Autor
Matthieu Gillabert ist Professor für Zeitgeschichte an der Universität Freiburg. matthieu.gillabert@unifr.ch
Viele Historikerinnen und Historikern befassen sich heute in der Schweiz mit Rassismus und kolonialer Vergangenheit. Diese Themen haben inzwischen auch Eingang in die öffentliche Debatte gefunden.
Das war bei weitem nicht immer so. Obwohl die Schweiz schon sehr früh ein globalisiertes Land war, insbesondere durch die hier angesiedelte Export- und Finanzindustrie, herrschte weitherum das Gefühl vor, man habe mit dem Kolonialismus nie etwas zu tun gehabt. Im 20. Jahrhundert verstärkte die Tatsache, dass auf Schweizer Boden keine grösseren Konflikte ausgetragen wurden, den Eindruck, eine Insel inmitten von imperialistischen und entkolonialistischen Wirren zu sein. Dieses Gefühl der historischen Unschuld schlug sich auch in der Ausblendung der Rassismusfrage nieder.
Zu dieser schweizerischen Besonderheit kommt hinzu, dass die internationale Kolonialgeschichte entweder nie einen Forschungsschwerpunkt bildete oder aber, wie im Fall der 1912 in Paris gegründeten Société d'histoire des colonies françaises, selber im Dienst des Kolonialismus stand. Die im 19. Jahrhundert institutionalisierte Geschichtswissenschaft trug selbst insofern Züge des Kolonialismus in sich, als sie den Lauf der Zeit als Synonym für Fortschritt betrachtete, sich auf die Nation konzentrierte und den schriftlichen Quellen eine zentrale Bedeutung beimass. Die Allgemeine Geschichte wurde weitgehend von den Völkern «ohne Geschichte» getrennt betrachtet. Wer sich heute als Historikerin oder Historiker mit der Kolonialgeschichte auseinandersetzt, muss also auch über die eigene Disziplin nachdenken, ihre Vergangenheit, die Repräsentationen von Andersartigkeit, die sie geprägt hat, und ihre Fähigkeit, sich heute in die öffentliche Debatte einzubringen.
Seit dem späten 19. Jahrhundert bemühte sich der marxistische Ansatz, die Kolonialgeschichte aus dem nationalen Korsett zu befreien und sie unter dem Gesichtspunkt der sozialen Interaktionen auf globaler Ebene zu betrachten. Später eigneten sich Intellektuelle des globalen Südens die Kolonialgeschichte an: So befasste sich Cheikh Anta Diop beispielsweise bereits in den 1950er-Jahren mit der vorkolonialen Vergangenheit, und Frantz Fanon, eine prägende Figur der postkolonialen Studien, zeigte auf, wie die Kolonisierung auch das von einer Ideologie der Weltherrschaft beeinflusste westliche Weltbild kolonisierte. Der US-amerikanische Schriftsteller James Baldwin berichtete von rassistischen Haltungen, denen er auf seinen Reisen in die Schweiz begegnet war.
In der Schweiz tritt dieser postkoloniale Ansatz erst spät, zu Beginn des 21. Jahrhunderts, in Erscheinung. Er gibt der Geschichtsforschung neuen Schub und beleuchtet die Auswirkungen der globalen Geschichte auf das politische und kulturelle Leben des Landes. Ausgegangen ist er von einem Ideenaustausch, vor allem aber von den Dritte-Welt-Bewegungen zu Beginn der 1960er-Jahre, und später von den antirassistischen sozialen Bewegungen im Zuge von Black Lives Matter, die die Rassenfrage in sozialen Interaktionen – Polizeiaktionen, Stellenbesetzungen – und im öffentlichen Raum aufwarfen.
Trotz dieses nicht sehr günstigen Umfelds wurden Arbeiten über den Austausch zwischen der Schweiz und den Kolonialgebieten und über die politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Auswirkungen veröffentlicht. Bis zur Jahrtausendwende gab es nur vereinzelte Publikationen, inzwischen sind sie zahlreicher, vielfältiger und interdisziplinärer geworden. Nach einer Bestimmung der wichtigsten Bereiche der Kolonialgeschichte in der Schweiz untersucht der vorliegende Beitrag die Themen, die sich in den letzten Jahren herauskristallisiert haben, und stellt dann einige Überlegungen zur aktuellen Rolle der Geschichte in der öffentlichen Debatte über diese Themen an.
