Autorin
Marianne Helfer ist wissenschaftliche Mitarbeiterin der Fachstelle für Rassismusbekämpfung.
marianne.helferherreraerazo@gs-edi.admin.ch
Rassistische Diskriminierung findet statt – in allen Lebensbereichen, in der realen wie in der virtuellen Welt, auf institutioneller wie auf individueller Ebene. Der vierte Bericht der Fachstelle für Rassismusbekämpfung (FRB) zur Periode 2017-2018 analysiert die aktuelle Datenlage und liefert einen Überblick über zivilgesellschaftliche und staatliche Massnahmen der Rassismusbekämpfung.
So vielfältig wie die Erscheinungsformen rassistischer Diskriminierung, so schwierig ist deren Erfassung. Erst die kombinierte Betrachtung der Daten aus verschiedenen Quellen erlaubt es, einen Überblick über die Situation zu gewinnen. Der jüngste FRB-Bericht bietet Fachpersonen und Interessierten ein Instrument, das rassistische Diskriminierung in den verschiedenen Lebensbereichen und für verschiedene verletzliche Gruppen umfassend und systematisch darstellt.
Die Datenanalyse umfasst die aktuellen Ergebnisse der Umfrage des Bundesamtes für Statistik zum Zusammenleben in der Schweiz (ZidS) (1), Daten aus der Beratungspraxis und statistische Angaben zu den unterschiedlichen Lebensbereichen und spezifischen Bevölkerungsgruppen. Die miteinander verknüpfte Betrachtung dieser Daten liefert Hinweise auf Trends und systematische Diskriminierung.
Die Werte aus der ZidS-Umfrage sind stabil, wenn auch auf hohem Niveau – jede dritte Person in der Schweiz fühlt sich durch als «anders» wahrgenommene Menschen gestört, und ein Drittel der Bevölkerung berichtet von Diskriminierungserfahrungen. Gleichzeitig werden Rassismus und Diskriminierung als ernstes gesellschaftliches Problem wahrgenommen: Ein Drittel der Befragten ist der Ansicht, dass mehr dagegen unternommen werden müsste. Auch die Tatsache, dass jüngere Menschen häufiger rassistische Diskriminierung erleben, ist in diesem Zusammenhang zu sehen: Im Vergleich zu älteren Personen scheinen sie sensibler für das Thema zu sein und eine geschärfte Wahrnehmung für rassistische Diskriminierung zu haben.
Diskriminierung kommt in allen Lebensbereichen vor und ist ein strukturelles Problem: Der Bericht präsentiert im Detail, in welchen Lebensbereichen der Zugang für spezifische Zielgruppen erschwert ist. Teilweise liegen diesbezüglich neue spezifische Studien vor – so zeigt etwa eine neue vom Bundesamt für Wohnungswesen beauftragte Untersuchung, dass Personen mit einem kosovarischen oder türkischen Namen auf dem Wohnungsmarkt benachteiligt sind.
Besonders häufig wird Diskriminierung bei der Stellensuche und im beruflichen Alltag gemeldet. Seit Jahren gibt es am meisten Beratungsfälle in diesem Bereich. Das lässt aber nicht zwingend darauf schliessen, dass hier am meisten Diskriminierung vorkommt, sondern lediglich darauf, dass sich in diesem Bereich die Menschen am ehesten beraten lassen, und möglicherweise darauf, dass Diskriminierung im beruflichen Kontext – als Kernbereich der gesellschaftlichen Integration – als besonders einschneidend erlebt wird.
Der Bericht geht erstmals mit einem eigenen Kapitel auf Diskriminierung in Medien und Internet ein und kommt zum Schluss, dass die rassistische Hassrede im Netz ein quantitatives Ausmass und eine qualitative Dimension erreicht hat, welche die demokratische Auseinandersetzung erschweren. Es braucht deshalb geeignete Strategien und Massnahmen auf verschiedenen Ebenen – namentlich zur Schaffung von Gegenöffentlichkeiten, zur strafrechtlichen Ahndung wie auch zur Prävention.
Insbesondere die Daten aus der ZidS-Umfrage und neuere Studien zum Anti-Schwarzen-Rassismus machen deutlich, dass Rassismus häufig in alltäglichen Bemerkungen oder Gesten zum Ausdruck kommt, die subtil, aber gleichwohl beleidigend sind. Es ist dadurch schwieriger, Rassismus zu benennen und darauf zu reagieren – auch wenn er den Alltag der Betroffenen prägt.
Auf solche und andere Herausforderungen bei der Umsetzung von Massnahmen zum Diskriminierungsschutz und zur Rassismusbekämpfung geht der Bericht ebenfalls ein. Der Fokus liegt dabei auf staatlichen und überregionalen Aktivitäten. In allen Kapiteln werden exemplarisch aber auch regionale und lokale sowohl staatliche wie zivilgesellschaftliche Massnahmen beschrieben. Dabei wird deutlich, welche Vielzahl an Aktivitäten mit viel Innovation und Engagement in allen Lebensbereichen umgesetzt werden. Gleichzeitig ist aber festzustellen, dass diese Tätigkeiten oft punktuell und nicht nachhaltig eingebettet sind – Diskriminierungsschutz ist noch keine Selbstverständlichkeit.
Das gilt auch für die Kantonalen Integrationsprogramme (KIP) – die zwar einen Meilenstein darstellen für den Aufbau von Beratungsangeboten und für die Verankerung des Diskriminierungsschutzes. Dieser wird aber noch wenig als eigentliche Bedingung der Integrationsförderung verstanden. Ausserdem sind auch die im Rahmen der KIP neu geschaffenen oder weitergeführten Beratungsangebote selten längerfristig gesichert. Der Bericht zeigt, dass es oft an den nötigen Ressourcen fehlt, um in die Qualität der Beratung sowie die Zugänglichkeit und Sichtbarkeit der Angebote zu investieren.
Als positive Entwicklung beschreibt der Bericht die stärkere Präsenz von Personen mit Rassismuserfahrung in zivilgesellschaftlichen Bewegungen, die sich Gehör verschaffen und eine grosse Vielfalt an Initiativen umsetzen – sei dies als Widerstand gegen Racial Profiling, in den lautstarken Forderungen nach einer postkolonialen Perspektive auf die Schweiz oder in Vorschlägen für einen neuen Diskurs über Migration.
Der FRB-Bericht umfasst die Jahre 2017-2018, wo sinnvoll, geht er punktuell auch auf neuere Entwicklungen ein. Er erscheint alle zwei Jahre und ist in diesem Sinne als eine Art Chronologie zu sehen, welche die Entwicklung dokumentiert.
(1) www.bfs.admin.ch> Statistiken finden> Bevölkerung> Migration und Integration> Zusammenleben
Link:
www.frb.admin.ch> Monitoring und Berichterstattung