackface Minstrelsy and the American Working Class, Oxford University Press, New York/Oxford, 1993.