Es wäre falsch anzunehmen, dass die Aufarbeitung der Verwicklungen der Schweiz mit der kolonialen Welt erst mit den antirassistischen Bewegungen des 21. Jahrhunderts begonnen hätte. Bereits 1932 veröffentlichte der deutsche Soziologe Richard Behrendt ein Buch über die Schweiz und den Imperialismus, in dem er aufzeigte, wie opportunistisch manche in der Schweiz die Schwäche des Schweizer Staates und die Neutralität ausnutzten, um an den kolonialen Unternehmen der Grossmächte leichter teilhaben zu können. Das Werk stellt eine Frage, mit der sich ein Grossteil der in diesem Zusammenhang publizierten Arbeiten befasst: Gibt es einen Schweizer Imperialismus? Und wenn ja, wie ist er beschaffen, welche Rolle spielt der Staat angesichts der Tatsache, dass die Schweiz keine eigenen Kolonien hatte?
Inzwischen hat die Geschichtsforschung eine Vielzahl von Fällen analysiert, in denen Schweizer im Handel mit kolonisierten Ländern aktiv waren, wobei die Nationalität nicht immer eine entscheidende Rolle spielte. Sie zeigte auch, dass der Bund der Kolonisierung nicht untätig gegenüberstand, insbesondere eröffnete er Konsulate, deren Hauptaufgabe darin bestand, schweizerische Angelegenheiten zu unterstützen.
Umgekehrt hatten die Märkte in Übersee einen entscheidenden und im europäischen Vergleich einzigartigen Einfluss auf den industriellen Aufschwung der Schweiz. Eine Herausforderung bleibt hierbei nach wie vor die Frage der Archive. Ab 1880 gibt die Aussenhandelsstatistik des Bundes einen recht umfassenden Einblick in den Handel mit der kolonialen Welt. Paul Bairoch hat aufgezeigt, dass die Schweiz zu den Staaten gehört, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts am meisten verarbeitete Produkte exportierten, darunter einen grossen Teil in aussereuropäische Länder. Claude Lützelschwab hat dargestellt, wie Genfer Kaufleute über die Compagnie genevoise des colonies suisses de Sétif wichtige Landkonzessionen in Algerien erhielten, indem sie sich 1860 mit Franzosen zusammentaten. Béatrice Veyrassat befasste sich zunächst mit dem lateinamerikanischen Raum und hat dann 2018 eine Arbeit publiziert, die in einem sozioökonomischen Ansatz einen Überblick über den Austausch zwischen der Schweiz und den kolonisierten Ländern im ganzen 19. Jahrhundert schafft.
Für die Zeit vor 1800 haben sich Historikerinnen und Historiker mit Familienunternehmen und lokalen Unternehmen befasst und dabei in einigen Fällen einen hohen Grad der Integration in die koloniale Welt festgestellt. Die bahnbrechende Forschungsarbeit von Pierre Caspard über die Fabrique-Neuve de Cortaillod in der Nähe von Neuenburg, die auf die Herstellung von farbigen Baumwollstoffen, Indiennes, spezialisiert war, zeigt auch, wie wichtig die Verbindung der Schweiz mit den kolonisierten Ländern des 19. Jahrhunderts für die Vermarktung dieser Textilien war. Die Produktion war einerseits von Rohstoffen wie Baumwolle, Gummi aus Afrika und Indigo aus Amerika abhängig und andererseits auf externe, europäische und in einigen Fällen afrikanische Märkte ausgerichtet. Als Teil des Dreieckshandels wurden Indiennes aus der Schweiz auch von lokalen afrikanischen Eliten gegen Sklaven eingetauscht. Die Schweiz produzierte auch eigens auf den afrikanischen Markt ausgerichtete Stoffmuster. Christof Dejungs Arbeit von 2013 belegt die Bedeutung von Privatarchiven für das Verständnis des globalen Handelsnetzes von Textilunternehmen wie dem der Gebrüder Volkart und der wirtschaftlichen Globalisierung, zu deren Etablierung diese Firmen im 19. Jahrhundert beitrugen.
