TANGRAM 34

Recht § einfach kompliziert. Rassismus, Sexismus, Ableism etc. in der Comedy

Autor

Tarek Naguib, Jurist, ist seit 2012 wissenschaftlicher Mitarbeiter an der ZHAW. Er verfasst eine rechtstheoretische Dissertation zum schweizerischen Antidiskriminierungsrecht. War von 2004-2008 juristischer Mitarbeiter im Sekretariat der EKR.
tarek.naguib@gmail.com

«Es gibt keine grössere Macht als die Macht des Lachens.» Hugh Greene

Comedy als Vehikel von Diskriminierung

Der selbsternannte französische «Komiker» Dieudonné M’Bala M’Bala plante für Dezember 2013 einen Auftritt im Théâtre de la Main d’Or in Paris. Die zuständige Behörde zog nach Intervention des französischen Innenministers die Auftrittsbewilligung zurück, weil sich Dieudonné im Vorfeld auf antisemitische Weise geäussert hatte: «Quand je l’entends parler, Patrick Cohen, je me dis, les chambres à gaz ... Dommage!». Grund der Verweigerung der Bewilligung war auch, dass Dieudonné zwischen 2007 und 2009 fünf Mal von französischen Gerichten wegen öffentlich vorgetragener rassistischer Äusserungen verurteilt worden war. Zudem hatte sich 2004 bereits die Stadt Genf geweigert, dem Veranstalter einen Theatersaal für eine Aufführung des Stückes «Sandrine» zu vermieten. Auch hier war die Begründung im Wesentlichen, dass das Gedankengut von Dieudonné antisemitisch sei. So hatte er im Vorfeld der Aufführung Juden als Sklavenhändler in der Bank («négriers reconvertis dans la banque») bezeichnet. Sklavenhändler, die mit Show und terroristischer Aktion («spectacle et action terroriste») ihr Reich und Vermögen auf Sklavenhandel und Sklaverei gegründet haben («qui ont fondé des empires et des fortunes sur la traite des Noirs et l’esclavage»; vom Autor frei übersetzt). Losgelöst von der rechtlichen Beurteilung ist Dieudonnés Intention – unbewiesen aber offensichtlich – eine antisemitisch rassistische, und zwar in dem Sinne, dass er Jüd_innen1 mit seinen Äusserungen herabzusetzen beabsichtigte. Zudem bediente er sich unabhängig von seiner Intention einer Sprache (Worte, Gestik), die auf einer historisch gewachsenen antisemitischen Ideologie beruht, diese reartikuliert und so Rassismus perpetuiert.

Comedy, die mit diskriminierenden Stereotypen «spielt»

Grundsätzlich anders gelagert sind die Fälle «Steinegger» und «Tschäppät». Bei beiden handelt es sich um Comedy-Darbietungen, in denen rassistische und sexistische Stereotype verbreitet werden, mit denen aber – prima vista – keine diskriminierenden Absichten verfolgt werden. Birgit Steinegger machte sich in einem Sketch im Schweizer Fernsehen über die Täschligate-Affäre lustig. Im letzten Sommer hatte sich die schwarze US-Talkshow-Moderatorin Oprah Winfrey über die rassistische Behandlung in einer Zürcher Modeboutique beklagt. Im Sketch von SRF spielt nun Birgit Steinegger mit schwarz geschminktem Gesicht die Kundin Frau Mgubi. Durch die rassistische Tradition des Blackfacing werden schwarze Frauen als randständig und dümmlich festgeschrieben. Vom Verkaufspersonal wird Frau Mgubi merklich nervös bedient, «weil es einen Rassismusvorwurf fürchtet» (vgl. Jain, 2014).

