Eidgenössische Kommission gegen Rassismus EKR

 
    
 
Januar 2022

Neue Meldeplattform
für rassistische Hassrede im Netz
www.reportonlineracism.ch

Grusswort der Präsidentin

Am 30. November 2021 hat die Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus (EKR) mit www.reportonlineracism.ch eine Meldeplattform für rassistische Online-Hassrede lanciert. Die neue Meldeplattform verfolgt zwei Hauptziele: Das vereinfachte Melden von rassistischer Online-Hassrede sowie einen besseren Überblick über die Art und Tragweite des Phänomens. Falls gewünscht, bietet die Plattform auch Beratung und Unterstützung.

Seit der Lancierung sind auf der Plattform über 50 Meldungen eingegangen, die der Definition von Online-Hassrede der EKR entsprechen. Rund 10 davon sind auch strafrechtlich relevant. Wir stellen somit fest, dass das Pilotprojekt einem wahren Bedürfnis nachkommt. Das Interesse, das die Medien der Meldeplattform entgegenbringen, bestätigt ebenfalls die Berechtigung des neuen Projekts. In einem Jahr wird die EKR eine erste Bilanz über den Betrieb und die Nutzung der Plattform ziehen.

Der Kampf gegen Rassismus im Internet ist eine Notwendigkeit. Abgesehen von den strafrechtlichen Folgen bedroht die zunehmende Verbreitung rassistischer Äusserungen im Internet den sozialen Zusammenhalt, der eine der grossen Stärken unseres Landes darstellt. Wir dürfen der Hassrede nicht tatenlos zuschauen. Wir alle können handeln und reagieren. Die Meldeplattform www.reportonlineracism.ch ist ein Instrument zur Bekämpfung und Prävention von rassistischer Hassrede im Netz.

Martine Brunschwig Graf, Präsidentin der EKR

 

RASSISTISCHE HASSREDE...

Unter rassistischer Hassrede im Netz versteht die EKR Äusserungen im Internet in Form von Schrift, Ton oder Bild, die eine Person oder Personengruppe aufgrund namentlich ihrer «Rasse», Hautfarbe, Ethnie, nationalen Herkunft oder Religion herabwürdigen, gegen sie zu Hass aufrufen oder dies befürworten, fördern oder rechtfertigen.

Beispiel einer Holocaustleugnung

2020 bezeichnete eine Person auf ihrem Twitter-Account und in ihrem Blog den Holocaust als Lüge mit Äusserungen wie «(...) les preuves de la Shoah montrées au grand public depuis 1945 sont sans valeur. (...) l'histoire de l'Holocauste est fondée sur un délire continu» [(...) die Beweise für die Shoah, die der breiten Öffentlichkeit seit 1945 vorgelegt werden, sind wertlos. (...) die Geschichte des Holocausts beruht auf andauernden Wahnvorstellungen]; «Gazée et transformée en savon, la survivante de LOLocauste Leignel-Rosenberg se déchaine contre les écoliers blancs pour qu'ils acceptent d'être soumis à l’Islam» [Vergast und zu Seife verarbeitet wettert die LOLocauste-Überlebende Leignel-Rosenberg gegen weisse Schüler, damit sie dem Übertritt zum Islam zustimmen]; «Jesus Strikes Back: incarnez Adolf Hitler ou un croisé pour massacrer des migrants, des travelos et des juifs » [Jesus Strikes Back: Werdet zu Adolf Hitler oder einem Kreuzzügler, um Migranten, Transen und Juden abzuschlachten].

Die Strafverfolgungsbehörde hielt fest, dass die Beweggründe für das Verhalten des Beschuldigten klar auf Rassendiskriminierung beruhten. Mit der Veröffentlichung der ersten zitierten Äusserungen habe der Beschuldigte den Holocaust öffentlich geleugnet. Indem er einen Bezug zwischen einer Holocaust-Überlebenden und den Begriffen «vergast und zu Seife verarbeitet» herstellte, beziehe sich der Beschuldigte auf die jüdische Gemeinschaft, was jede und jeder problemlos so verstehe. Er verwende ausserdem verächtliche Begriffe, die nicht nur die Personen, auf die er es abzielt, herabsetzen, sondern die gesamte jüdische Gemeinschaft, womit er deren Menschenwürde verletze. Folglich verurteilte die zuständige Strafverfolgungsbehörde den Beschuldigten wegen Rassendiskriminierung gemäss Art. 261bis Abs. 4, Teilsätze 1 und 2 StGB.

Mehr Informationen zur Rechtsprechung rund um Fragen zu Rassismus im Netz und auf Social Media

 

IM GESPRÄCH MIT…

Giulia Reimann, Juristin und zuständig für die Meldeplattform www.reportonlineracism.ch

Welche Inhalte kann ich melden?