Neben den wirtschaftlichen Fragestellungen wurden in zahlreichen Arbeiten auch die internationalen Beziehungen untersucht. Viele konzentrieren sich dabei auf die Beziehungen zwischen der Schweiz und den kolonisierten Ländern zum Zeitpunkt, als diese ihre Unabhängigkeit erlangten. Marc Perrenoud, ehemaliger Historiker im Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten, hat einen wichtigen Artikel über die Beziehungen zwischen der Schweiz und Afrika vor und nach der Unabhängigkeit verfasst und darin aufgezeigt, wie die «technische Zusammenarbeit» (heute die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit – DEZA) 1960 in der Schweiz institutionalisiert wurde. Der Fall Algerien wurde aufgrund der Rolle der Schweizer Regierung und namhafter Schweizer Medienschaffender bei den Verträgen von Evian in mehreren Arbeiten thematisiert: Damien Carron zeichnet die diplomatischen und wirtschaftlichen Herausforderungen zur Zeit des Algerienkriegs nach, Marisa Fois befasst sich in ihrer Forschung mit den Folgen des Konflikts und der Entkolonisierung für die im Land lebenden Schweizerinnen und Schweizer.
Dies führt uns zu einem dritten wichtigen Bereich in der Geschichte der Verbindungen zwischen der Schweiz und dem Kolonialismus: der Auswanderung von Schweizern und Schweizerinnen in Länder in Übersee. Als Pionier dieser Geschichtsforschung gilt Gérald Arlettaz. In der Folge befassten sich mehrere Studien mit Schweizer «Kolonien» in Nord- und Südamerika; die meisten nehmen die Perspektive von Männern und Frauen ein, die auswanderten, um der Armut zu entfliehen. Das Werk von Martin Nicoulin ist in diesem Sinne exemplarisch: Die Arbeit befasst sich kaum mit der indigenen Bevölkerung, sondern mit den Tausenden von Schweizern und Schweizerinnen (darunter ein grosser Teil aus dem Kanton Freiburg), die im 19. Jahrhundert nach Brasilien auswanderten. Es folgen bis heute zahlreiche ähnliche Forschungsarbeiten. Andere regionale Studien befassen sich mit einzelnen Gruppen oder Wegen von ausgewanderten Schweizern, wie den Jurassiern in Nordamerika. In jüngerer Zeit wurden auch die Schweizer Kolonien in Lateinamerika – Santa Leopoldina in Brasilien – daraufhin untersucht, ob sie am kolonialen Unternehmen beteiligt waren. Der Rassismus erlaubte es Schweizerinnen und Schweizern, von der Dominanz der Weissen zu profitieren.
Neben Händlern, Diplomaten, Auswanderern und Söldnern waren auch andere Akteure der Beziehungen zwischen der Schweiz und der kolonialen Welt Gegenstand von Untersuchungen. Protestantische und katholische Missionarinnen und Missionare spielten eine wichtige Rolle bei den Vorstellungen, die sich die Schweizer Gesellschaft über die Kolonien machte. Patrick Harries hat – insbesondere durch die Untersuchung von Publikationen der Missionsgesellschaften – gezeigt, wie entscheidend die Missionen für die Verbreitung und Durchsetzung medizinischer Praktiken und sozialer Normen waren. Diese spielen auch eine Rolle bei der Konstruktion von Wissen und Vorstellungen, die sich im Kontakt mit indigenen Völkern entwickelten.
Die bisher erwähnten Publikationen zeigen, dass die Verbindungen zur kolonialen Welt nicht unerforscht geblieben sind. Mit den postkolonialen Studien und der Kritik an der Rolle der Schweiz in diesen Beziehungen – einer Kritik, die in den Drittwelt- und Anti-Apartheid-Bewegungen mindestens bis in die 1960er-Jahre zurückreicht – hat ein Teil der Geschichtsforschung den Fokus stärker auf die Auswirkungen des Kolonialismus in der Schweiz gelegt.