Etwas anders ist die Situation beim Berner Stadtpräsidenten Alexander Tschäppät, dem Rassismus gegen Italiener_innen vorgeworfen wurde. Bei den Italiener_innen handelt es sich um eine Gruppe, die in den 1970er- und 1980er-Jahren schwerwiegenden Diskriminierungen ausgesetzt war. Anders als bei schwarzen Menschen haben diese mittlerweile abgenommen. Dennoch sind sie weiterhin verschiedenen stereotypen Mustern unterworfen, wie die Comedy-Einlage von Alexander Tschäppät zeigt: Während des Auftritts in «Das Zelt» am 12. Dezember 2013 präsentierte er einen «Italienerwitz». Einführend zitierte er aus einer ehemaligen Fiche: «Bei S soll es sich um einen eingebürgerten Neapolitaner handeln, der etwas unter die Lupe genommen werden sollte. Auffallend seien die vielen Nebenbeschäftigungen des S», um danach mit folgenden Worten weiterzufahren: «Jetzt seid ehrlich, ein Neapolitaner mit zu vielen Nebenbeschäftigungen. Könnt ihr euch das vorstellen? Ein Südländer, der zuviel arbeitet («chrampfe»)? Das ist doch per se so widersprüchlich, als würde ich sagen, es gebe einen sympathischen Mörgeli, oder?»; und er geht noch weiter: «Übrigens, wisst ihr, wieso die Italiener so klein sind? Weil die Mutter stets sagt, wenn du mal gross bist, musst du arbeiten ... So viel zu den Südländern (...)».
(s. www.youtube.com, 2013)

In Comedy intervenieren: eine rechtsstaatliche Gratwanderung

Wo liegt der gesellschaftspolitische Konflikt? Einerseits möchten jene, die gerne herzhaft über diskriminierende Stereotype lachen, nicht als rassistisch, sexistisch, behindertenfeindlich und heterosexistisch bzw. homophob und trans*phob gelten. So ist es doch nicht ernst gemeint, was da gesagt wird. Lachen befreie, entlaste, schaffe Distanz zu Problemen, helfe, Irritationen zu überwinden, und hinterlasse in uns ein Gemeinschaftsgefühl. Andererseits besteht der Anspruch derjenigen, die diskriminierende «Comedy» auch jenseits intentional-ideologischer Diskriminierung als
problematisch kritisieren bzw. sich dagegen zur Wehr setzen möchten, in ihrer Kritik ernst genommen zu werden. Weil in dieser Art der Comedy Menschen von der lachenden Gemeinschaft herabgesetzt und ausgegrenzt werden, indem sie darin stigmatisiert und der Zumutung unterworfen werden, das Stigma als Bedingung der – prekären – «Zugehörigkeit» zur Gemeinschaft zu akzeptieren oder bei Widerspruch ganz ausgeschlossen zu werden. Was die Kritiker_innen jedoch riskieren, ist, als humorlose Spiesser_innen, «politisch korrekte» Moralist_innen oder gar Zensurist_innen disqualifiziert und dem Vorwurf ausgesetzt zu werden, der «Sache des Kampfes gegen Diskriminierung einen Bärendienst zu erweisen».

Wie sieht nun ein rechtsstaatlich verantwortungsvoller Umgang mit Comedy, die mit diskriminierenden Stereotypen «spielt», aus? Es liegen zwei zentrale Rechtsgüter in der Waagschale der Justitia: Auf der einen Seite besteht die Freiheit, sich willkürlich zu äussern, völker- und verfassungsrechtlich als Meinungsäusserungsfreiheit – hier auch Kunstfreiheit – bezeichnet. Auf der anderen Seite besteht das Gleichheitsgebot, bzw. das Gebot, Menschen vor Äusserungen zu schützen, durch die sie in ihrer Gleichwertigkeit als individuelle Wesen auf diskriminierende Weise herabgesetzt werden, völker- und verfassungsrechtlich auch Diskriminierungsverbot genannt.

