TANGRAM 34

Humor – für wen, gegen wen?

Autorin

Doris Angst ist stv. Schweizer Delegierte bei der ECRI und lehrt an der Fachhochschule Bern. Sie war bis am 30. September 2014 Geschäftsführerin der EKR.
dorisangst.hrightsexpert@gmail.com

Wo hört der Spass auf? Wo hat die Meinungsäusserungs- und Kunstfreiheit ihre Grenzen? Einige Beispiele der letzten Jahre geben Antworten.

Es ist eine Eigenschaft rassistischen Verhaltens, humorlos und respektlos zu sein. Rassismus dient laut Definition von Albert Memmi «der Aufwertung des Täters zu Lasten des Opfers».1 Humor kann als Mittel der Herabwürdigung und Unterdrückung eingesetzt werden, wie wir schon seit des «Stürmers» Zeiten wissen. Rassistische Witze sollten deshalb als Rassismus gewertet werden, zumal wenn diese sich gegen bereits minorisierte und unterprivilegierte Gruppen richten. In der sogenannten «Hasspyramide» der Jewish Anti-Defamation League ADL wird deshalb der rassistische Witz als eine Vorstufe zu Diskriminierung genannt.2 Selbstironie gegenüber der eigenen minoritären Situation und in der Auseinandersetzung mit der Mehrheit wiederum kann eine Waffe der Abwehr darstellen. Der jüdische Witz ist eine solche selbstironische Reflexion, der «Judenwitz» jedoch antisemitische Hetze. Dem Rassismusverbot muss die rechtliche Beurteilung die Meinungsäusserungs- und Kunstf

Strapazierte Kunstfreiheit

1996 hing im Rahmen einer Ausstellung ein Bild in einem öffentlichen Restaurant, das den Kopf der amtierenden Bundesrätin auf einem nackten Männerkörper mit einer zum Hitlergruss ausgestreckten Hand zeigte, von welcher Strahlen auf die Basilius-Kathedrale flossen. Das Bild wurde eingezogen, von einem Strafverfahren sah die Strafverfolgungsbehörde ab, da keine rassistische Absicht bestanden habe. Die von der Künstlerin im Rekurs angerufene erste gerichtliche Instanz gab das Bild wieder frei und verneinte eine Herabwürdigung der Menschenwürde durch das Werk, das sich aus mehreren Komponenten zusammensetze und dem eine künstlerische Absicht zugrunde liege (Grundrecht der Kunstfreiheit).3

Mehrmals stellte sich die Frage, ob Fasnachtsverse ebenfalls von der Kunstfreiheit gemäss Art. 21 BV profitieren, was generell bejaht wird. In der Phase der stark antisemitisch gefärbten Debatte um die nachrichtenlosen jüdischen Vermögen auf Schweizer Bankkonten im Jahr 1997 wurden aber der Verfasser und die Vorführenden einer öffentlich vorgetragenen Schnitzelbank der Rassendiskriminierung schuldig gesprochen und mit je 200 Franken gebüsst. Das Gericht beurteilte die Verunglimpfung jüdischer religiöser Bräuche, die Verwendung des Topos des «geldgierigen Juden» und schliesslich die Belustigung über den gelben Stern, das Symbol der Judenverfolgung, als die Menschenwürde verletzenden Rassismus gemäss Art. 261bis Abs. 4 Hälfte 1. Das Gericht befand zudem, eine fasnächtliche Belustigung sei auch ohne den inkriminierten Vers möglich.4 Im gleichen Jahr stellte ebenfalls im Kanton Zürich die zuständige Strafverfolgungsbehörde das Verfahren gegen einen stark herabsetzenden Fasnachtsvers, der gegen «Asylbetrüger» gerichtet war, ein. Es werde damit keine spezifische Ethnie oder Religion angegriffen und mit der Bezeichnung Asylbetrüger sei klar, dass die Verfasser nur diese Gruppe im Visier hatten.5

Medienethische Überlegungen

Der Konflikt um die sogenannten Mohammed-Karikaturen von 2005 wurde zwar ausserhalb der Schweiz ausgetragen, schlug aber auch hier hohe Wellen. Obwohl das Umfeld, in welchem diese Karikaturen in Dänemark geschaffen wurden, in der Grundhaltung als rassistisch gelten musste, ging es bei der in der Schweiz geführten Auseinandersetzung um die Freiheit der Satire an sich. Die EKR schilderte in ihrer Studie «Mehrheit und muslimische Minderheit in der Schweiz» 2006 die öffentliche Debatte dazu und zitierte unter anderem die Stellungnahme des Schweizer Presserats. Dieser hielt fest, aus der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» sei ein Anspruch religiöser Gemeinschaften abzuleiten, nicht in ihrer religiösen Überzeugung verhöhnt zu werden. Es gehöre aber auch zur westlichen Medienethik, dass sich alle Religionen und deren Mitglieder Karikaturen gefallen lassen müssten. Der Schweizer Presserat sprach sich für die künstlerische Freiheit der Kritik an mächtigen Personen und Institutionen aus und führte Beispiele heftiger Kritik auch an solchen des Christentums an. Die Gleichsetzung von Islam und islamistischem Terrorismus sei hingegen in ihrer Pauschalisierung diskriminierend.6

Politische Provokation

Als geschmacklos und fremdenfeindlich, aber nicht als strafrechtlich relevant, stufte die Staatsanwaltschaft Zürich 2011 ein Flugblatt mit einem Politrätsel der Schweizer Demokraten SD des Kantons Zürich ein. Auf die Frage, genauer Feststellung «Es ist auch für sie besser, auf ihrem Kontinent zu bleiben» war das Wort «Neger» einzusetzen. Der Entscheid war konsistent mit der gerichtlichen Praxis, dass die alleinige Verwendung der Bezeichnung «Neger» keine Rassendiskriminierung darstellt. Die EKR war allerdings der Meinung, dass hier die rassistische Absicht klar gegeben war – wurde doch diesem Begriff «die Weissen» und ein «weisses Zürich» als positiver Wert gegenübergestellt und das Ganze als politische Provokation und Wahlpropaganda veröffentlicht.

