TANGRAM 40

Politisierung der «Muslimfrage» und demokratisches Dilemma

Zusammenfassung des Artikels
«Politisation de la question musulmane et dilemmes démocratiques» (französisch)

Autor

Matteo Gianni ist ausserordentlicher Professor am Departement für Politikwissenschaft und internationale Beziehungen der Universität Genf. Matteo.Gianni@unige.ch

Die «Muslimfrage» beschäftigt die politische Debatte in der Schweiz seit über 15 Jahren. Immigration, Islam und Integration der muslimischen Bevölkerung sind Wahlkampf- und Politthemen, mit denen die öffentliche Meinung leicht zu beeinflussen ist. Seit 2004, mit der Abstimmung über die erleichterte Einbürgerung junger Ausländerinnen und Ausländer der zweiten Generation, mit der Volksinitiative gegen den Bau von Minaretten oder mit der Anti-Burka-Abstimmung im Tessin haben die politischen Parteien ihre Wahlstrategien auf diese Themen ausgerichtet, einzelne mehr als andere. Allerdings haben sich in der öffentlichen Debatte über alle politischen Gräben hinweg negative Darstellungen der Musliminnen und Muslime herauskristallisiert. Beunruhigend ist dies insofern, als die Fakten offensichtlich belegen, dass der allergrösste Teil der muslimischen Bevölkerung in der Schweiz die demokratischen Normen und Werte nicht in Frage stellt. Zudem führt die Politisierung des Islams paradoxerweise zu einer Entpolitisierung der Musliminnen und Muslime, die sich ihrer Rolle als politische Akteure beraubt sehen. Es stellt sich die Frage, ob diese Tendenz vereinbar ist mit demokratischen Werten wie den Bürgerrechten, der Inklusion und der Möglichkeit, sich an der gemeinsamen Definition allgemein gültiger Werte zu beteiligen.