Autorin
Anita Winter ist Gründerin der Gamaraal Foundation. Die Stiftung unterstützt insbesondere bedürftige Holocaust-
überlebende in der ganzen Schweiz.
ausstellung@gamaraal.org
In der Schweiz leben geschätzt 450 Holocaustüberlebende, jedoch ist die Dunkelziffer hoch. Mit der Ausstellung The Last Swiss Holocaust Survivors gibt die von Anita Winter gegründete Gamaraal Foundation diesen Menschen ein Gesich
Das Geschehene können wir nicht aus der Welt schaffen, aber wir können zeigen, dass es uns nicht gleichgültig ist. Als Tochter von jüdischen Holocaustflüchtlingen, die das Glück hatten, in der Schweiz eine neue Existenz aufzubauen, ist dieser Anspruch meine persönliche Herausforderung. Es ist die Verantwortung unserer Generation, die Erinnerung und das Anliegen des «Never again» weiter zu tragen. Wir müssen jedem Zeitzeugen dankbar sein, der die Kraft aufbringt, über die unvorstellbaren Dinge zu sprechen – auch wenn die Sprache dabei fast versagt.
Die Ausstellung The Last Swiss Holocaust Survivors bietet eine der letzten Möglichkeiten, sich den in unserem Land lebenden Holocaustüberlebenden und der damaligen Wirklichkeit anzunähern: Denn die meisten von ihnen sind heute in fortgeschrittenem Alter. Umso wichtiger ist es, ihre Erzählungen jetzt zu konservieren – als Erinnerung und als Mahnung. Im Mittelpunkt der Ausstellung stehen die Gesichter der Betroffenen, festgehalten vom preisgekrönten Fotografen Beat Mumenthaler. Die Überlebenden werden dabei nicht einfach als Opfer dargestellt, sondern als Menschen, deren Gesichter von ihrer eindrücklichen Lebensgeschichte geprägt und gezeichnet sind.
Die meist hochbetagten Zeitzeugen stehen stellvertretend für die geschätzten heute noch lebenden 450 Holocaustüberlebenden in der Schweiz, wobei die Dunkelziffer hoch ist. Die in der Ausstellung porträtierten Menschen stammen aus den unterschiedlichsten Ländern Europas. Viele von ihnen lebten in Konzentrations- und Vernichtungslagern, andere suchten Schutz in Verstecken, zum Beispiel in Klöstern. Da die Schweiz 1939 die Grenzen für Flüchtlinge schloss, gelang nur wenigen während des Krieges die Flucht in die Schweiz. Die meisten kamen erst später in unser Land – etwa während des Ungarn-Aufstandes 1956 oder nach der Niederschlagung des Prager Frühlings 1968.
Das Ende des Krieges bedeutete für die Überlebenden zwar eine Befreiung von physischer Gewalt und bewahrte sie vor dem Tod, doch es war keine Befreiung für das weitere Leben. Die Betroffenen – die oft ihre ganzen Familien verloren hatten – mussten lernen, ihr Leben fortzusetzen, eine Familie zu gründen und eine berufliche Karriere zu starten. Die Biografien dokumentieren diesen starken Willen, ein möglichst normales Leben führen zu können, aber auch das Trauma und die tiefe Trauer, die bis ins hohe Alter stetige Begleiter der Überlebenden sind. Davon zeugen die sensibel realisierten Filmporträts von Regisseur Eric Bergkraut.
Die Ausstellung richtet sich vor allem auch an junge Menschen. Sie soll die Erinnerung an die Zeit der Shoah wachhalten und aufzeigen, wohin der vielerorts wieder aufflackernde Antisemitismus führen kann. Die Erinnerung an den Holocaust soll aber auch Warnung dafür sein, welche schwerwiegenden Folgen Ausgrenzung, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit haben können.
The Last Swiss Holocaust Survivors ist vom 18. Oktober bis 25. November 2017 im Kornhausforum in Bern und vom 4. bis 24. Dezember 2017 an der Universität in Basel zu sehen.
www.last-swiss-holocaust-survivors.ch