Autorin
Theodora Peter
Die rechtsextreme Schweizer Band «Mordkommando» drohte in YouTube-Songs Juden mit dem Tod. Ein in der Schweiz eingeleitetes Strafverfahren scheiterte jedoch am Veto des US-Justizministeriums. Dieses verwies auf die Redefreiheit («freedom of speech») und erlaubte dem Internet-Konzern Google auch nicht, die Daten freiwillig herauszugeben.
Die hasserfüllten, mit antisemitischen Parolen gespickten Songs der Neonazi-Band waren 2016 auf das Videoportal der Google-Tochter YouTube hochgeladen worden. Im Visier der «Mordkommando»-Drohungen war auch der Präsident des Israelitischen Gemeindebundes (SIG). In der Folge erstatteten der SIG und weitere Betroffene Anzeige wegen Drohung und Rassendiskriminierung. Die Zürcher Staatsanwaltschaft eröffnete ein Verfahren, musste dies aber Ende 2018 ergebnislos einstellen. Grund: Das US-Justizdepartement hatte ein Rechtshilfeersuchen der Schweizer Strafverfolger mit Verweis auf das verfassungsmässige Recht auf Redefreiheit («freedom of speech») abgelehnt. Auch ging aus der Sicht der US-Behörden aus dem Gesuch nicht hervor, ob eine konkrete Gefahr für die in den Songtexten erwähnten Personen bestand.
Mit dieser frustrierenden Antwort wollte sich der SIG nicht zufriedengeben. Der Gemeindebund intervenierte direkt bei YouTube und dessen Mutterkonzern Google. Dort zeigte man sich zwar kooperativ und versprach, die für die Identifikation der Täter nötigen IP-Adressen der hochgeladenen Videos freiwillig herauszugeben. Eine direkte Übergabe der Daten an die Schweizer Ermittler lehnte das in Kalifornien ansässige Unternehmen aber ab. Dazu brauche es ein formelles Ersuchen einer US-amerikanischen Behörde. Doch auch dazu bot das US-Justizministerium keine Hand: Eine freiwillige Herausgabe der Daten sei nur in Notfällen zulässig, so die Argumentation.
Nicht nachvollziehbar ist die Haltung der US-Behörden auch für die Zürcher Justiz. Dort wunderte man sich darüber, «dass die krassen Aussagen für mit der Redefreiheit vereinbar gehalten werden», wie der zuständige Staatsanwalt im Februar 2019 gegenüber der «Neuen Zürcher Zeitung» erklärte. Aus seiner Sicht hätte man die Täter identifizieren können, wenn die US-Behörden dem Rechtshilfeersuchen stattgegeben hätten. Stossend ist aus Sicht der Justiz zudem, dass Plattformen wie Google oder Facebook selber entscheiden, welche Inhalte sie den Strafverfolgungsbehörden freiwillig liefern.
Der SIG seinerseits stellt in den sozialen Medien eine steigende Zahl von antisemitischen Hassbotschaften fest. Bei gravierenden Fällen werde man weiterhin Anzeige erstatten, betont der Gemeindeverband, und er sieht grundsätzlich «dringenden Handlungsbedarf», um die Hetze auf Online-Plattformen zu bekämpfen.
Im eidgenössischen Parlament sind Vorstösse unterwegs, welche die Durchsetzung von Recht im Internet stärken wollen. So sollen grosse kommerzielle Internetplattformen mit mehr als 200'000 Nutzerinnen und Nutzern von Gesetzes wegen eine Zustelladresse in der Schweiz bezeichnen müssen und diese auf ihrer Plattform publizieren. Damit hätten die Behörden hierzulande einen Ansprechpartner und Betroffene wüssten, wohin sie sich mit Beanstandungen wenden können. Der Weg über die internationale Rechtshilfe wäre zwar immer noch nötig, doch würden die Verfahren so immerhin beschleunigt.