Autorin
Doris Angst ist Geschäftsführerin der EKR, stv. Schweizer Delegierte bei der ECRI und lehrt an der Fachhochschule Bern.
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Die Expertengruppe zum Thema People of African Descent PAD, welche vom UNO-Menschenrechtsrat im Anschluss an die Weltkonferenz gegen Rassismus 2002 ins Leben gerufen wurde, präsentierte 2012 den Vorschlag für eine Dekade für Menschen afrikanischer Abstammung, welche 2015 – 2024 stattfinden wird. Auch für die Schweiz gibt es genügend Anlass, sich mit konkreten innenpolitischen Massnahmen an dieser von der UNO ausgerufenen Dekade zu beteiligen, um die Diskriminierung gegen Menschen afrikanischer Abstammung nachhaltig zu bekämpfen.
Die Weltkonferenz gegen Rassismus, die 2001 in Durban (Südafrika) abgehalten wurde, war der Startpunkt für eine intensive Auseinandersetzung mit den Benachteiligungen und dem Rassismus, denen sich Menschen afrikanischer Abstammung (People of African Descent, im UNO-Jargon abgekürzt als PAD) auf der ganzen Welt ausgesetzt sehen. In der Erklärung zur Weltkonferenz wird festgehalten, dass die PAD über Jahrhunderte hinweg Opfer von Rassismus, Rassendiskriminierung und Versklavung geworden seien und die Geschichte ihnen eine Vielzahl von Rechten vorenthalten habe.1
In der Tat markierte die Weltkonferenz von 2001 mit dem Tagungsort Durban, einer Stadt, in der die Erinnerung an die Apartheid sehr präsent war, einen Höhepunkt für Afrikanerinnen und Afrikaner in ihrem Bemühen um gleichberechtigte Anerkennung ihrer Geschichte, der erlittenen Diskriminierung und deren Langzeitfolgen. Auf Reparationsforderungen für das erlittene Unrecht aus dem Sklavenhandel und der Sklaverei gingen die Teilnehmerstaaten, welche die Konferenzdokumente verabschiedeten, jedoch nicht ein. Zu gross waren die Bedenken, welche finanziellen Verpflichtungen dadurch auf sie zukommen könnten.
Das Aktionsprogramm von Durban forderte die Staaten unter anderem auf, «die Teilnahme von Menschen am gesamten politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Leben [….] zu erleichtern und sich für ein besseres Verständnis und eine grössere Achtung ihres Erbes und ihrer Kultur einzusetzen» (Rn. 4); den gleichberechtigten Zugang zu Gesundheitsversorgung, Bildung, Strom, Trinkwasser und der Umweltkontrolle zu erwägen (Rn. 5); politische Massnahmen zu Gunsten von Frauen und jungen Männern afrikanischer Abstammung zu ergreifen, da diese stärker benachteiligt seien (Rn. 9); in die Unterrichtspläne die Geschichte und den kulturellen Beitrag der Afrikaner und Menschen afrikanischer Abstammung vollständig und wahrheitsgetreu aufzunehmen (Rn. 11); den Zugang zum öffentlichen und privaten Sektor (Rn. 11) wie auch zum Justizsystem (Rn. 12) zu eröffnen sowie religiöse Vorurteile und Intoleranz wie auch Mehrfachdiskriminierung zu verhüten und zu beseitigen (Rn. 40).2
Ebenfalls auf Grund des Aktionsprogramms rief der UNO-Menschenrechtsrat eine Expertengruppe zum Thema People of African Descent PAD ins Leben, welche 2012 einen Entwurf für eine Dekade für Menschen afrikanischer Abstammung präsentierte. Bereits vorher war 2011 zum Internationalen Jahr für Menschen afrikanischer Abstammung ausgerufen worden, in dessen Rahmen die verschiedensten Veranstaltungen stattfanden. Der UNO-Überwachungsausschuss des Internationalen Übereinkommens gegen Rassismus CERD hatte seinerseits eine Empfehlung zur Umsetzung des Aktionsprogrammes von Durban, Nr. 33 (2009), herausgegeben und nahm das Internationale Jahr 2011 zum Anlass, eine neue allgemeine Empfehlung Racial Discrimination against People of African Descent, Nr. 34 (2011), zu verfassen. Die Einschätzung der Diskriminierungssituation von Menschen afrikanischer Abstammung ist drastisch negativ3: Als Folge der Sklaverei sind sie auch heute noch unter den ärmsten Bevölkerungsteilen, haben wenig teil an Entscheidungsprozessen und sind von struktureller Diskriminierung betroffen. CERD fordert die Länder auf, mit geeigneten Massnahmen die Gleichstellung von Menschen afrikanischer Abstammung zu realisieren, gegen Diskriminierung vorzugehen und ein höheres Bewusstsein in der Öffentlichkeit über deren Geschichte und kulturellen Beitrag zu schaffen. Auch wendet sich der Ausschuss spezifisch der rassistischen Ausgrenzung gegenüber Frauen und Kindern zu. Hate speech und rassistisch motivierte Gewalt seien mit dem Strafrecht zu ahnden. Staatliche und gesetzliche Massnahmen sollen die Gewährleistung der zivilen und politischen sowie der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte (UNO-Pakt II und I) sichern. Dazu gehört auch das Recht auf Staatsbürgerschaft.