Die rechtlich geschützte Freiheit, sich diskriminierend zu äussern

Der freie Fluss der Meinung – unter anderem der Meinung der Kunst – ist unentbehrlicher Bestandteil der menschlichen Entfaltung und damit als Menschenrecht geschützt. Der Respekt vor Meinungsäusserung ist Voraussetzung für einen ungehinderten Fluss von Informationen, Meinungen und Wirklichkeitsdeutungen und damit das Salz in der Suppe einer funktionierenden Demokratie. Dazu zählt auch die (politische) Satire. Als Meinung (und Kunst) geschützt sind Äusserungen, «qui heurtent, choquent ou inquiètent», auch wenn sie diskriminierend sind. Einschränkungen dieses Meinungsflusses bedürfen einer qualifizierten Begründung: Diese muss sachlich geboten und verhältnismässig sein, das heisst in Bezug auf das angestrebte Ziel geeignet, erforderlich und zumutbar sein (s. Müller/Schefer, 2008).

Das strafrechtliche Verbot der diskriminierenden Hetze

Ein (insbesondere strafrechtlicher) Eingriff aufgrund einer stereotypen bzw. diskriminierenden Äusserung ist aus menschenrechtlicher Perspektive erst zulässig, wenn die Äusserung als «Eintreten für nationalen, rassischen oder religiösen Hass, durch das zu Diskriminierung, Feindseligkeit oder Gewalt aufgestachelt wird» zu qualifizieren ist (Art. 20 Abs. 2 UNO-Pakt II). Die Hürden sind hoch: «Jede Verbreitung von Ideen, die sich auf die Überlegenheit einer Rasse oder den Rassenhass gründen, jedes Aufreizen zur Rassendiskriminierung und jede Gewalttätigkeit oder Aufreizung dazu gegen eine Rasse oder eine Personengruppe anderer Hautfarbe oder Volkszugehörigkeit» kann und soll als strafbare Handlung bezeichnet werden. Analog dazu dürfen auch anderweitig diskriminierende Äusserungen (Sexismus usw.) rechtlich erst dann unterbunden werden, wenn durch sie ein hetzerisches Klima gefördert bzw. wo zu Hass aufgerufen wird, wo zu Diskriminierung aufgerufen wird oder wo rassistische Ideologien in einer Weise verbreitet werden, die solche Hassgefühle auslösen können bzw. dazu aufgestachelt wird (Naguib et al., 2014). Diese Anstachelung zu Hass setzt nach Ansicht des EGMR nicht notwendigerweise voraus, dass zu Gewalt oder strafbaren Handlungen aufgerufen wird. Auch Angriffe auf Menschen durch Beleidigung, Lächerlichmachen oder Beschimpfung wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer besonderen Gruppe könnten genügen, um behördliches Eingreifen zu rechtfertigen (s. Vejdeland-Entscheidung). Dabei sind insbesondere sensible Räume wie die Schulen für Kinder und Jugendliche besonders zu schützen.

In diesem Sinne formulieren verschiedene Straftatbestände im Strafgesetzbuch Verbote der diskriminierenden Hetze (Art. 261bis StGB/171c MStG). Dazu zählen neben der diskriminierenden Beschimpfung und Herabsetzung (Abs. 4 Halbsatz 1) einer oder mehrerer individualisierter Personen etwa der Aufruf zu Hass, der Aufruf zur Diskriminierung (Abs. 1), die Verbreitung rassistischer Ideologien (Abs. 2)
gegenüber bestimmten Grup- pen von Menschen und die Leugnung, Verharmlosung und Rechtfertigung von Genoziden (Abs. 4 Halbsatz 2) (Naguib et al.: 2014). Dieudonné hat diese Grenze zur Hetze regelmässig überschritten. Sowohl die Darstellung der Gaskammern als verständlicher Umgang mit den Juden als auch die Erklärung, Juden seien als Banker moderne Sklaventreiber, ist eine zutiefst antisemitische und zugleich hetzerische Äusserung. Eine strafrechtliche Verurteilung wäre begründet und geboten, wenn er die Äusserung in der Schweiz gemacht hätte. Doch auch wenn sein Verhalten darauf schliessen lässt, dass er immer wieder gewillt ist, diese Grenze auszureizen, war die präventive Unterbindung seiner Auftritte bis anhin unverhältnismässig, wie etwa das Bundesgericht im Jahre 2010 entschieden hatte (Urteil 1C_312/2010 v. 8.12.2010). Sie ist nicht erforderlich, weil mit der strafrechtlichen Sanktionierung ex post ein (zwar verspätetes) aber weniger einschneidendes Mittel zur Verfügung steht, mit welchem das Ziel der Unterbindung diskriminierender Hetze vergleichsweise ähnlich effektiv erreicht werden kann.

