Seit 2011 organisieren der Schweizerische Israelitische Gemeindebund (SIG) und die Plattform der liberalen Juden der Schweiz (PLJS) zweiteilige Bildungsreisen für Lehrkräfte aus der Deutschschweiz nach Auschwitz. Nebst der persönlichen Betroffenheit geht es um einen pädagogisch sinnvollen Weg, das schwierige Thema zu vermitteln.
Der Ort hat unglaubliche Symbolkraft: Mehr als jedes andere Konzentrations- und Vernichtungslager steht Auschwitz für den Massenmord an den europäischen Juden und symbolisiert die Beharrlichkeit der «industriellen Vernichtung». Über eine Million Opfer forderte Auschwitz - mehrheitlich Jüdinnen und Juden. Auschwitz ist heute ein Mahnmal gegen das Vergessen. Die Erinnerung an den Holocaust ist den jüdischen Dachverbänden ein zentrales Anliegen. In der heutigen multikulturellen Gesellschaft ist es wichtig, Tendenzen der Ausgrenzung von Bevölkerungsgruppen im Schulunterricht zu thematisieren und aufzuzeigen, zu welch schrecklichen Verbrechen eine Verharmlosung oder Duldung solcher Diskriminierungen im Extremfall führen kann.
Der erste Teil der Bildungsreise führt nach Auschwitz. Die Reise nach Polen beschränkt sich auf einen Tag, um den Schulunterricht möglichst wenig zu behindern. Am Morgen bekommen die Lehrpersonen eine Führung durch das Stammlager Auschwitz. Am Nachmittag besuchen sie das Museum auf dem Gelände von Auschwitz-Birkenau. Auschwitz geht unter die Haut, es ist ein Ort des Schreckens, der Beklemmung. Eine Teilnehmerin schildert ihre Eindrücke: «Mir ist aufgefallen, dass in Auschwitz keine Person lacht.»
Es ist jedoch nicht nur das Ziel der Reise, zu schockieren. Deshalb treffen sich die Lehrpersonen nach dem Besuch in Auschwitz an der Pädagogischen Hochschule Luzern. Unter der Leitung von Geschichtsdidaktikern wird die Reise pädagogisch aufgearbeitet. Die Lehrpersonen lassen die Eindrücke Revue passieren, besprechen den Umgang mit diesen und thematisieren anschliessend, wie sie die Erfahrungen in den Schulunterricht einbauen können. Die Lehrerinnen und Lehrer entwickeln Ideen für den Unterricht über den Holocaust und reflektieren diese kritisch. Die Fachpersonen der PH stellen erprobte und neue Unterrichtsmaterialien vor, die die bestehenden Lehrmittel ergänzen. So sollen die Lehrpersonen einen ihnen und den Lernenden entsprechenden Weg finden, um das schwierige Thema zu vermitteln.
Barbara Sommer von der Fachstelle für Didaktik ausserschulischer Lernorte der PH Luzern stuft die Reise nach Auschwitz als sehr wertvoll ein: «Ich bin davon überzeugt, dass der Unterricht über den Holocaust nach der Auschwitzreise nicht mehr derselbe ist. Die persönlichen Berichte einer Lehrperson wirken authentisch und beeindrucken die Schülerinnen und Schüler.» Eine Lehrerin fasst den Vorteil der Weiterbildung zusammen: «Nach der Reise kann ein Lehrer anders vor die Klasse stehen. Er kann die Schüler besser für die schrecklichen Taten sensibilisieren. Persönliche Eindrücke und Schicksale von Überlebenden zu vermitteln ist wichtiger, als blosse Fakten zu liefern.»
Zusammenfassend ist dieser positiven Erfahrung anzufügen, das es sehr begrüssenswert wäre, wenn die zuständigen Schulbehörden ihren Lehrpersonen die Teilnahme an einer solchen Weiterbildungsreise vor allem auch in finanzieller Hinsicht vermehrt erlauben würden.