Autoren
Daniel Auer ist Postdoktorand an der Universität Bern und Research Fellow an der Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung.
Julie Lacroix ist Research Fellow an der Universität St. Andrews.
Didier Ruedin ist Maître d’Enseignement et de Recherche an der Universität Neuchâtel. didier.ruedin@unine.ch
Eva Zschirnt ist Assistenzprofessorin an der Universität Amsterdam.
Ein 2018 durchgeführtes Feldexperiment im Schweizer Wohnungsmarkt zeigt auf, dass Personen, die wegen ihrem türkischen oder kosovo-albanischen Namen rassifiziert werden, weniger häufig zu Besichtigungsterminen eingeladen werden.
Shqipe Krasniqi und Daniela Gerber möchten sich jeweils um die helle Dreieinhalb-Zimmer-Wohnung im ruhigen Aussenquartier bewerben. Die Umgebung passt, die Fotos im Inserat gefallen, also schreiben sie beide an die Kontaktperson. Bestimmt wird es noch andere Interessenten und Interessentinnen geben, also schreiben sie einen kurzen Brief in dem sie sich vorstellen — genau wie es von der Immobilienplattform empfohlen wird.
Daniela Gerber wird für einen Besichtigungstermin eingeladen; Shqipe Krasniqi hört nichts mehr. Wäre es nur dieses eine Mal, würde sich Shqipe Krasniqi wohl keine weiteren Gedanken machen — es gab wohl zu viele Bewerbungen. Was Shqipe Krasniqi wohl spürt, können wir in den Sozialwissenschaften nachweisen: Personen die aufgrund ihres Namens rassifiziert werden, scheiden häufiger in dieser ersten Runde aus, ohne die Möglichkeit in einem persönlichen Gespräch einen guten Eindruck zu hinterlassen.
Mit zufällig erstellten, fiktiven Kandidaten und Kandidatinnen erbaten wir zwischen März und Oktober 2018 über 11’000 Mal einen Besichtigungstermin für eine Wohnung. Wir deckten die ganze Schweiz ab, sowohl städtische als auch ländliche Gebiete. Die fiktiven Kandidaten und Kandidatinnen hatten einen Schweizer Namen, einen türkischen, einen kosovo-albanischen, oder einen aus den Nachbarländern (der Sprachregion angepasst).
In der gesamten Schweiz, in allen Regionen fanden wir heraus, dass Personen die wegen ihrem türkischen oder albanischen Namen rassifiziert werden, weniger häufig zu einem Besichtigungstermin eingeladen werden. Wir können ebenfalls aufzeigen, dass eine Einbürgerung nicht vor Diskriminierung schützt: Die positive Antwortrate unterscheidet sich nicht. Handkehrum werden Personen, deren Namen auf ein Nachbarland hindeutet, nicht anders behandelt als diejenigen mit Schweizer Namen. Diese Unterschiede zeigen deutlich, dass es sich um eine Rassifizierung handelt und nicht um eine Ablehnung von Personen ohne Schweizer Pass. Durch das experimentelle Vorgehen können wir andere Gründe ausschliessen.
Auch zeigt das Experiment gut, dass nicht alle Vermieterinnen und Vermieter bzw. Verwaltungen aufgrund rassistischer Zuschreibung handeln müssen, damit sich eine Struktur ergibt. In der Tat werden in den meisten Fällen beide Personen eingeladen: diejenigen mit dem Schweizer Namen und diejenigen mit dem «ausländischen» Namen. Im Schnitt bleibt trotzdem ein systematischer Nachteil für die rassifizierten Personen.
Ein einzelnes Experiment kann nicht das ganze System darstellen, oder ergründen, welche Stereotype oder andere Gründe zu den Entscheiden führen. Es ist möglich, dass es sich um «Bauchentscheide» handelt, die bei der gleichen Person das nächste Mal anders ausfallen können — aber wir wissen eindeutig, dass im Schnitt Personen mit türkischen und kosovo-albanischen Namen benachteiligt werden. Ebenfalls nicht abgedeckt sind die Folgen, z.B. dass Shqipe Krasniqi wahrscheinlich länger nach einer Wohnung suchen muss oder schliesslich in eine teurere Wohnung oder an eine lärmige Strasse ziehen muss und damit weitere Nachteile in Kauf nehmen muss, etwa bei Gesundheit oder Ausbildung.
Als erster Schritt ist es wichtig zu anerkennen – in der Politik, bei Branchenvertretenden, in der Gesellschaft –, dass struktureller Rassismus im Wohnungsmarkt wie in anderen Lebensbereichen vorkommt. Schulungen können Verantwortliche sensibilisieren, aber ohne griffigen Rechtsrahmen haben Vermieterinnen und Vermieter im aktuellen Markt wenig Anreize, ihr Verhalten zu ändern.
Bibliografie:
Auer, Daniel, Julie Lacroix, Didier Ruedin, and Eva Zschirnt. Ethnische Diskriminierung auf dem Schweizer Wohnungsmarkt. 2019. Grenchen: BWO.