TANGRAM 33

Feministische Pionierarbeit. Interview mit Zeedah Meierhofer-Mangeli

Zeedah Meierhofer-Mangeli, Sozialanthropologin und Pädagogin, setzt sich seit Jahren intensiv mit Migration, Minderheiten und Genderfragen auseinander. In Zürich hat sie den Treffpunkt Schwarzer Frauen aufgebaut.
zeedah@runbox.com

Das Interview führte Rob van de Pol. Er studierte Politikwissenschaften und arbeitet als Berufsschullehrer in Zürich.
vaporob@gmail.com

Zeedah Meierhofer-Mangeli hat vor gut 20 Jahren zusammen mit anderen Aktivistinnen den Treffpunkt Schwarzer Frauen in Zürich gegründet. Der Treffpunkt galt als Anlaufstelle für die Sorgen und Anliegen schwarzer Frauen in der Deutschschweiz. Anlässlich des 20-jährigen Jubiläums ist das Buch «Terra incognita?» entstanden.

Zusammen mit Shelley Berlowitz und Elisabeth Joris haben Sie das Buch «Terra incognita?» über den 1993 gegründeten Treffpunkt Schwarzer Frauen in Zürich herausgegeben. Was waren die Beweggründe für dieses Buch?

Die Arbeit, die wir in den letzten 20 Jahren mit dem Treffpunkt Schwarzer Frauen geleistet haben, war und ist eine Pionierleistung. Spätestens mit dem 20-jährigen Jubiläum schien der richtige Zeitpunkt gekommen zu sein, um einerseits die geleistete Arbeit zu würdigen, andererseits die vielen Geschichten und Eindrücke schriftlich festzuhalten. Damit sollen unsere Erfahrungen dokumentiert und anderen Gemeinschaften in Zürich und der Schweiz zur Verfügung gestellt werden.

Das Buch dokumentiert und beleuchtet den Treffpunkt Schwarzer Frauen in Zürich unter anderem aus Sicht der Aktivistinnen. Viele betonen, wie wichtig der Treffpunkt war, um sich auszutauschen und sich in der Schweiz zurechtzufinden. Hatte der Treffpunkt somit primär eine sozialintegrative Funktion? Gab es damals keine anderen Anlaufstellen?

In der Tat gab es damals keine Anlaufstelle, die vergleichbar auf unsere Bedürfnisse zugeschnitten war. Mit dem Treffpunkt sollten daher gleich mehrere Ziele verfolgt werden: Erstens war er eine Plattform für den soziokulturellen Austausch. Der Erfahrungsaustausch stiftete ein Gefühl der Gemeinsamkeit, wobei das individuelle Anderssein stets toleriert wurde. Zweitens wirkte der Treffpunkt sozialintegrativ, indem die vielen Fragen und Sorgen, die im Treffpunkt zur Sprache kamen, diskutiert wurden und nach Lösungen gesucht wurde. Drittens waren die Aktivistinnen des Treffpunkts sichtbare Pionierinnen im Kampf gegen Rassismus und Sexismus. Wir gaben Kurse an Gymnasien über Identitätsfragen, gingen an Frauendemonstrationen, ans Afro-Pfingsten-Festival in Winterthur, verteilten Flyer in Gewerben an der Langstrasse, organisierten im Quartier (Zürich-Wiedikon) jeden Monat Infoessen.

Die Aktivistinnen des Treffpunkts hatten höhere Ausbildungen, kamen aus Mittelschichtfamilien, sprachen oftmals mehrere Sprachen und waren in der feministischen Bewegung aktiv. Wurde der Kontakt zu minderprivilegierten schwarzen Frauen in der Schweiz gesucht?

Natürlich. Wir waren und sind stets offen für die Anliegen aus verschiedenen Personengruppen und als Organisation sozial durchmischt, denn nicht alle Aktivistinnen hatten eine höhere Ausbildung. Dieser Facettenreichtum wirkte stets zu unseren Gunsten, da wir die Anliegen aus verschiedenen Blickwinkeln sehen und angehen konnten.

Im Buch wird immer wieder erwähnt, dass schwarze Frauen damals wie auch heute Opfer von Alltagsrassismus sind. Können Sie konkrete Beispiele nennen, wie sich dieser alltägliche Rassismus manifestiert?

Ein Beispiel ist das racial profiling. So werden dunkelhäutige Personen bei Billett-, Polizei- oder Ladenkontrollen viel häufiger als mögliche Täter/innen eingestuft und daher mehr kontrolliert als andere Personengruppen. Zudem stehen wir oftmals unter einem Generalverdacht, wie das Beispiel einer Gruppe schwarzer Frauen zeigt, die die Parfümerieabteilung im Globus betritt. Die Angestellte sagt leise zu ihrer Mitarbeiterin: «Bei denen musst du aufpassen, die sind schnell.»

Gibt es aus Ihrer Sicht eine spezifische Form des Rassismus gegenüber schwarzen Frauen?

