Das Interesse der Schulen ist gross, sich mit der Kultur einer religiösen oder ethnischen Minderheit auseinanderzusetzen oder «die Anderen» in ihrem Herkunftsland zu besuchen. Projekte, die Begegnung, Austausch und Verständnis ermöglichen, sind durchaus dazu geeignet, Toleranz zu fördern. Durch das Erkennen von Unterschieden und Gemeinsamkeiten können eigene, bis anhin nicht hinterfragte Meinungen und Haltungen überdacht und neue Lösungsstrategien erkannt werden. Dies kann zu einer Atmosphäre beitragen, die Rassismus und Diskriminierung verhindern hilft.
Doch besteht die Gefahr, kulturelle Unterschiede überzubetonen, kulturalistische Stereotype zu verfestigen und damit Vorurteile zu stärken. Wird der Eindruck vermittelt, dass kulturelle Unterschiede und Konflikte «natürlich» sind, werden andere Konfliktursachen ausgeblendet, auch solche, die mit Diskriminierung zu tun haben. «Natürliche» Konflikte müssen nicht gelöst und diskriminierende Strukturen dabei auch nicht in Frage gestellt werden: Man meint, zur Entschärfung eines Konflikts reiche das beidseitige Abrüsten einzelner Vorurteile.
Auch die Begriffe und Konzepte von Rassismus und Antirassismus bergen Gefahren: Sie werden als Schuldzuweisung empfunden, überwälzen gesellschaftliche Probleme auf die Individuen und wirken so demotivierend. Deshalb arbeitet heute die Interkulturelle Bildung und Erziehung eher an der Normalisierung von Begegnungen mit sozial und kulturell verschiedenen Menschen und der Ermächtigung zum Handeln gegen gesellschaftliche Diskriminierung. Schüler/innen – und zwar ausdrücklich auch Angehörige von Minderheiten – lernen, Empathie zu pflegen, Unterschiede anzuerkennen, sich kritisch mit den eigenen Einstellungen und Vorurteilen auseinanderzusetzen und die eigenen Werte zu hinterfragen und zu reflektieren.
Diskriminierung darf somit nicht allein auf individueller Ebene angegangen werden. Der Fokus muss auf die gesellschaftliche Ebene gelegt werden: auf die Gleichberechtigung und Gleichbehandlung aller Mitglieder unserer Gesellschaft und damit auf die Situation von Minderheiten, auf Chancengleichheit und Diskriminierung.
Anhand der folgenden Beispiele zeigen sich einige Themenfelder und Herausforderungen, die bei Präventions- und Sensibilisierungsprojekten in der Schule wichtig sind.
Rassismus und Diskriminierung sind nicht allein Lehrplanthemen, sondern betreffen die Schule auch als soziales Umfeld. So sind häufig Konflikte der Anlass für ein Projekt, oder die Schule entschliesst sich zu einer präventiven Sensibilisierungsaktion. Schulprojekte umfassen daher Wissens- und Kompetenzvermittlung, Sensibilisierung und Prävention oder gar Intervention.
In einer Gemeinde soll mit einem Sensibilisierungsprojekt auf die ständig zunehmende Gewaltbereitschaft aufmerksam gemacht werden. Auf unterschiedliche Weise soll für das Zusammenleben verschiedener Kulturen und den damit verbundenen Fragestellungen sensibilisiert werden. Das Bewusstsein und die Eigenverantwortung sollen dabei gestärkt werden. Potentielle Fremdenfeindlichkeit und Konflikte werden thematisiert und präventiv angegangen. Das pädagogische und didaktische Vorgehen ist vielfältig und greift über den unmittelbaren Schulalltag hinaus.
Für den gerechten Umgang mit dem Thema fehlt es nicht so sehr an pädagogischem Material als vielmehr an dessen Anwendung, der Übung und der Erfahrung. Weiterbildungen für Lehrpersonen durch spezialisierte Anbieter sind deshalb wichtig, weil sie den Transfer von antirassistischen Inhalten in die praktische Projektarbeit lehren. Bei der Vermittlung der Inhalte sollen die Lehrpersonen den Jugendlichen in vertrauter Sprache und durch bekannte Inhalte aus dem Alltag begegnen können. Auch das Ausrichten der Lernsequenzen auf die neuen Lehrpläne ist eine Herausforderung. In der Romandie hat man mit dem neuen Plan d’études romand schon ein paar Jahre Erfahrung gesammelt, während die Arbeiten in der Deutschschweiz erst beginnen.
