Martine Brunschwig Graf ist Präsidentin der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus EKR
Wann immer ein gesellschaftliches Problem auftaucht, gilt die Schule als der Ort, der die Lösung bringen soll. Doch es ist nicht immer angebracht, der Schule die Flickarbeiten für eine nicht perfekt funktionierende Welt aufzulasten. Bei der Rassismusbekämpfung und der Rassendiskriminierung hingegen erweist sie sich tatsächlich als unverzichtbarer Bezugsort.
Heute gehen die Kinder mit 4 Jahren zur Schule, und sie verlassen sie, wenn sie eine Lehre machen, frühestens mit 16 oder 17 Jahren. Für die meisten kann die Schulzeit jedoch 15 Jahre oder länger dauern. In dieser Zeit entwickeln sich die Schülerinnen und Schüler in einem Umfeld, wo die Vielfalt die Regel ist: Herkunft, Aussehen, soziales Umfeld, Sprache, Familienform, schulische Laufbahn oder auch Behinderung – jeder Unterschied kann sichtbar und wahrnehmbar sein.
In diesem Umfeld verlaufen die Beziehungen zwischen Peers nicht immer reibungslos. Es ist daher umso wichtiger, den Respekt und die Toleranz zu fördern und Instrumente bereitzustellen, die den Versuchungen der Stigmatisierung Widerstand zu leisten vermögen.
Deshalb gehört die Rassismusproblematik in die Schule, und deshalb widmen wir der Schule diese Nummer des TANGRAM. Dabei zeigen wir, was unternommen wurde und wird. Wir stellen aber auch fest, dass es noch viel zu tun gibt und dass es für die Bekämpfung des Rassismus einen starken Willen braucht, in der Politik, in den Institutionen und in der Schule.
Die Ansätze sind vielfältig, aber bisweilen besteht auch eine gewisse Zurückhaltung, die entsprechenden Themen mit dem Begriff «Rassismus» in Verbindung zu bringen. Einzelne setzen sich für die Integration als ideales Mittel ein. Sie ist tatsächlich unverzichtbar. Doch es kommt vor, dass gut integrierte Menschen – gerade auch Jugendliche – Opfer von Rassismus und Diskriminierung werden. Und das muss zum Thema werden, damit besser dagegen angekämpft werden kann.
Keine Schülerin und kein Schüler sollte am Ende der Schulzeit sagen können, dass das Thema Rassismus in all den Jahren nie zur Sprache gekommen ist und keine Antworten im Sinne der Prävention und des Widerstands gefunden worden sind. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen auch die Lehrkräfte vorbereitet sein. Die freiwilligen Weiterbildungen sind nützlich, doch sie genügen nicht. Die Reflexion über die Rassismusbekämpfung als solche und die didaktischen Mittel sollten Teil der Grundausbildung der künftigen Lehrpersonen sein.
Die Schule ist der Ort, wo das Werkzeug für das Leben in der Gesellschaft geschmiedet wird. Man lernt hier nicht nur lesen und schreiben, sondern auch leben.