Martine Brunschwig Graf ist Präsidentin der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus EKR
Die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus (EKR), das Schweizerische Zentrum für Islam und Gesellschaft (SZIG) der Universität Freiburg und das Zentrum Religionsforschung (ZRF) der Universität Luzern haben am
11. September 2017 an der Universität Freiburg gemeinsam eine Fachtagung zum Thema Muslimfeindlichkeit durchgeführt. In dieser Nummer des Tangram werden die Beiträge der Referentinnen und Referenten vorgestellt. Expertinnen und Experten, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und betroffene Personen betrachten in ihren Analysen und Meinungen die Thematik aus verschiedenen Blickwinkeln und mit der einer Fachtagung angemessenen Differenziertheit und Seriosität.
Warum das Thema Muslimfeindlichkeit? Wer der Meinung ist, eine Diskussion darüber sei angesichts der verzeichneten Fälle von Muslimfeindlichkeit nicht gerechtfertigt, mag erstaunt sein. Doch wenn man sich ein Bild der allgemeinen Stimmung machen will, genügt es nicht, die Fälle zu zählen, die den Beratungsstellen oder -personen zur Kenntnis kommen. Man muss auch lesen, was in den Sozialen Medien und in den Blogs auf den Webseiten der Zeitungen geschrieben und gesagt wird. Dort sind die Äusserungen oft äusserst aggressiv und bewegen sich nicht selten im Grenzbereich einer Straftat. Terroranschläge und weltweit im Namen des Islams begangene Verbrechen dienen als Vorwand für Abscheu, Ablehnung und Hass gegenüber der muslimischen Gemeinschaft und auch den Musliminnen und Muslimen in der Schweiz. Das jüngste Beispiel ist die Schändung des muslimischen Grabfeldes auf einem Lausanner Friedhof, was zeigt, dass vor Taten nicht zurückgeschreckt wird.
Doch auch wenn es bei Worten bleibt, verbreiten sich ablehnenden Äusserungen und Reaktionen rasend schnell, oft begleitet von Videos mit auf speziellen Webseiten frei zusammengesetzten Informationen. Solche Informationen unterhalten die Netzwerke all jener, die die Abneigung gegen den Islam und die Feindseligkeit gegenüber denen teilen, die sich zu dieser Religion bekennen.
In Europa sind «die Muslime gut integriert, aber nicht immer akzeptiert». So lautet eine der Schlussfolgerungen einer kürzlich von der Bertelsmann-Stiftung publizierten Studie. Die Schweiz kommt in Bezug auf die Integration gemäss dieser Studie eher gut weg, auch wenn der Grad der Akzeptanz nicht optimal ist. Dieser Tatsache müssen wir ins Auge blicken und die Gründe und die Tragweite zu erfassen versuchen.
Wir haben uns bewusst auf das Thema Muslimfeindlichkeit konzentriert, im Wissen, dass andere Aspekte, namentlich die Bereiche Sicherheit und Radikalisierung, an anderer Stelle behandelt werden, insbesondere in einem Weiterbildungskurs des SZIG am 26. und 27. Februar 2018 zum Thema Radikalisierung und ihre Prävention.
Die EKR ist nicht naiv. Die Bekämpfung der Muslimfeindlichkeit täuscht uns nicht darüber hinweg, dass alle nötigen Massnahmen ergriffen werden müssen, um zu vermeiden, dass die Menschen, unabhängig von ihrem religiösen Bekenntnis, direkt oder indirekt die Untaten der Radikalisierung und des Terrorismus ertragen müssen.
Der 11. September als Tagungsdatum mag einigen als Provokation erschienen sein, jedoch zu Unrecht. Alle Verbrechen, die Terroristen im Namen des Islams begehen, müssen verurteilt werden, die Täter müssen verfolgt und bestraft und die Opfer in ehrender Erinnerung behalten werden.
Doch die Verbrechen mit so vielen unschuldigen Opfern dürfen nicht als Vorwand dienen, um eine Bevölkerung wegen ihrer Religionszugehörigkeit abzulehnen. Die Musliminnen und Muslime in der Schweiz haben die gleichen in der Verfassung und in den Gesetzen verankerten Rechte und Pflichten wie wir alle. Sie haben somit das Recht auf Respekt und Würde, das für uns alle gewährleistet sein muss.
Das Stimmvolk hat am 25. September 1994 den Artikel 261bis des Schweizerischen Strafgesetzbuches angenommen, der bestimmt, dass Personen, die öffentlich zu Hass oder Diskriminierung gegen eine Person oder eine Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie oder Religion aufrufen, bestraft werden.
Das bedeutet, dass die Religion kein Vorwand für Diskriminierung oder den Aufruf zu Hass sein kann und darf. Und dies gilt für alle Religionen, unabhängig davon, was man von der Religion allgemein oder einer bestimmten Religion hält. Die Tagung ist in diesem Sinn zu verstehen.
Die EKR wird ihren Dialog mit den verschiedenen Akteuren der Gesellschaft, die sich mit der Problematik auseinandersetzen – Vereine, Behörden, politische Parteien, Medien, Forschende – nach folgenden Schwerpunkten weiterführen: