TANGRAM 36

Kunstschaffende über die Festung Europa

Das Festival Belluard in Freiburg setzte sich vom 25. Juni bis 4. Juli 2015 in verschiedenen zeitgenössischen Kunstformen mit dem Thema «Festung Europa» auseinander. Sieben künstlerische Projekte, die in einer Projektausschreibung ausgewählt wurden, thematisierten auf unterschiedliche Weise die Abschottung Europas gegenüber Migrantinnen und Migranten und Flüchtlingen. Viele Kunstschaffende fühlten sich veranlasst, sich mit diesem aktuellen Thema zu befassen, ohne Lösungen vorzuschlagen, jedoch mit empathischen, vielfältigen, nuancierten Visionen.

Im Rahmen des Festivals wurde unter anderem das «Realitätenkabinett» realisiert, ein interaktives Projekt, bei dem Migrationsexpertinnen und -experten in verschiedenen Salons über einen spezifischen Aspekt der Festung Europa debattierten. Die Themen und Referentinnen und Referenten wurden bewusst in Freiburg und in der Umgebung gesucht, um das vor Ort vorhandene Wissen sichtbar zu machen. So erzählte beispielsweise der Leiter eines Heims für Asylsuchende über seinen Alltag, eine Forscherin zu europäischem Migrationsrecht erklärte die Pläne zur Auslagerung der Asylbeantragung; ein Ethnologe sprach über Wahrscheinlichkeit und Glaubwürdigkeit im Anerkennungsverfahren; eine interkulturelle Übersetzerin berichtete über ihren Weg vom Iran in die Schweiz und über die Erfahrungen bei ihrer aktuellen Arbeit. Durch den Austausch in dieser kleinen Runde konnten die hierarchischen Beziehungen zwischen den Personen aufgebrochen und eine sonst oft sehr polemisch geführte Debatte vertieft werden.

Der Rahmen des Belluard Festivals in einer Festung des 15. Jahrhunderts – Spur der alten Befestigungsanlagen der Stadt Freiburg – entsprach dem Thema der Auflage 2015, die beim Publikum sehr guten Anklang fand. Sich mitzuteilen, zu hinterfragen und gemeinsam zu reflektieren sind Möglichkeiten, die Migration besser zu leben und zu verstehen. Das Belluard Festival hat gezeigt, dass die Kunst auch ein geeignetes Mittel für die Debatte und die Horizonterweiterung bei einem so komplexen und kontroversen Thema wie der Aufnahme von Flüchtlingen darstellt.