Die Geschichte der Beziehungen zwischen der Schweiz und Südafrika spielte eine zentrale Rolle für die wachsende Zahl solcher Forschungsarbeiten. Einerseits sind die zwischen den beiden Ländern unterhaltenen Handelsbeziehungen – 10 Prozent der ausländischen Investitionen in Südafrika stammen aus der Schweiz und die Schweizer Grossbanken machen die Schweiz zum wichtigsten Handelsplatz für Rohstoffe (Gold, Diamanten) – trotz des internationalen Boykotts gegen das offiziell rassistische Regime Südafrikas sehr wichtig. Diese Beziehungen haben die Kritik an der Doppelbödigkeit einer Neutralitätspolitik, die als Deckmantel für den Handel dient, geschärft. Im Jahr 2000 beauftragte der Bundesrat den Schweizerischen Nationalfonds mit der Aufarbeitung dieser Zeit und stellte die Öffnung der Archive in Aussicht, ähnlich wie bei der Unabhängigen Expertenkommission Schweiz – Zweiter Weltkrieg (Bergier-Kommission). Drei Jahre später machte er einen Rückzieher und beschränkte den Zugang zu den Archiven auf Forscherinnen und Forscher, weil er Konsequenzen für Schweizer Unternehmen befürchtete. Trotz dieses «unrühmlichen Kapitels» und einer bescheidenen Würdigung der Ergebnisse durch die Behörden wurden Forschungsarbeiten abgeschlossen, die die sehr privilegierten gegenseitigen Beziehungen beider Länder auf wirtschaftlicher und politischer Ebene rund um den Antikommunismus beleuchten.
In dieser Zeit erschienen auch mehrere Publikationen, die die Öffentlichkeit auf die Verwicklung von Schweizern und Schweizerinnen nicht nur in den Überseehandel, sondern direkt in den Sklavenhandel thematisieren. Im Zuge einer kritischeren Vergangenheitsbewältigung werfen «La Suisse et l'esclavage des Noirs» und «Reise in Schwarz-Weiss: Schweizer Ortstermine in Sachen Sklaverei» nicht nur ein neues Licht auf diese schmerzhafte Geschichte, sondern sensibilisieren auch für den Prozess ihrer Ausblendung sowie für die Ambivalenzen dieser Geschichte, da auch Schweizer an der Bewegung zur Abschaffung der Sklaverei beteiligt waren, insbesondere im Rahmen europäischer protestantischer Netzwerke.
Die oben erwähnte Geschichte der Missionen kann ebenfalls aus dieser Perspektive betrachtet werden. Die Tätigkeit der Missionarinnen und Missionare im medizinischen Bereich exportierte einerseits westliche Praktiken, die sehr oft das Wissen der indigenen Bevölkerung auslöschten, andererseits trugen die vor Ort gesammelte Kenntnisse auch dazu bei, neue Wissenschaftsbereiche zu schaffen und sogar Produkte, die in den Kolonien entdeckt worden waren, im Westen zu vermarkten. Dies gilt zum Beispiel für die Gründung des Schweizerischen Tropeninstituts, das sich in die Pharmaindustrie integrierte. Die Missionstätigkeit beeinflusste auch kulturell die oft rassistischen kollektiven Vorstellungen über die koloniale Welt: Publikationen, Konferenzen, Spendensammlungen und Volksfeste zementierten die Vorstellung der «Bürde des weissen Mannes» als Pflicht zur Unterstützung bedürftiger Bevölkerungsgruppen.
Schliesslich hat die Kolonialgeschichte auch einen prägenden Einfluss auf den Aufbau des europäischen Wissens, das die Entwicklung von Sozialwissenschaften wie Ethnologie und Geografie beförderte, die in direktem Zusammenhang mit dem Kolonialismus stehen. Die im 19. Jahrhundert institutionalisierten geografischen Gesellschaften und Museen trugen ebenfalls dazu bei, die Welt – die Menschen, aber auch die Natur und die Geologie – nach wissenschaftlich legitimierten Standards zu klassifizieren. Bernhard Schär betont den transnationalen Aspekt dieser Wissenskonstruktion am Beispiel der Gebrüder Sarasin, Mitglieder des Basler Patriziats, die die niederländische Kolonisierung nutzten, um ethnografische, anthropologische und Naturforschungen zu betreiben und die Sammlungen der Basler Museen zu bereichern.
