TANGRAM 35

«Bunte Schweiz» – Neue Kampagne der EKR

Autorin

Dr. Giulia Brogini, Leiterin der EKR, ist Historikerin. Beruflich setzte sie sich u. a. vertieft mit dem Phänomen des gewalttätigen Extremismus auseinander.
giulia.brogini@gs-edi.admin.ch

Anlässlich des 20-Jahr-Jubiläums zur Annahme der Strafnorm gegen Rassendiskriminierung lanciert die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus zusammen mit anderen Partnern die Kampagne «Bunte Schweiz».

Die Kampagne zielt auf den bewussteren Umgang mit dem Thema Rassismus und Diskriminierungsschutz im Internet und richtet sich insbesondere an die heutigen Jugendlichen und darüber hinaus auch an weitere interessierte Kreise. Die Jugendlichen sollen mit ihrer technologischen Affinität wegweisend zum Aufbau eines diskriminierungsfreien Diskurses und Umgangs in unserer kulturell, ethnisch und religiös vielfältigen Schweiz beitragen.

Wenn Jugendliche vor 20 oder 30 Jahren Antworten auf ihre Fragen suchten, beispielsweise im schulischen Bereich, oder wenn sie allgemein im Leben an ihre persönlichen Grenzen stiessen, fragten sie ihre älteren Geschwister, Freunde, ihre Eltern, die näheren Bezugspersonen oder die Lehrerinnen und Lehrer um Rat. Sie suchten auf dem Schulhof, im Jugendtreff, im Verein, in der Kirche, im Ausgang, in Zeitschriften und Büchern nach brauchbaren Informationen: Die Orte, wo man diese finden konnte, waren konkret und real.

Heute ist das anders, zumindest in unserer westlichen Gesellschaft. Die Mitglieder der sogenannten «Generation X», die – wie es Soziologinnen und Soziologen definieren – von den frühen 1960er- bis in die frühen 1980er-Jahre geboren wurden, sind heute erwachsen und haben inzwischen selber Nachwuchs bekommen. Auch die folgende Altersgruppe, die «Generation Y», auch «Millennials» genannt, gehörten bereits zwischen 1990 und 2010 zu den Teenagern. Aber schon diese Gruppe verhielt sich in ihrem Konsumverhalten gegenüber den neuen Medien anders als die vorhergehende. In der Regel hatten und haben die Vertreter der «Generation Y» kaum Berührungsängste mit den heute verbreiteten technischen Systemen, da es sich um die erste Generation handelt, für die das Internet und die mobile Kommunikation eine Selbstverständlichkeit darstellen – sie wuchsen damit auf. Im Elternhaus, in der Schule, im frühen Berufsleben gehörten die neuen Medien einfach dazu. Diese «Generation Y» ist es gewohnt, sich in virtuellen Teams zu bewegen und auch in solchen Konstellationen zu arbeiten.

«Generation Z» und die digitale Welt

Nun werden Sie sich fragen, was kommt mit der nächsten Generation, mit der «Generation Z», auf uns zu? Das sind diejenigen jungen Menschen, die zwischen 1995 und 2012 geboren wurden. Es kommt nicht von ungefähr, dass sich der Arbeitsmarkt bereits auf diese jungen Nachwuchskräfte einzustellen versucht: «Generation Z employees are highly energetic and enthusiastic, but many lack the social skills you would expect from employees – including those who entered the workforce at a young age. […] Generation Z workers typically connect via smartphones and other portable devices. They like information at their fingertips at all times, and don’t handle
it well when they have to wait to receive an answer. They are used to constant streams of data, which means they expect management to provide them with instant access to the information they need.»1

Wir kommen nicht darum herum: Die virtuelle Welt, und damit einhergehend die heutigen Möglichkeiten der Informationssuche via Algorithmen, der Informationsverarbeitung von «Big Data» beziehungsweise auch der Steuerung und der Kontrolle der Zugänge zu Informationen und Wissen prägen nicht nur unser alltägliches Konsum- und Arbeitsverhalten, sondern auch unsere Beziehungsebene. Der Einfluss des Internets auf unsere individuellen und sozialen Kommunikationsmuster, auf unsere Lebensweise ist gewaltig. Zum heutigen Zeitpunkt ist es noch nicht abschätzbar, inwiefern sich im Zuge dieser Entwicklung auch unsere Verhaltensweisen und Wertvorstellungen verändern werden. Bund, Kantone und Städte haben in den letzten Jahren zu Recht ein Augenmerk auf die Zusammenhänge im Bereich Jugend und Medien wie auch Jugend und Gewalt gelegt.2