Rassismus ist ein Machtgefälle und basiert auf Vorurteilen. Vorurteile gründen wiederum auf Stereotypen. Folglich ist die spezifische Form von Rassismus gegenüber schwarzen Frauen mit der Stereotypisierung von schwarzen Frauen verbunden. Solche Stereotype sind zum Beispiel die Annahme, dass schwarze Frauen wegen der Prostitution oder wegen eines Mannes, den sie im Ausland kennengelernt haben und dem sie dann in die Schweiz gefolgt sind, hier sind. Oder die Vorstellung, dass schwarze Frauen «leicht zu haben sind», weil sie arm und bedürftig seien. Auch wird schwarzen Frauen ohne Grund eine niedrige Ausbildung zugeschrieben.

Der Kampf gegen rassistische und andere Formen der Diskriminierung kann manchmal einem Kampf gegen Windmühlen gleichen. Woher nahmen und nehmen Sie die Energie und Motivation, diesen Kampf weiterzuführen?

Es wird nie einen Tag geben, an dem man sagen kann: «Jetzt ist der Kampf vorbei. Genug ist genug.» Der Kampf gegen Diskriminierung und Unterdrückung ist ein sehr wichtiger Kampf, den man nicht in einer Generation ausficht. Er ist ein Vermächtnis, welches wir von unseren Müttern, Vätern und anderen übernommen haben und das wir an die nächste Generation weiterreichen werden. Im Idealfall geschehen gesellschaftliche Verbesserungen. Das alleine muss eine Motivation sein.

Gibt es einen konkreten Ratschlag, den Sie einer frisch zugewanderten schwarzen Frau heutzutage geben würden?

Integration ist sehr wichtig und man muss sich darum bemühen. Allerdings bedeutet Integration kein Zwang zur Anpassung.

Im Buch schreiben Sie, dass Sie aus Gründen der Psychohygiene stets reagieren mussten, wenn Sie rassistisch beleidigt oder diskriminiert wurden. Haben Sie diesbezüglich die Zivilcourage Ihrer Mitmenschen vermisst?

Leider sehr oft. Mir fehlt die Zivilcourage meiner Mitbürger/innen, wenn etwas Unrechtes mit dunkelhäutigen Menschen passiert –
und niemand einschreitet. Gleichzeitig respektiere ich, dass viele Menschen Hemmungen haben, sich zu exponieren.

Wie hat sich, wenn überhaupt, die Situation schwarzer Frauen in der Schweiz in den letzten Jahrzehnten verändert?

Es leben heute mehr schwarze Frauen in der Schweiz als vor 20 Jahren. Wir sind im öffentlichen Raum präsenter und sichtbarer geworden. Und zwar ist ein positives Image von uns präsent. Durch unsere wachsende Anzahl wirken wir weniger exotisch und werden als normaler Teil der Gesellschaft wahrgenommen. Die Behörden sind unseren Anliegen gegenüber sensibler geworden. Die Kommunikation zwischen ihnen und uns als Stellvertreter von Interessen, Anliegen und Bedürfnissen schwarzer Frauen hat sich verbessert und es herrscht mittlerweile eine gegenseitige Wertschätzung.

Obschon der Treffpunkt Schwarzer Frauen in Zürich physisch nicht mehr existiert, sind sie immer noch in der virtuellen Welt auffindbar. Welche Dienstleistungen werden heute von Ihnen angeboten?

Wir werden verschiedene Anlässe besuchen oder selber veranstalten, an denen wir weiterhin auf unsere Anliegen aufmerksam machen und die Bevölkerung sensibilisieren wollen. Nach wie vor bieten wir unsere Dienste in beratender oder übersetzender Tätigkeit an, vor allem mit verschiedenen Behörden und Ämtern.

Gibt es konkrete Pläne für die Zukunft?

Wir fokussieren uns jetzt auf Anlässe und die Entwicklung eines Archivs, auf das die Öffentlichkeit Zugriff haben kann. Schriftliche Erfahrungsberichte können als Referenzen im Sinne wissenschaftlicher Erhebungen benutzt werden. Das ist gewissermassen Feldforschung ersten Grades.

Terra incognita?

Das von Shelley Berlowitz, Elisabeth Joris und Zeedah Meierhofer-Mangeli herausgegebene Buch Terra incognita? erzählt die Entstehungsgeschichte und die Arbeit der Aktivistinnen des 1993 gegründeten Treffpunkts Schwarzer Frauen in Zürich. Das Buch beleuchtet in Porträts, Bildern und kontextuellen Aufsätzen die Geschichte Schwarzer Frauen in der Schweiz und «zeichnet auch den Aufbruch schwarzer Feministinnen im deutschsprachigen Raum nach» (WOZ, 48/2013).

Shelley Berlowitz, Elisabeth Joris, Zeedah Meierhofer-Mangeli (Hrsg.), Terra incognita? Der Treffpunkt Schwarzer Frauen, Limmat Verlag, 2013.

Das Interview führte Rob van de Pol