Diese Forderungen und Empfehlungen sind auch für die Gemeinschaften von Menschen afrikanischer Herkunft oder Abstammung in der Schweiz wichtig. Sie begegnen anti-Schwarzem Rassismus auf Schritt und Tritt. So werden sie allein auf Grund ihrer Hautfarbe von der Polizei und Behörden «überkontrolliert» und Gemeinden weigern sich, afrikanische Asylsuchende aufzunehmen. Sie werden unter Umständen sowohl bei der Arbeits- als auch der Wohnungssuche abgewiesen und von Privatpersonen ohne Grund beschimpft. All dies zeigen die Beiträge in dieser Ausgabe von TANGRAM auf.
Auch strukturell sind Menschen afrikanischer Herkunft benachteiligt – so bekommen zum Beispiel Bürger und Bürgerinnen schwarzafrikanischer Staaten kaum ein Besuchervisum für die Schweiz und den Schengenraum. Auf dem Formular mit der Visaverweigerung wird regelmässig angekreuzt: «Ihre Absicht, vor Ablauf des Visums aus dem Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten [des Schengener Abkommens] auszureisen, konnte nicht festgestellt werden.» Der Berliner Sozialanthropologe Paolo Gaibazzi, der die Visumspraxis der Botschaften der Schengener Länder in Afrika untersucht hat, schrieb in Le Monde diplomatique: «Heute stehen die meisten afrikanischen Staaten auf einer schwarzen Liste, was bedeutet, dass ihre Bürger für die Einreise in den Schengenraum nicht nur ein Visum benötigen, sondern bei einem Antrag selbst auf ein kurzzeitiges Besuchervisum eine ganze Reihe zusätzlicher Dokumente und finanzieller Garantien einreichen müssen. Unter anderem müssen sie den Zweck der Reise belegen und nachweisen, dass sie für ihr Gastland kein finanzielles oder anderweitiges Risiko darstellen. Und vor allem müssen sie belegen, dass sie die Absicht haben, nach Ablauf der gewährten Aufenthaltsfrist wieder in ihr Land zurückzukehren.»4 Es wird mit dieser Praxis nicht nur das Reiserecht der Bürger/innen dieser Staaten verweigert. Ebenfalls sieht die Familie, die ihre Freunde oder sogar Familienmitglieder einladen möchte, ihre Rechte beschnitten. Nicht einmal der eigene Sohn einer mit einem Schweizer verheirateten Frau durfte zu Besuchszwecken aus Kamerun einreisen.
So bleibt auch für die Schweiz genügend Anlass, sich mit innenpolitischen Massnahmen an der von der UNO für die Jahre 2015 – 2024 ausgerufenen Dekade der Menschen afrikanischer Abstammung zu beteiligen. Die Dekade beginnt am 1.1.2015, konkrete Pläne zur Umsetzung bestehen in der Bundesverwaltung offenbar noch nicht. Es ist zu wünschen, dass sich die Nichtregierungsorganisationen mit entsprechenden Ideen und Wünschen bemerkbar machen.
1 Eidg. Departement des Innern, Fachstelle für Rassismusbekämpfung. Weltkonferenz gegen Rassismus 2001 Durban (Südafrika), Erklärung und Aktionsplan, Bern 2002, Erklärung Rn. 34.
2 Ebd., s. entsprechende Rn. des Aktionsprogramms.
3 CERD GR 34 (2011) : «Racism and structural discrimination against people of African descent, rooted in the infamous regime of slavery, are evident in the situations of inequality affecting them and reflected, inter alia, in the following domains: their grouping, together with indigenous peoples, among the poorest of the poor; their low rate of participation and representation in political and institutional decision-making processes; additional difficulties they face in access to and completion and quality of education, which results in the transmission of poverty from generation to generation; inequality in access to the labour market; limited social recognition and valuation of their ethnic and cultural diversity; and a disproportionate presence in prison populations.»
4 Le monde diplomatique, 13.12. 2013, siehe www.monde-
diplomatique.de/pm/.home und Berner Zeitung, 10.4. 2014, S. 14–15.