Oft werde ich gefragt: «Leidet Ihre Polizei unter strukturellem Rassismus?» Manchmal ist es nicht mal mehr eine Frage, sondern eine kategorische Behauptung. Wie können wir das Thema, dem wir uns nicht entziehen wollen, realistisch angehen?
Heute kreisen die Überlegungen vieler Kantonspolizeien um den strukturellen Rassismus, da der Umgang mit Multikulturalität die Polizei zu einem ständigen Überdenken der Funktionsweise und des Einflusses ihrer Institution zwingt. Bei der Freiburger Kantonspolizei hat uns die Frage dazu veranlasst, den Einfluss von Vorurteilen auf die Qualität unserer Arbeit zu thematisieren und dabei auch alle anderen Fragen im Zusammenhang mit sogenannten Minderheiten einzubeziehen: Geschlecht, Ethnie, Generation, Religion, Gruppenzugehörigkeit usw.
Gleich zu Beginn wurden zwei Arbeitsweisen definiert:
- Pragmatisch vorzugehen statt auf akademische Diskurse und Ansätze zu setzen, deren Wirkungen in einem Umfeld, in dem Dringlichkeit und Intensität den Takt vorgeben, vielleicht zu schwach ausgefallen wären (die Polizeidirektion entschied sich für pragmatische und konkrete Ansätze, «um alle mitzunehmen»)
- Mit Partnerinnen und Akteuren aus dem praktischen Umfeld zusammenzuarbeiten, z. B. mit Sozialarbeiterinnen und Präventionsorganisationen
Nach ersten Überlegungen in der Polizeidirektion wurde klar, wie heikel, komplex und folgenreich die Aufgabe war. Wir waren uns jedoch einig, dass Handlungsbedarf bestand, auch auf die Gefahr hin, dass wir in zehn Jahren allein und aus der Zeit gefallen gelten würden.
Die Freiburger Kantonspolizei hat beschlossen, den Begriff der Diversität in ihre prioritären strategischen Ziele aufzunehmen und die Frage auf alle Arten von Diversität auszuweiten, um die Sicherheit für alle besser zu gewährleisten. Uns war bewusst, dass es dabei nicht reichen würde, sie in einem Leitbild zu verankern.
Als Kommandant weiss ich aus dem Alltag, dass sich Polizistinnen und Polizisten absolut nicht für rassistisch halten. Und doch wird ihr Handeln bei der Ausübung ihres Berufs manchmal als rassistisch wahrgenommen. Dadurch entsteht ein potenzielles Spannungsfeld und es gibt sicherlich einiges zu verbessern.
Auf der einen Seite wird in der Kriminalanalyse und der Fahndung die Frage der ethnischen Herkunft bei der Begehung bestimmter Arten von Straftaten berücksichtigt. Auf der anderen Seite muss sich die Arbeit der Polizistinnen und Polizisten im Alltag auf die Unschuldsvermutung und die Unparteilichkeit stützen. Eine anspruchsvolle Gratwanderung! Angesichts der schwierigen Ausgangslage scheint die beste Methode ein Ansatz zu sein, der sich auf die Entwicklung von Kompetenzen und die Fähigkeit zur Selbstanalyse konzentriert (Debriefing oder After Action Review).
Wir haben uns daher entschieden, bei der Ausbildung insbesondere das Profiling, eine im Polizeialltag typische Handlung, zu analysieren. Da die Hautfarbe ein Profilingkriterium bei der Fahndung ist, müssen die Kompetenzen unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ausgebaut werden, wobei zu betonen ist, dass dieses Kriterium nicht ausreicht, um gute Arbeit zu leisten. Es braucht weitere Überlegungen. In den Ausbildungssequenzen setzen wir an zwei Hebeln an: «Bist du dir der Auswirkungen deiner Identitätskontrolle bewusst?» Und: «Was willst du mit einem solchen Profiling erreichen?» Liegt kein überwiegendes Interesse vor, muss jede Polizistin und jeder Polizist in der Lage sein, der Person, die kontrolliert wird, die Faktoren zu erklären, die sie oder ihn zu dieser Handlung veranlasst hat.
Während der Schulungen kommt es so zu sehr offenen Diskussionen über die psychologischen und kulturellen Triebfedern, nach denen sich unser Handeln ausrichtet. Wir sind überzeugt, dass das Erkennen von Zielkonflikten und eine Nachbesprechung solch schwieriger Situationen die Qualität unserer Arbeit verbessern kann. Bei der Ausübung unserer täglichen Polizeiarbeit wird immer wieder darauf hingewiesen, dass «Böswilligkeit», «Missverständnisse» und berufliche Fehler tabulos und korrekt behandelt werden, und zwar nach dem entsprechenden Verfahren: disziplinarisch, verwaltungsrechtlich oder, wenn die Generalstaatsanwaltschaft eine strafbare Handlung erkennt, strafrechtlich.
In Zusammenarbeit mit der Fachstelle für die Integration der MigrantInnen und für Rassismusprävention des Kantons Freiburg (IMR) fanden dank unserer Brückenbauer zwischen Polizistinnen und Polizisten und Vertretern verschiedener Gemeinschaften mehrere Treffen statt, was das gegenseitige Vertrauen stärkte. Diese Partnerschaft hat sich weiterentwickelt und konkrete Aktionen im praktischen Umfeld ermöglicht, die mit der Rassismusprävention, aber auch mit anderen kriminellen Themen in Verbindung stehen.