Die Kolonialgeschichte der Schweiz wird inzwischen über die akademischen Kreise hinaus debattiert, sei es von militanten antirassistischen Gruppen oder von öffentlichen Institutionen. Rassistische Diskriminierung steht in direktem Zusammenhang mit dem Ausblenden des kolonialen Erbes und hinterfragt sowohl die Rolle der Historikerinnen und Historiker in dieser Debatte als auch den Umgang mit der Frage im öffentlichen Raum, der nun auch hinsichtlich seines Miteinbezugs (Statuen, Strassennamen) kritisch betrachtet wird. Historische Arbeiten und ihre Antworten auf aktuelle Fragestellungen auf die Struktur unseres öffentlichen Raums anzuwenden, erweist sich als komplex, doch die neueren Forschungsarbeiten zeichnen sich durch ihre Interdisziplinarität aus und tragen zu neuen Ansätzen in Public History bei.
Die von Patricia Purtschert verfassten und mitherausgegebenen Publikationen sind ein gutes Beispiel für Forschungsarbeiten, die aufzeigen, wie die Kolonialgeschichte auf die Identitätsbildung des Landes einwirkt, sei es im Verhältnis zur Andersartigkeit, bei den Geschlechterverhältnissen oder in Bezug zu Rassismus. Der Ansatz macht deutlich, dass die Kolonialgeschichte nicht von der Schweizer Geschichte abgekoppelt werden kann, sondern dass sie sich in gegenseitiger Abhängigkeit entwickeln, was die Vorstellung einer Schweizer Gesellschaft ohne Rassismus – raceless society –, ausserhalb dieser Geschichte, dekonstruiert.
Inspiriert von kritischen Rassentheorien beschäftigen sich heute verschiedene Arbeiten mit dem Thema Rassismus in einer Gesellschaft, die lange Zeit dachte, ausserhalb dieser Geschichte zu stehen. Dieses Phänomen scheint in der öffentlichen Debatte zumindest punktuell an Bedeutung zu gewinnen. Eine kürzlich veröffentlichte hervorragende Zusammenstellung illustriert die Vielfalt der Ansätze zu diesem Thema – wobei es nicht immer direkt um das koloniale Erbe geht, auch wenn dieses für das Verständnis der Konstruktion von «race» in unserer Gesellschaft von zentraler Bedeutung bleibt.
Politikwissenschaft, Soziologie und Anthropologie sind somit wesentliche Disziplinen, um die Geschichte des Rassismus in der Schweiz zu analysieren. Die Forschung weist nach, dass sich Rassismus nicht auf die Biologie oder die Hautfarbe beschränkt, sondern dass er als Prozess der sozialen Kategorisierung körperliche Merkmale instrumentalisiert und die Vorstellung aufrechterhält, dass es signifikante körperliche Unterschiede gibt, die Menschen untereinander hierarchisieren. Andere neuere Forschungen zur Intersektionalität bringen die Geschichte des Rassismus mit anderen Diskriminierungen in Verbindung, insbesondere der Klassen- und Geschlechterdiskriminierung.
Die Kolonialgeschichte hat Auswirkungen auf die strukturellen Formen von Rassismus. Es ist daher kaum verwunderlich, dass sie auch von Gruppen vereinnahmt wird, die sie nähren und ihre Sichtbarkeit im öffentlichen Raum fördern. Dies ist zum Beispiel bei einem Kollektiv schwarzer Frauen der Fall, die eine Dokumentationsplattform zur Geschichte und Präsenz schwarzer Frauen in der Schweiz erarbeitet haben. In einigen Schweizer Städten werden Projekte lanciert, um diese Geschichte sichtbar zu machen, indem Fachleute mit der Entwicklung thematischer Stadtspaziergänge im öffentlichen Raum beauftragt werden. Die Kolonialgeschichte ist heute ein Werkstatt für die Forschung und für ein neues inklusives, gemeinsames Narrativ über die Vergangenheit.
Die Quellen und bibliographischen Hinweise sind im PDF angegeben.