Schliesslich ging die EKR im Jahr 2000 einer gezielten Provokation auf den Leim, als Nationalrat Christoph Mörgeli in einer Kolumne forderte, sie solle anstatt sich mit vermeintlich antisemitischen Fasnachtsversen zu befassen, besser den Satiriker Victor Giacobbo für die von ihm geschaffene Kunstfigur des «Rajiv»7 als geldgierigen und sexistischen Asiaten «wegen fortgesetzter Beleidigung indischer Mitmenschen vor Gericht bringen». Nationalrat Mörgeli gelang damit ein Coup gegen seine beiden politischen Feinde, denn die Medien wollten umgehend von der Kommission wissen, wie sie den «Fall» beurteile, und von Viktor Giacobbo, ob er sich denn in seiner künstlerischen Freiheit von Beamten einschränken lasse.8 Die Kommission gelangte zur Meinung, dass hier nicht eine Ethnie in ausgrenzend-rassistischer Absicht verunglimpft werde, sondern Giacobbos satirisches Personenkarussell von vielen weiteren überzeichneten Figuren besetzt sei, man denke nur an die stark sexistisch karikierte Debbie Mötteli und den Proleten Harry Hasler, ganz zu schweigen von amtierenden Parteipräsidenten und Bundesräten. Dennoch schätzte die EKR die Überzeichnung von «Rajiv» als extrem ein – Menschen aus Indien könnten sich durchaus von der Figur herabgewürdigt fühlen. In der Folge, aber erst nachdem er auch die Kommission mit seiner Satire «aufgespiesst» hatte, liess Giacobbo «Rajiv» in leicht gemässigter Form auftreten. Zu wenig, muss man im Rückblick sagen, reflektierte die EKR damals das angewandte Blackfacing, die karikierende Darstellung einer schwarzen Person durch eine Weisse, das in einen postkolonialen Kontext gehört. Dies war 2013 anders: Birgit Steineggers Darstellung von «Frau Mgubi» mit Blackfacing im Schweizer Fernsehen in Anspielung auf den Boutiquebesuch von Oprah Winfrey in Zürich rief weitherum Empörung hervor. Anti-Schwarzer Rassismus ist seit 2000 ein Thema geworden.9 In der EKR begann die spezifische Auseinandersetzung damit in den Vorbereitungen auf die Weltkonferenz gegen Rassismus in Durban von 2001.10

Humor, Rassismus und stereotypisierende Darstellungen

Die Position der EKR war stets auf die feine Unterscheidung gerichtet, wem der Humor dienen sollte und gegen wen er in offener oder versteckt rassistischer Absicht zielte. Anders als die Justiz machte sie dabei keinen Unterschied zwischen direkt genannten Ethnien und Angriffen auf Gruppen wie «Asylanten», «Ausländer» – im Sinne eines umfassenden Engagements gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit zu Recht. Sich der Wirkung von stereotypisierenden Darstellungen in der Gesellschaft bewusst zu werden und sich stärker von gezielten Verunglimpfungen, die sich nur mit dem Mäntelchen «Humor» oder «Satire» tarnen, abzugrenzen, ist nicht nur eine Aufgabe von «Comedy», sondern jedes öffentlich auftretenden Meinungsmachers, jeder Meinungsmacherin und auch der Justiz. Begrüs-senswert, dass die Öffentlichkeit heute stärker sensibilisiert ist als noch vor zehn Jahren.

1 Albert Memmi, Rassismus, Frankfurt/M 1992, S. 164, siehe
www.ekr.admin.ch/themen/d376.html

2 Z.B. zu finden auf der Website der University of California Shoa Foundation, http://sfi.usc.edu/education/pyramid/exercise.php

3 EKR, Sammlung Rechtsfälle 1996-010N und 1997-002N.

4 Ebd., 1997-022N.

5 Ebd., 1997-011N.

6 Schweizer Presserat, Stellungnahme 21. 3. 2006, Nr. 12/2006, zitiert bei: EKR, Mehrheit und muslimische Minderheit in der Schweiz, Bern, 2006, S. 21.

7 Siehe die kultursoziologische Analyse der Figur «Rajiv»: Rohit Jain, «Die Comedyfigur Rajiv Prasad in Victors Spätprogramm. Post_koloniales Phantasma und die Krise des ‹Sonderfalls Schweiz›», in: Patricia Purtschert u.a., Postkoloniale Schweiz. Formen und Folgen eines Kolonialismus ohne Kolonien, Bielefeld, 2012, S. 175–199. Ich schliesse mich Jains Interpretation allerdings nur zum Teil an.

8 Christoph Mörgeli, Solothurner Zeitung, 1.10.2000; Christoph Wamisters Kommentar «Vergifteter Köder», Basler Zeitung, 6.10.2000.

9 Siehe Anm. 7. Auch: EKR, Tangram Nr. 33: Anti-Schwarzer Rassismus, Juni 2014.

10 Eidgenössische Kommission gegen Rassismus EKR, Nationale Tagung 2002: Schatten der Vergangenheit und die Macht der Bilder – Rassismus gegen Schwarze in der Schweiz.