TANGRAM 34

Von der Anprangerung zur Selbstironie – der Rassismus im französischen Humor

Zusammenfassung des Artikels
«Des figures repoussoirs à l’autodérision, le racisme dans l’humour en France» (französisch)

Autorin

Nelly Quemener ist Dozentin für Informations- und Kommunikationswissenschaften an der Sorbonne Nouvelle – Paris 3. Sie befasst sich in ihrer Arbeit mit Gender, Klasse und Rasse in der medialen Darstellung. Sie ist Autorin von Le pouvoir de l’humour. Politiques des représentations dans les médias en France (2014) und zusammen mit Maxime Cervulle Koautorin von Cultural Studies: Théories et méthodes (erscheint 2015).
nellyquemener@gmail.com

Zuerst in Form der Anprangerung, dann in Form der Rückeroberung – in Frankreich war der Humor immer ein beliebtes Mittel, um Rassismus zu thematisieren. Paradoxerweise waren ethnische Minderheiten lange Zeit von der Humorszene ausgeschlossen. Mehr noch, sie waren mit Stereotypisierungen konfrontiert, bei denen zuweilen sogar noch stark die für die Kolonialzeit typische Vorstellung vom Wilden zum Ausdruck kam (Blanchard, 2001). In einer ersten Phase wurde der Rassismus von aussen definiert und «Ausschluss» oder «Hass» einem Diskurs der «Integration» und «Gleichstellung» gegenübergestellt. Erst in den 1990er-Jahren wurde dieser Aspekt dann erweitert durch die reflektierte Thematisierung der willkürlichen Formen der Stereotypisierung.

Zuerst stellten weisse Komiker den Rassismus als Hassgefühl gegenüber Einwanderern dar, das durch Lachen entlarvt und durch eine individuelle Bewusstwerdung bekämpft werden sollte. Die Form der Thematisierung veränderte sich allerdings, als auch Repräsentanten ethnischer Minderheiten in der Humorszene auftraten. Es entwickelte sich eine Komik, die die Logik der Stereotypisierung entlarvte und ihren Wahrheitsgehalt hinterfragte. Diese Selbstreflexion führte zur Geltendmachung und Wertschätzung vielfältiger Identitäten und schaffte eine Barriere gegenüber reduzierenden Vorstellungen. Die Entlarvung der Stereotypisierungsprozesse und ihrer Auswirkungen auf die Subjektivitäten fand ihren Höhepunkt in der sog. Stand-up Comedy-Bewegung, die 2006 in Frankreich aufkam.