TANGRAM 36

«Migranten sind Menschen wie du und ich. Sie haben einen Anspruch auf Menschenrechte»

Zusammenfassung des Artikels
« Les migrants sont des gens comme nous, et tout comme nous, ils ont des droits » (französisch)

Autor

François Crépeau, Professor für Internationales Recht an der McGill Universität Montreal und Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen für Migrations-Menschenrechte.
francois.crepeau@mcgill.ca

Es gibt derzeit rund um den Globus über 232 Millionen Migrantinnen und Migranten, davon lassen sich 59 Prozent in entwickelten Ländern nieder, wo sie 11 Prozent der Bevölkerung ausmachen. Auch innerhalb Europas hat die Finanzkrise in jüngster Zeit zu grossen Migrationsbewegungen geführt. In der globalisierten Welt ist die Migration zu einem wichtigen Faktor des Wirtschaftswachstums geworden: Dank ihr werden Kosten minimiert und Gewinne maximiert. Auch aufgrund der Alterung der Bevölkerung in den meisten Industrieländern wird die Rekrutierung von Migrantinnen und Migranten als Arbeitskräfte aller Qualifikationsniveaus immer wichtiger.

Menschen sind immer migriert, die einen freiwillig und unter würdigen Voraussetzungen, die andern unfreiwillig aufgrund von Armut, Diskriminierung, Gewalt, politischer Instabilität. Künftig wird es wohl auch aufgrund wahrscheinlicherer Naturkatastrophen vermehrt zu Migration in Form voraussehbarer Mobilität kommen. In der kommenden Zeit werden nicht weniger Flüchtlinge, insbesondere aus Syrien, in den EU-Ländern Asyl beantragen. Dies muss Europa veranlassen, eine klare Verteilstrategie zu entwickeln und Alternativen gegen das Schlepperwesen zu finden.

Die Schweiz kann dabei eine Schlüsselrolle spielen, indem sie technische und finanzielle Unterstützung leistet und eine angemessene Zahl von Flüchtlingen aufnimmt. Sie kann für ihre Vielfalt einstehen und den Migrantinnen und Migranten eine Stimme verleihen, indem sie eine Nationale Menschenrechtsinstitution basierend auf den Pariser Prinzipien gründet. Sie muss auch gewährleisten, dass alle Migrantinnen und Migranten Zugang zum Rechts-, Bildungs- und Gesundheitssystem haben. Es braucht Gesetze gegen Missbrauch, Drohung und Gewalt gegen Migranten. Ungeregelte Immigration ist kein Verbrechen. Der politische Diskurs muss darauf hinweisen, dass die Migration ein Land bereichert, insbesondere in einer Zeit, wo sie zunehmend als Bedrohung wahrgenommen wird.