Das Phänomen von Hassreden im Internet3 und der Radikalisierung von Individuen – insbesondere von jungen Menschen – über das Internet gibt es nicht erst seit der Gründung des Islamischen Staates, sondern war schon viel früher angelegt – allerdings wurde es in der breiten Öffentlichkeit nicht so prominent diskutiert.3

Eine weitaus grössere Herausforderung bildet in unserer Kommunikationsgesellschaft wohl für die meisten Eltern und Erziehungsverantwortlichen zu Recht der alltägliche Umgang der Heranwachsenden mit dem Internet und den sozialen Netzwerken. Wie sollen sie ihre Kinder vor Cybermobbing, Pornografie, sexuellen Übergriffen und Belästigung via Internet schützen?4

An dieser Stelle möchte ich nicht auf die Diskussion eingehen, ob das Internet und die neuen Medien an sich «gut» oder «böse» sind, ob sie «taugen» oder eben «nicht taugen» für die Rolle, die sie innehaben. Das Internet und die neuen Medien sind eine neue Ausgangslage für unsere Gesellschaft, und wir müssen lernen, damit umzugehen. Angesichts der Tatsache, dass bereits heute vor allem die jungen Menschen diese Mittel verwenden und die Kinder schon im frühesten Alter damit konfrontiert werden, ist es die Aufgabe von uns allen, dazu beizutragen, eine neue Alphabetisierungsphase einzuläuten.5

Die Kampagne «Bunte Schweiz»

Die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus EKR befasst sich nicht erst heute mit den eben erwähnten Fragestellungen. Die vom Internet hervorgerufene Verbreitung und Beschleunigung von Gedanken, Ideologien und Meinungen hat die Themen «Rassismus» und «Antirassismus» zwar nicht im Inhalt verändert, aber deren Breitenwirkung potenziert. Die prinzipielle Herausforderung des Internets – sowohl in gesellschaftlicher als auch juristischer Hinsicht – ist die Enthemmung der Meinungsäusserung im virtuellen Raum. Was vorher bisweilen nur kodiert verbalisiert oder nur in geschlossenen, privaten Zirkeln verbreitet wurde, steht nun nachverfolgbar, schriftlich und öffentlich zugänglich im Netz.6

Die Kampagne «Bunte Schweiz», welche die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus dieses Jahr vor dem Hintergrund des 20-Jahr-Jubiläums der Annahme der Strafnorm gegen Rassendiskriminierung, des Beitritts der Schweiz zum Internationalen Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung und der Einsetzung unserer Kommission führt, zielt auf den bewussteren Umgang mit dem Thema Rassismus und Diskriminierungsschutz im Internet. Unsere wichtigste Zielgruppe sind die heutigen Jugendlichen – in der näheren Umschreibung der Altersgruppe also der eingangs erwähnten «Generation Y». Diese jungen Menschen sollen dahingehend sensibilisiert werden, wie sie ihre Informations- und Kommunikationsmittel im Alltag einsetzen – wie sie diese mit grösserer Achtsamkeit einsetzen könnten und wie sie auch die älteren und jüngeren Mitglieder unserer Gesellschaft zu neuen Einsichten und Verhaltensweisen heranführen könnten: Wir möchten die technologische Affinität der Jugendlichen für den Aufbau eines diskriminierungsfreien Diskurses und Umgangs in unserer kulturell, ethnisch und religiös vielfältigen Schweiz nutzen. Das Motto der Kampagne, «Bunte Schweiz» – «Une Suisse à nos couleurs» – «Svizzera variopinta», ist ein starkes Votum für unsere innere und äussere Farbenpracht!

Die Kampagne «Bunte Schweiz» führt die EKR gemeinsam mit zahlreichen engagierten Partnern aus dem öffentlichen und dem privaten Sektor, insbesondere dem Bildungsbereich, der Wirtschaft, der Kultur, aber auch aus Verbänden und Non-Profit-Organisationen.