Eindeutig sind die Situationen bei Tschäp-pät und Steinegger. Beide haben sich nicht strafbar gemacht, da sie durch ihre Äusserung nicht auf nachdrückliche Weise ein feindseliges Gefühl fördern oder zu Diskriminierung oder gar Gewalt aufrufen (zur Praxis siehe Niggli, 2007). Allerdings stellt sich auch bei nicht hetzerischen, aber dennoch rassistischen, sexistischen, ableistischen und anderweitigen Verstössen gegen herabsetzende «Ismen» zumindest theoretisch die Frage, ob ein verwaltungsrechtliches Verbot der Diskriminierung verletzt wurde.

Das verwaltungsrechtliche Verbot der Hierarchisierung

Etwas anders gelagert ist die verwaltungsrechtliche Intervention. Sie ist in der Regel weniger schwerwiegend, da sie nicht mit einer Strafe verbunden ist. So sieht z.B. Art. 4 Abs. 1 RTVG vor, dass Sendungen eines Radio- oder Fernsehprogramms nicht diskriminierend sein dürfen. Damit besteht die Möglichkeit, auch Formen der Diskriminierung zu rügen, die nicht die Schwelle der strafrechtlich diskriminierenden Hetze überschreiten. Dies wiederum gilt unabhängig davon, welche Absicht der_die Absender_in mit der diskriminierenden Aussage verfolgt. Gemäss der Unabhängigen Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (UBI) sind für die Beurteilung einer rassistischen Bemerkung unter anderem der Kontext und damit die Botschaft, die dem Publikum vermittelt wird, zu berücksichtigen. Sie qualifizierte die Bezeichnung von US-Präsident Barack Obama in der Satiresendung «Zweierleier» von Radio DRS 1 als «N ...» als rechtmässig (Steiner, 2009). Die Verwendung des Begriffs
«N ...» sei nicht automatisch menschenunwürdig, diskriminierend oder rassistisch. Er sei nicht in seinem eigentlichen menschenverachtenden, diskriminierenden und rassistischen Sinne verwendet worden. Die Verwendung des Begriffs stehe in einem formalen und inhaltlichen Zusammenhang mit der Satire. Als besondere Form der Meinungsäusserung übersteigere die Form der Satire die Wirklichkeit, verfremde sie, stelle sie um, kehre wieder zu ihr zurück, banalisiere sie, karikiere sie und mache sie lächerlich. Die UBI merkte an, die Verwendung des Begriffs «N ...» sei im Rahmen der vorliegenden Darstellung zweier Schweizer Touristinnen mit einem beschränkten Weltbild und einer entsprechend kleinkarierten, stereotypen, widersprüchlichen
und latent rassistischen Geisteshaltung «fast zwingend erforderlich» gewesen. Dürften im Rahmen einer Satiresendung nur politisch korrekte Ausdrücke verwendet werden, würde nicht nur die in solchen Fällen besonders ausgeprägte Programmautonomie eingeschränkt, auch würde die Satire als Kunstform viel an Schärfe verlieren.

