Zusammenfassung des Artikels
«Un juif pour l’exemple, ou comment une société civilisée glisse vers la barbarie. Entretien avec Jacob Berger» (französisch)
Das Gespräch von Jacob Berger führte Madeleine Joye.
madeleine.joye@netplus.ch
Im April 1942 wird in Payerne ein jüdischer Viehhändler von Mitgliedern einer lokalen Nazizelle brutal ermordet. Der Schriftsteller Jacques Chessex war zu jener Zeit acht Jahre alt und lebte mit seiner Familie in Payerne. Er hat die Fakten in seinem Roman von 2009 verarbeitet. Die heftigen Reaktionen darauf legen nahe, dass der Antisemitismus nach wie vor sehr gegenwärtig ist, auch wenn einige in dem Verbrechen nur ein «fait divers» sehen wollten.
Mit seinem Film «Ein Jude als Exempel», der den Titel von Chessex’ Roman übernimmt, setzt sich der Filmemacher Jacob Berger nochmals mit den damaligen Ereignissen auseinander. Er zeigt, wie eine «normale» Gesellschaft in eine Haltung abdriften kann, wo das Unsägliche möglich und das schlimmste Verbrechen zulässig zu werden scheint. Der Mord wurde durch einige Nazisympathisanten begangen, doch die Gemeinde war schon durch den Antisemitismus vergiftet. Dies zeigt sich in Worten («Jud», «Abschaum»…) und in Haltungen – wenn nicht sogar in einem heimlichen Einverständnis oder zumindest in der Toleranz gegenüber den Tätern.
Die Dinge haben sich in den Augen von Jacob Berger nicht allzu stark verändert. Er baut in seinen Film aktuelle Elemente ein und stellt so eine Verbindung zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart her. Seiner Meinung nach könnte der Hass gegenüber anderen in Krisenzeiten immer wieder aufflammen. Nicht gelöste Probleme wie Arbeitslosigkeit oder Einwanderung usw. können immer dazu führen, dass nach einem Sündenbock gesucht wird. Die Roma, die Muslime oder die Flüchtlinge könnten anstelle der Juden zur Zielscheibe werden. Die Wahl autoritärer Regime in vielen Staaten weltweit ist hierfür bereits ein beunruhigendes Zeichen.
«Unmerklich gleiten wir in ein Klima der 1930er- und 1940er-Jahre ab», meint der Filmemacher und betont, dass es an uns liegt zu wissen, wo wir die Grenze ziehen zwischen dem, was wir tolerieren und dem, was wir ablehnen.