Alle Inhalte im Internet, die eine Person oder Gruppe wegen ihrer «Rasse», Hautfarbe, Ethnie, nationalen Herkunft oder Religion herabwürdigen, gegen sie zu Hass aufrufen, dies befürworten, fördern oder rechtfertigen.

Muss der gemeldete Inhalt zwingend öffentlich sein? Was unterscheidet öffentlich von privat?

Die gemeldeten Inhalte sind in der Regel öffentlich, sonst hätte sie die meldende Person nicht gesehen. Die Rassismusstrafnorm (Art. 261bis StGB) erfasst zudem nur öffentliche Inhalte. Im rechtlichen Sinne kommt es dabei weniger auf die Personenzahl, sondern mehr auf das persönliche Verhältnis zwischen den Anwesenden an. So kann eine geschlossene WhatsApp-Gruppe als öffentlich gewertet werden, wenn die Teilnehmenden nichts Persönliches verbindet.

Was macht die EKR mit den eingegangenen Meldungen?

Die Meldungen werden in einer Datenbank gesichert. Dort kategorisieren wir sie nach betroffener Gruppe und nach strafrechtlicher Relevanz. Dies ermöglicht uns einen qualitativen Überblick über die Art der gemeldeten rassistischen Hassrede. Meldende Personen können auch weiterführende Beratung oder Unterstützung wünschen. In diesem Fall nehmen wir mit ihnen Kontakt auf und leiten sie nötigenfalls an eine spezialisierte Beratungsstelle weiter.

Warum braucht es diese neue Meldeplattform und was unterscheidet sie von anderen Angeboten?

Im Rahmen ihres Beratungsmandats hat die EKR festgestellt, dass es ein Bedürfnis für eine zentrale Meldeplattform auf Bundesebene gibt. Ausserdem ist das Monitoring von rassistischer Hassrede im Netz sehr wichtig für die Bekämpfung des Phänomens. Ergänzend zu unserer Plattform gibt es Projekte wie NetzCourage, das Unterstützung bei Shitstorms oder Cybermobbing anbietet, oder Stop Hate Speech, welches einen Algorithmus für das Aufspüren von Hass im Netz entwickelt.

Kann ich Inhalte anonym melden?

Ja. Es war uns wichtig, die Meldeplattform möglichst niederschwellig zu gestalten. Für manche Personen ist es bereits eine zu hohe Hürde, wenn sie sich registrieren müssen. Personen, die eine Beratung wünschen, müssen allerdings zumindest ihre E-Mail-Adresse angeben.

 

BLICK DER POLIZEI

Ich werde gelegentlich darauf angesprochen, ob Polizei und Staatsanwaltschaft genug tun, um rassistische Äusserungen im Netz strafrechtlich zu verfolgen. Rückfragen bei meiner Kantonspolizei ergeben dann seit Jahren das gleiche Bild:

Es gibt in diesem Bereich kaum Anzeigen. Seit Corona registriert auch die Kantonspolizei, dass die Menschen sich noch häufiger auf sozialen Medien bewegen und dieses Medium auch als »Ventil« missbraucht wird. Die Tonalität ist deutlich rauer geworden. Ehrverletzungstatbestände werden massenhaft verletzt. Eine Zunahme von Verletzung der Antirassismus-Strafnorm kann aber dennoch nicht festgestellt werden.

Die Polizei kann heute schon vor der Verbreitung einer Medienmitteilung auf Social Media recht gut abschätzen, ob sie nach dem Posting auf fremdenfeindliche Reaktionen achten muss. Strafrechtlich relevante Beiträge werden selbstverständlich an die Kriminalpolizei zur Durchführung von Abklärungen zur verfassenden Person und zur Einleitung von Ermittlungen übergeben. Fälle, in denen dieser Schritt gemacht werden muss, sind in der Praxis aber sehr selten. Der eine oder andere Kommentar unter Postings ist aber klar unangebracht, geschmacklos und damit ein Verstoss gegen die gute Sitte oder online aufgestellte Netiquetten. Die Kantonspolizei macht Verfasser solcher unangebrachten Kommentare auf korrektes Verhalten und mögliche rechtliche Konsequenzen aufmerksam und verbirgt die Aussagen, um den Kreis Betrachtender zu unterbrechen. Klar rassistische Ausdrücke werden schon von vornherein technisch unterbunden, können jedoch zurückverfolgt werden.

Bei dieser Ausgangslage begrüsse ich die neue Plattform ausserordentlich. Ich hoffe, dass damit eine objektivierte Übersicht über das Ausmass rassistischer Hassrede im Netz entsteht, gleichzeitig aber auch deutlich gemacht werden kann, dass das Internet kein rechtsfreier Raum ist.

Fredy Fässler, Mitglied der EKR, Vorsteher des Sicherheits- und Justizdepartement des Kantons St. Gallen und Präsident der Konferenz der Kantonalen Justiz- u. Polizeidirektorinnen und -direktoren KKJPD

 
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