Beispielsweise führten Abrechnungen zwischen rivalisierenden Banden in der Westschweiz regelmässig zu angespannten Situationen zwischen Jugendlichen und Polizei (etwa bei Identitätskontrollen oder Anhaltungen). Um dem entgegenzuwirken, wurde in einem Zentrum für soziokulturelle Animation ein Treffen organisiert, bei dem etwa 40 Jugendliche und junge Erwachsene mit Polizisten und Sozialarbeitern in Kontakt gebracht wurden. Der Austausch war intensiv, aber korrekt, und schloss mit dem Fazit, gemeinsam einen Schritt zur Beruhigung der Situation tun zu wollen. Es gab auch ein überraschendes Nachspiel: ein Fussballturnier, bei dem Jugendliche aus dem Grossraum Freiburg sowie Vertreterinnen und Vertreter von Polizei, Behörden und Sozialarbeit in gemischten Mannschaften auf dem Spielfeld zusammenkamen. Die Jugendlichen waren an den Vorbereitungen für das Turnier beteiligt, das im Sommer 2022 stattgefunden hat.
Rassismus darf nicht ungestraft bleiben. Doch trauen sich die Opfer, zur Polizei zu gehen? Wir müssen uns bewusst sein, dass es manchen Menschen schwerfallen kann, einen Polizeiposten zu betreten. Um dem entgegenzuwirken, wollen wir unsere Bürgertreffen nutzen, das Melden von Fällen jeglicher Art von Diskriminierung fördern und es so den Opfern leichter machen, Anzeige zu erstatten. Diese Aufgabe ist auf Dauer ausgelegt, da der Zugang zu Polizei und Justiz manchmal schwierig erscheint ... Die Polizei kann hier eine vermittelnde Rolle spielen, indem sie die Dinge so klar wie möglich erklärt.
Die Polizei muss bestrebt sein, eine Polizei für alle zu bleiben und der gesamten Bevölkerung das gleiche Leistungsniveau zu garantieren. Daher drängt sich die Idee geradezu auf, die Rekrutierung für Personen mit Diversitätshintergrund zu öffnen. So etwas lässt sich jedoch nicht einfach verordnen und es reicht nicht aus, ein paar Zeilen auf eine Website zu setzen. Es braucht einerseits den Wunsch, sich unseren Reihen anzuschliessen, und andererseits die Möglichkeit, diese Laufbahn in Angriff zu nehmen. Während die Frage der Rekrutierung von Personen mit C-Bewilligungen als Polizistin bzw. Polizist politisch bleibt, liegen andere Bereiche in unserer eigenen Zuständigkeit. Die Kommunikation über soziale Netzwerke sowie konkrete Massnahmen der bürgernahen Polizeigruppen ermöglichen es, auf allen Ebenen unserer Organisation Aktionen durchzuführen, die für alle Bevölkerungsgruppen sichtbar, zugänglich und beruhigend sind.
Nach einigen Monaten können wir bereits einige Lehren ziehen. Das Vorgehen überrascht intern wie extern und stellt eine echte Herausforderung an der Schnittstelle unserer Organisationskultur, Ethik und Arbeitstechniken dar. Es ergibt sich nicht unbedingt spontan in einer Zeit, in der der Polizeikorps in der Schweiz unter Personalmangel und allgemeiner Überlastung leidet. Eine solche Ausrichtung erfordert daher das Vertrauen der Behörden, ein grosses Engagement bürgernaher Akteurinnen und Akteure und auch ein wenig Mut, um die Veränderung anzugehen.
Die Bereitschaft und die Offenheit sind innerhalb der Polizei ebenso spürbar wie bei den angesprochenen Gemeinschaften. In diesem Sinne spielen die Akteurinnen und Akteure der sozialen Integration sowie die Fachstellen für Integration eine wichtige Rolle. Auch wenn der Ansatz kantonal gedacht ist, muss die Suche nach konkreten Lösungen in erster Linie auf der Ebene der einzelnen Quartiere und Gemeinden erfolgen.
Angesichts des Weges, der noch vor uns liegt, gilt es jedoch, bescheiden zu bleiben. Die Basis mag solide erscheinen, aber die Situation kann sich aufgrund von Ereignissen in nächster Nähe oder am anderen Ende der Welt schnell ändern. Wir hoffen, dass diese grundlegende Arbeit eine nachhaltige Investition darstellt, die es uns ermöglicht, künftige Herausforderungen bei der Sicherheit abzufedern, indem wir auf das Vertrauen unserer gesamten Bevölkerung zählen.
Nach mehreren Monaten zeichnet sich eine Erkenntnis immer deutlicher ab: Die Anstrengungen lohnen sich. Die Verbindungen zwischen den Gemeinschaften und der Polizei sind bereichernd. Sie fördern das Zusammenleben, für das die Sicherheit zentral ist. Sie erhöhen auch die Qualität unseres Arbeitsumfeldes. Und schliesslich dreht sich alles um Menschen: Frauen und Männer mit unterschiedlichen Hintergründen und Rollen haben sich zu einem bestimmten Zeitpunkt dazu entschlossen, Vorurteile zu überwinden, um gemeinsam zu diskutieren, um sich zu verstehen und gemeinsam etwas aufzubauen.
Auf die Frage «Leidet Ihre Polizei unter strukturellem Rassismus?» würde ich also Folgendes antworten: «Wir, die Freiburger Polizistinnen und Polizisten, sind bereit, mit allen Menschen guten Willens zusammenzuarbeiten, um im Alltag das folgende Ziel zu kultivieren: Jeder und jede in unserem Kanton sollte der festen Überzeugung sein, dass wir die Polizei von allen und für alle sind. Ausgehend von den gemachten Erfahrungen will die Freiburger Polizei ihre bürgernahe Arbeit fortsetzen, um eine entscheidende Akteurin bei der Integration, dem Respekt, der Bekämpfung von Rassismus und der Sicherheit für alle zu sein.