Der Entscheid der UBI ist im Ergebnis korrekt. Allerdings bedarf es in diesem Fall und in künftigen Fällen einer genaueren Betrachtung der Frage, ob ein im Rahmen der Satire verwendetes diskriminierendes Stereotyp ein strukturell verankertes Dominanzverhältnis adressiert, das heisst zu einer strukturellen Hierarchisierung führt. So wäre zu untersuchen, ob ein Stereotyp in der Satire sich über eine Gruppe lustig macht, die in der Gesellschaft eine dominante und eine stigmatisierte Position einnimmt. So schreibt etwa der Mgubi-Sketch von Birgit Steinegger über die rassistische Tradition des Blackfacing das rassistische Narrativ der schwarzen Frauen als randständig und dümmlich fest. Damit zementiert sie ein rassistisch-koloniales Stereotyp, das für Schwarze, insbesondere schwarze Frauen, konkrete rassistische Diskriminierungen sexistischer Prägung im Alltag fördern kann und die rassistische Stratifikation perpetuiert. Eine formelle Sanktionierung allerdings würde auch im Fall Steinegger einen unverhältnismässigen Eingriff in die Meinungsfreiheit bedeuten. Allerdings verletzt der Beitrag das Verbot der Diskriminierung insofern, als es zur Hierarchisierung zwischen weissen und schwarzen Menschen in der Gesellschaft beiträgt. Somit wäre es angebracht, im Rahmen eines Verfahrens gegen derartige rassistische Comedy vor der Ombudsstelle bzw. der UBI eine kritische Anmerkung anzuführen, die auf das Risiko der Zementierung von rassistischen Dominanzverhältnissen hinweist.

Die rechtlich gebotene Pflicht, vor diskriminierender Äusserung zu schützen

Einerseits ist eine straf-, zivil- und polizeirechtliche Intervention gegen die Meinungsäusserungsfreiheit bei Satire, in welcher diskriminierende Stereotype verwendet werden, regelmässig nicht begründet. Andererseits gebieten es die Grund- und Menschenrechte, dass Vorurteile, die zu Diskriminierung führen, bekämpft werden: Gemäss UNO-Antirassismuskonvention ICERD verpflichten sich die Vertragsstaaten, «unmittelbare und wirksame Massnahmen (...) zu treffen, um Vorurteile zu bekämpfen, die zu Rassendiskriminierung führen, zwischen den Völkern und Rassen- oder Volksgruppen Verständnis, Duldsamkeit und Freundschaft zu fördern» (Art. 7). Auch die Frauenrechtskonvention CEDAW fordert von den Staaten, wirksame Massnahmen «zur Beseitigung von Vorurteilen» gegenüber dem «einen oder anderen Geschlecht» und gegen die «stereotype Rollenverteilung von Frau und Mann» zu ergreifen (Art. 5a). Ebenso verpflichten sich die Vertragsstaaten der UNO-Behindertenrechtskonvention (ICRPD) zu sofortigen, wirksamen und geeigneten Massnahmen, «um Stereotype, Vorurteile (...) gegenüber Menschen mit Behinderungen (...) zu bekämpfen» (Art. 8 Abs. 1b). Die Massnahmen sind «auf allen Gebieten» und «in allen Bereichen des Lebens» zu treffen, «insbesondere auf politischem, sozialem, wirtschaftlichem und kulturellem Gebiet» (Art. 3 CEDAW).

Zentral ist, dass die Massnahmen hegemoniale Diskurse und Dominanz adressieren (vgl. Beitrag Jain). Eine rechtsstaatlich orientierte und menschenrechtlich fundierte staatliche Förderung einer kritischen Auseinandersetzung mit Satire ist da unentbehrlich, wo sie Diskriminierung begünstigt. Dominanz- und hegemonietheoretisch orientiert heisst dies: Wo Comedy und Satire Vorurteile in den Köpfen der Dominanzgesellschaft und gesellschaftliche Stereotype wiederholt, die diese Vorurteile begünstigen, ist der Rechtsstaat in der Pflicht. Dies gilt prinzipiell, das heisst unabhängig davon, ob die «Comedy» oder «Satire» hetzerisch oder herabsetzend formuliert ist und damit auch Verbote verletzt oder vielmehr im subtilen Deckmantel des Humors daherkommt. Denn Diskriminierung bezeichnet in den kritischen Rechts- und Sozialwissenschaften «Praxen von Stigmatisierung und struktureller Ausgrenzung von gesellschaftlicher Teilhabe» (s. Liebscher et al., 2012). Im Kern bezeichnet der Forschungsstrang Diskriminierung als problematisch, weil sie gesellschaftlichen Strukturen, Diskursen und damit Fremd- und Selbstzuschreibungsprozessen machtvoll eingeschrieben ist. Diskriminierung ist des Weiteren eng mit der Frage der Stigmatisierung verbunden: «Es ist die Produktion und Perpetuierung von Stigmas, auf die Antidiskriminierungsrecht reagieren muss»
(Solanke, 2009). Daher ist Benachteiligung von mächtigen oder zumindest nicht ohnmächtigen Gruppen weniger problematisch als Diskriminierung der machtlosen.