Am 25. Juni 2015 werden die Kommissionspräsidentin der EKR, Frau Martine Brunschwig Graf, und Herr Bundesrat Alain Berset anlässlich eines Kick-off-Events in Bern auf dem Waisenhausplatz eine besondere virtuelle Plattform lancieren. Deren Bewirtschaftung wird im Rahmen der Kampagne Tag für Tag neu in die Hände von Jugendlichen in der Schweiz gelegt werden. Ziel ist es, dass Klassen, Gruppen und Teams für jeweils einen oder mehrere Tage hintereinander die Inhalte der Internetseite redaktionell aufbereiten (Texte, Bilder, Audio etc.). Die Kampagne wird rund sechs Monate, bis Ende November 2015, dauern. Seitens der Kampagnenleitung werden Coaching und Hilfestellungen gewährleistet sowie eine konkrete Palette an Dokumentations- und Arbeitsmaterialien für den Unterricht (z. B. je nach Fächerkombination und Stufe) zur Verfügung gestellt. Anmelden für diese Online-Kampagne kann man sich bereits heute z. B. via unsere Homepage.7

Wir möchten folgendes Verhältnis in der Bewirtschaftung der Inhalte der Website sicherstellen:

  • „50 Prozent durch Schulen/Schulklassen/Projektwochen
  • „45 Prozent durch Gruppen/Teams aus Vereinen und Unternehmen
  • „5 Prozent durch sogenannte Ambassadoren vor allem aus den Bereichen Politik, Sport, Kultur
Die Kampagne findet im Rahmen einer feierlichen, öffentlichen Tagung am 20. November 2015 in Bern ihren Abschluss, bei der wiederum Herr Bundesrat Alain Berset anwesend sein wird. Natürlich werden die Highlights, die eindrücklichsten und bewegendsten Inhalte und Momente der Kampagne nochmals vorgestellt werden. Weitere prominente Referentinnen und Referenten aus dem In- und Ausland sowie die wichtigsten Partner der EKR aus allen Landesteilen der Schweiz, welche an dieser Kampagne mitwirken, werden gemeinsam mit den Kommissionsmitgliedern mit der interessierten Öffentlichkeit zusammenkommen.

Wollen Sie nicht auch Teil dieser bewegenden Kampagne sein? Haben Sie sich schon angemeldet auf www.bunte-schweiz.ch?

1 www.huffingtonpost.com/margaret-jacoby/tips-for-managing-generat_b_6897516.html (22. 3. 2015)

2 Nationales Programm Jugend und Medien Der Bundesrat hat mit Beschluss vom 11. Juni 2010 das Bundesamt für Sozialversicherungen BSV beauftragt, die Leitung des Programms Jugend und Medien in den Jahren 2011 bis 2015 zu übernehmen. Damit übernimmt der Bund gemeinsam mit den Medienbranchen Verantwortung und setzt sich für einen wirksamen Jugendmedienschutz in der Schweiz ein. Siehe auch: www.jugendundmedien.ch (22. 3. 2015). Bund, Kantone, Städte und Gemeinden setzen in den Jahren 2011 bis 2015 gemeinsam das Präventionsprogramm Jugend und Gewalt um. Es zielt darauf, die Wirksamkeit von Massnahmen zur Gewaltprävention zu verbessern und nachhaltige Strukturen für die Zusammenarbeit und den Austausch zu schaffen. Siehe: www.jugendundgewalt.ch (22. 3. 2015).

3 www.nohatespeechmovement.org und www.sajv.ch/de/projekte/no-hate-speech (beide 22. 3. 2015).

4 Schweizerische Kriminalprävention, siehe auch: www.skppsc.ch (22. 3. 2015).

5 Siehe etwa die deutsche Version des Handbuches zur Internet-Kompetenz Auftrag des Europarates: www.coe.int/t/dghl/StandardSetting/InternetLiteracy/InternetLiteracyHandbook_3_DE.asp (22. 3. 2015).

6 Siehe auch die Ausgabe von Tangram Nr. 21, Internet, vom 01. 05. 2008. www.ekr.admin.ch/dokumentation/d108/1064.html (22. 3. 2015).

7 Homepage der EKR: www.ekr.admin.ch (22. 3. 2015). Die Kampagne wird in allen drei Landessprachen geführt. Entsprechend sind die Domains dreisprachig: bunte-schweiz.ch / une-suisse-a-nos-couleurs.ch / svizzera-variopinta.ch.