TANGRAM 40

Botschaft von Bundesrat Alain Berset

Berset, Alain

Sehr geehrte Damen und Herren

Die Schweiz kennt keine Parallelgesellschaften – im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern. Sie ist ein Land, dem es im Laufe seiner Geschichte immer wieder gelungen ist, Gräben zu überwinden – seien es sprachliche, soziale oder eben religiöse. Die überschaubaren Verhältnisse, die alltägliche Begegnung in der Volksschule und im Arbeitsleben, nicht zuletzt auch die föderalistischen Strukturen: Alle diese Faktoren tragen seit jeher dazu bei, Minderheiten erfolgreich in unsere Gesellschaft zu integrieren.

Muslime leben und arbeiten seit langem in unserer Mitte. Sie leisten Militär- und Zivildienst, sie bezahlen Steuern und Krankenkassenprämien. Einige von ihnen gehen zur Moschee und praktizieren ihre Religion. Für andere wiederum spielt die Religion keine wichtige Rolle im Leben. Sie feiern allenfalls noch hohe Feiertage, wie dies beispielsweise viele Christinnen und Christen auch tun.

Das Bild des Islam hat sich in den letzten Jahren jedoch verdüstert, was Musliminnen und Muslime auch hierzulande zu spüren bekommen – in Form pauschaler Verdächtigungen oder reflexartiger Ablehnung. Dieses Ressentiment trifft gerade jene am schmerzhaftesten, die nicht einem politischen Islam anhängen, sondern an einem guten und friedlichen Zusammenleben ebenso interessiert sind wie wir alle.

Deshalb gilt es heute, ganz besonders skrupulös zu unterscheiden zwischen legitimer Diskussion über Werte und Haltungen einerseits und Muslimfeindlichkeit anderseits – also auch einer Haltung, die den Islam verantwortlich macht für sämtliche extremistischen Taten, die in seinem Namen begangen werden.

Unser Staat bekennt sich zur Religionsfreiheit. Das bedeutet: Alle Menschen sollen ihre Religion ohne Diskriminierung ausüben können sowie den Religionsfrieden und die Grundrechte akzeptieren. Das bedeutet auch: Alle Menschen dürfen religiöse Traditionen und Praktiken kritisch reflektieren. Meinungsäusserungsfreiheit und Dialog sind Voraussetzungen für eine offene, moderne Gesellschaft. Mit der Tagung der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus wird beides gefördert.

Ich wünsche allen ergiebige Diskussionen.

Alain Berset
Bundesrat, Vorsteher des Eidgenössischen Departements des Innern