Autorin
Francesca Chukwunyere ist Geschäftsleiterin der Informationsstelle für Ausländerinnen- und Ausländerfragen isa. chukwunyere@isabern.ch
Immer wieder kommt es wegen des Tragens eines Hijabs (Kopftuch) zu Fällen von Diskriminierung. In dieser polarisierenden Frage ist eine Mediation nicht immer erfolgreich, wie die Praxisbeispiele der Berner Informationsstelle für Ausländerinnen- und Ausländerfragen (isa) zeigen.1
Zwei Mitarbeiterinnen einer von Bund und Kanton subventionierten Fachstelle für Migration weigern sich, mit einer Kopftuchträgerin zusammenzuarbeiten. Sie argumentieren, gerade in der Betreuung von Kindern sei es wichtig, westliche Werte zu vermitteln, was mit dem Tragen eines Kopftuches nicht zu vereinbaren sei. Die überzeugten Christinnen tragen die entsprechenden Insignien auch von Zeit zu Zeit auf sich. In Gesprächen mit allen Beteiligten kann keine Einigung erzielt werden. Die beiden Mitarbeiterinnen kündigen in gegenseitigem Einvernehmen, da sie sich nicht mit der Anforderung des Betriebes identifizieren können, der das Tragen eines religiösen Kleidungsstückes nicht als Hinderungsgrund für die Zusammenarbeit betrachtet.
Eine Mutter wird zusammen mit ihrer Tochter von der Schulleitung zum Gespräch zitiert, weil das Mädchen nicht am Schwimmunterricht teilnahm. Am Gespräch sitzen ihnen nicht nur die Lehrerin und die Schulleiterin gegenüber, sondern auch die Sozialarbeiterin und eine Vertretung der Kesb. Der Mutter wird ausführlich erklärt, dass der Schwimmunterricht auch für Mädchen zur westlichen Kultur gehöre. Im Sinne einer guten Integration sei sie gehalten, die Tochter am Schwimmunterricht teilnehmen zu lassen, was auch in einem Burkini möglich sei. Es stellt sich aber heraus, dass die Mutter gar nichts gegen den Schwimmunterricht hat. Sie wusste nur nicht, wo sie einen Burkini kaufen kann. Bereits in der Folgewoche erscheint das Mädchen – wie von der Schule vorgeschlagen – mit Burkini zum Schwimmunterricht. In der Folge verbietet aber die Leitung des Hallenbades das Tragen eines Burkinis. Deshalb kann das Mädchen nun trotzdem nicht am Schwimmunterricht teilnehmen.
Eine junge Frau arbeitet seit einiger Zeit bei einer Uhrenfirma in der Produktion. Auf Anordnung der Direktion muss sie ihr Kopftuch jeweils vor Betreten des Arbeitsplatzes abnehmen. Nach Arbeitsschluss legt sie es sich wieder an. Im Rahmen einer öffentlichen Podiumsdiskussion verteidigt die Firmendirektorin zunächst das Kopftuchverbot, ändert aber nach dem offenen Austausch mit Betroffenen ihre Meinung. Seither darf die junge Mitarbeiterin ihr Kopftuch auch am Arbeitsplatz tragen.
Diese drei Beispiele zeigen, wie sehr der Umgang mit den Bekleidungsgeboten muslimischer Frauen von Vorurteilen geprägt ist. Diese fallen bei genauerer Betrachtung nicht selten in sich zusammen. Es lohnt sich in jedem Fall, zunächst das direkte Gespräch zu suchen, ohne gleich mit konkreten Massnahmen zu reagieren. Damit können sowohl unnötiger Aufwand, wie im Falle des Beispiels mit dem Burkini, als auch unnötige Konflikte, wie im Falle der Uhrenfabrik, verhindert werden. Das Beispiel der Mitarbeiterinnen der Fachstelle Integration zeigt zudem, dass sich kein Betrieb mehr um diese Fragen drücken kann. Es braucht eine offene interne Auseinandersetzung und klare Stellungnahmen auch seitens der Betriebsleitungen. Vorgefertigte Rezepte gibt es kaum, gefragt sind vielmehr innovative Lösungen, welche die Freiheit des jeweils anders Denkenden respektieren.
1 Ein Teil der Beispiele stammt von der Organisation Tasamouh.