Grundsätzlich stehen dem Recht zwei In-strumente zur Verfügung, um proaktiv auf Diskriminierung in Comedy und Satire zu reagieren: erstens die Mobilisierung der Gegenrede und zweitens die Herstellung von Pluralität.

Mobilisierung von Gegenbildern ...

Damit produktiv in diskriminierende Satire interveniert werden kann, braucht es einerseits die Mobilisierung von gesellschaftlicher Akzeptanz gegenüber dem Anliegen der Kritik an diskriminierender Satire. Andererseits ist es notwendig, rassistische, sexistische, ableistische, ageistische Bilder usw. in der Comedy auf subversive Weise zu konfrontieren, sie als diskriminierend zu markieren und ermächtigende antistereotype «Gegen-», «Neu-» und «Anders-» Bilder zu kreieren. Ein Beispiel hierfür ist etwa die von der heuteshow, einer deutschen Satiresendung, inszenierte Darbietung des türkischstämmigen Deutschen Serdar Somuncu. Dieser nimmt in der Sendung vom 30. März 2014 den antitürkischen und antiziganistischen Diskurs der bayerischen CSU auf die Schippe, was ihm dadurch gelingt, dass er das Publikum raffiniert auf die falsche Fährte führt. Es wähnt sich zuerst im Unbehagen auf dem Pfad des rassistischen Narrativs der Rückständigkeit von Türken, Roma und Sinti und wird dann auf subversive Weise mit den Worten «strunzdumme Landbevölkerung, die immer dieselbe Partei wählt (...) aber genug von den Bayern» zurückgeholt (Youtube, 2014).

... durch verwaltungsrechtlich unterstützte Pluralisierung

Freilich, die Vielfalt von Stimmen in der Satire, die sich gegen Stereotype wenden, rechtlich zu unterstützen, ist eine Herausforderung. Allerdings bietet etwa das Bundesgesetz über Radio und Fernsehen hierzu eine Grundlage. Gemäss Art. 4 RTVG müssen konzessionierte Programme von Radio und Fernsehen in der Gesamtheit ihrer redaktionellen Sendungen die Vielfalt der Ereignisse und Ansichten angemessen zum Ausdruck bringen. «Ansichten angemessen zum Ausdruck bringen» bedeutet, auch marginalisierte, stigmatisierte Stimmen darstellbar zu machen. Dabei reicht es allerdings nicht aus, sie unter der hegemonialen Kontrolle von Seilschaften weisser Herrschaften in Sendungen wie Giacobbo/Müller zum Klingen zu bringen. Interessant wäre vielmehr eine Stimme der Diaspora, etwa eine weibliche, die in ihrer eigenen Satiresendung, zum Beispiel am Montagabend auf dem Kanal von SF1 die rassistischen und sexistischen Narrative der Sendung Giacobbo/Müller auf die Schippe nimmt. Zwar riskieren wir damit auch, dass die Satire gleichzeitig kosmopolitisch und rassistisch sein kann (vgl. auch Beitrag Jain). Ob dies dann tatsächlich zur Dekonstruktion von rassistischen Mustern führt oder nicht bzw. sie sogar bestätigt, ist nicht prognostizierbar. Allerdings geht es hier ebenso um die Verantwortung des Verwaltungsrechts, Pluralität auf allen Hierarchiestufen der strategischen und operativen Leitung von Redaktionen und Kommentator_innen zu schaffen. Dies ist mit der Möglichkeit verbunden, Andersbilder zu kreieren, durch andere Produzent_innen, Redaktionsleiter_innen, Satiriker_innen usw.

