TANGRAM 36

Der Experte: «Rassismus ist in erster Linie ein Problem der Erziehung»

Zusammenfassung des Artikels
«L’expert : « Le racisme est avant tout un problème d’éducation » (französisch)

Autor

Stéphane Koch ist Spezialist für strategisches Informationsmanagement.
skoch@intelligentzia.ch

Auch wenn Rassismus immer wieder verurteilt und strafrechtlich sanktioniert wird, scheint er seine Dynamik nicht zu verlieren, auch nicht unter den Jugendlichen, auf denen eigentlich die Hoffnung ruht, gegen ihn ankämpfen zu können. Ist es allein der Fehler des Internets? Das wäre zu kurz gegriffen. Das Internet übernimmt nur die Gedanken der Nutzenden, und Soziale Netzwerke gibt es schon seit Jahrhunderten. Die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien führen zu einer enormen Verbreitung von Inhalten, doch durch deren «Regulierung» und das Löschen rassistischer Kommentare wird das Problem nur versteckt und nicht gelöst.

Eine der Hauptursachen für Rassismus ist die Ablehnung des Andersseins, die Angst vor dem anderen, das man nicht versteht und von dem man befürchtet, dass es einen verdrängt, und das man deshalb herabzuwürdigen und auszuschliessen versucht. Wenn man zudem nach einem fest definierten oder als DAS Modell verstandenen Gesellschaftsmodell erzogen worden ist, ist es schwierig, andere zu akzeptieren.

Letztlich ist der Rassismus also ein Problem der Erziehung und muss vor allem von den Bildungsbeauftragten angegangen werden. Es ist wichtig, dass auch Eltern und Lehrpersonen die modernen Technologien kennen. Die mangelnde Fähigkeit zur Differenzierung, aus der die rassistischen Gefühle erwachsen, muss bekämpft und die Kritikfähigkeit der Jugendlichen geschult werden.

Im Netz ist der wichtigste Informationsträger die Emotion: Wenn man lernt, eine gewisse kritische Distanz zu bewahren, können negative emotionale Dynamiken gebremst werden. Ein interessantes pädagogisches Projekt wäre hier beispielsweise die Schaffung einer Art Wikipedia der kulturellen und reli-
giösen Stereotype, um diese besser zu bekämpfen. Die Teilnehmenden könnten sich dabei spontan mit anderen Kulturen auseinandersetzen und würden selber zu Vertretern der Werte, die man ihnen beibringen wollte.

Alle Bildungsanstalten sollten zudem über eine gemeinsam von den Lernenden und Lehrenden erstellte Charta für die Nutzung der Sozialen Medien verfügen mit Empfehlungen, den gesetzlichen Rahmenbedingungen und der Thematisierung der Rassismusproblematik. Eine solche Charta besitzt beispielsweise bereits die École Moser in Genf.