Und zum Schluss

Wer den Kampf gegen Rassismus, Sexismus, Antisemitismus, Heterosexismus, Ableism, Ageism und andere -Ismen produktiv führen möchte, muss auf verantwortliche Weise Comedy und Satire widersprechen, die mit Stereotypen über Gruppen operieren, die gesellschaftlich stigmatisiert sind. Akzeptanz durch Diskurs für das Problem zu schaffen ist Voraussetzung dafür, dass dies sowohl Satiriker_innen als auch Satire-Konsument_innen gelingt. Wie diese Akzeptanz geschaffen werden kann bzw. wie eine produktive Mobilisierung einer selbst- und gegenkritischen Reflexion ermöglicht wird, lässt sich nicht pauschal beantworten. Das Recht hat hierbei drei Aufgaben: Erstens nimmt es die staatlichen Behörden in die Pflicht, sich Vorurteilen entgegenzusetzen. Konkret können nicht nur Legislativ-, sondern auch Exekutivpolitiker_innen Satire kritisieren, wenn sie stigmatisierte Gruppen trifft. Dies erfordert praktische Courage und theoretische Reflexion. Zudem kann Satire in der Bildung kritisch reflektiert werden. Zweitens hat das Recht dafür zu sorgen, dass stigmatisierte Stimmen an machtvolle Positionen innerhalb der Comedy-Produktion gelangen. Drittens sind verwaltungsrechtliche Diskriminierungsverbote zu verankern, die extensiver als im Strafrecht eine machttheoretisch orientierte Interpretation von Diskriminierung mittels verhältnismässiger Massnahmen stipulieren.

1 Ich benutze den Unterstrich _ in Anlehnung an einen Vorschlag von Steffen Kitty Herrmanns: «Er markiert einen Platz, den unsere Sprache nicht zulässt. Er repräsentiert all diejenigen, die entweder von einer zweigeschlechtlichen Ordnung ausgeschlossen werden oder aber nicht Teil von ihr sein wollen. Mit Hilfe des _ sollen all jene Subjekte wieder in die Sprache eingeschrieben werden, die gewaltsam von ihr verleugnet werden.» (Herrmann, Queer(e) Gestalten, insb. S. 64).

Bibliografie

Rohit Jain, «Staatsfernsehen für die weissen Herrschaften», WOZ die Wochenzeitung, 24.01.2014

Michel Foucault, Dits et écrits, Defert, Daniel/Ewald François (Hrsg.), Bd. IV, Paris, 1994

Stuart Hall, Representation: Cultural Representations and Signifying Practices, London, 1997

Doris Liebscher, Tarek Naguib, Tino Plümecke, Juana Remus, «Wege aus der Essentialismusfalle: Überlegungen zu einem postkategorialen Antidiskriminierungsrecht», KJ 2/2012, s. 204-218

Jörg Paul Müller, Markus Schefer, Grundrechte in der Schweiz. Im Rahmen der Bundesverfassung, der EMRK und der UNO-Pakte, 4. Aufl., Bern, 2008

Tarek Naguib / Kurt Pärli / Eylem Copur / Melanie Studer, Diskriminierungsrecht. Handbuch für Jurist_innen, Berater_innen und Diversity-Expert_innen, Bern, 2014

Thomas Steiner, Barack Obama durfte als «Neger» bezeichnet werden. Entscheid der unabhängigen Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI), 5. Dezember 2008 (B.592), Medialex, 2009, 154 ff.