Pädagogische und didaktische Aufarbeitung von Biografien jüdischer Flüchtlinge, welche als Kinder in die Schweiz gekommen sind, ergänzt mit einem didaktischen Kommentar für den Holocaust-Unterricht. Die Einbettung sowie die Nacharbeitung werden von den beteiligten Lehrpersonen geleistet. Im Zentrum der Auseinandersetzung steht dabei der Holocaust als Extrembeispiel rassistischer Ausgrenzung. Die damals und heute vorhandenen antisemitischen Vorurteile sollen aufgedeckt und erklärt werden. Es besteht ein direkter Zusammenhang zum Themenkomplex der rassistisch motivierten Diskriminierung.
Um Jugendliche zu einer vertieften Auseinandersetzung mit Rassismus und Fremdenfeindlichkeit zu animieren, nutzen zahlreiche Projekte ein für Jugendliche attraktives Medium wie Radio, Internet, Film, Theater oder Musik. Dabei muss gewährleistet sein, dass sich Jugendliche nicht zu stark an der Form orientieren, da sonst der Inhalt zu sehr in den Hintergrund treten kann.
Anhand eines Theaterstücks mit vorgegebenem Rahmen sollen Jugendliche befähigt werden, Haltungen gegen Diskriminierung und Rassismus einzunehmen. Dazu werden vorgängig in einem Workshop Diskriminierung, Rassismus, Ungerechtigkeit, Gewaltsituationen und Mechanismen der Unterdrückung und Diskriminierung beleuchtet und schliesslich auf die Bühne transponiert.
Die Finanzhilfen sollen die Schulen da-rin unterstützen, die Themen auch nach der Projektphase langfristig und selbstständig in den Schulunterricht aufzunehmen. Eine 2011 durchgeführte Evaluation zeigte auf, dass diese Verankerung der Themen in den Schulstoff an zahlreichen Schulen gelungen ist. Eigeninitiativen von Lehrpersonen oder gar von Schülern/innen sind wichtig, doch fehlt oft die Zeit und der Freiraum, aufwendige Aktionen durchzuführen oder einmal angefangene Prozesse weiterzuführen. Deswegen sind Angebote von fachlich qualifizierten Dritten willkommen. Externe Anbieter wie NCBI, Schweizerische Flüchtlingshilfe SFH oder die Stiftung Kinderdorf Pestalozzi bieten Schulen bewährte Projekte an.
Projekte solcher spezialisierter Organisationen werden langfristig erarbeitet und können sich daher professioneller mit den behandelten Themen befassen. Sie bringen wichtige Impulse und ergänzen den Schulalltag. Wichtig ist allerdings, dass die Schüler/innen nicht einfach «abgegeben» werden, sondern die Lerninhalte und Erfahrungen gut vor- und nachgearbeitet werden.
Das Oberstufenzentrum organisiert für drei eintretende Klassen zusammen mit der Schweizerischen Flüchtlingshilfe SFH einen Projekttag «Flucht und Asyl» als Fortführung des Anti-Rassismusprojektes aus dem vorangegangenen Schuljahr, mit dem das Kollegium auf die häufigen rassistischen Äusserungen von Schüler/innen reagiert hat. Das Programm sieht den Einbezug der Eltern sowie eine Vor- und Nachbereitung durch die Klassenlehrkräfte im Unterricht vor. Der Projekttag schafft Begegnung mit «Fremdem» und dient der Einführung der neuen Schüler/innen in die Schulhauskultur, in der diskriminierendes Verhalten nicht geduldet wird.
Schule und Jugend sind Schwerpunkte der Finanzunterstützung der Fachstelle für Rassismusbekämpfung FRB. Die Auseinandersetzung mit Rechten und Werten unserer Gesellschaft ist für Heranwachsende sehr wichtig: Es ist die junge Generation, die darüber entscheidet, wie wir in Zukunft mit den Herausforderungen einer Migrationsgesellschaft, mit Ausgrenzungsmechanismen, Diskriminierungen, Grund-, Bürger- und Menschenrechten umgehen.
Auf der anderen Seite können Jugendliche mit solchen Massnahmen auch zu stark belastet oder gar überfordert werden. Schulen kämpfen mit den Aufgaben, die von aussen an sie herangetragen werden, und für viele Jugendliche stellen Ausbildung und Pubertät bereits eine grosse Herausforderung dar, auch ohne die zusätzliche Verantwortung, unsere Gesellschaft «verbessern» zu müssen. Es darf nicht vergessen werden, dass junge Menschen – im Gegensatz zu vielen Erwachsenen – in einem ausgeprägt multikulturellen Umfeld aufwachsen und so oftmals weniger Berührungsängste und einen unverkrampften Umgang mit Menschen unterschiedlicher Herkunft oder unterschiedlichen Glaubens haben. Der Einsatz gegen Rassismus und Diskriminierung kann nicht Pflicht der Jugendlichen alleine sein, sondern ist Aufgabe der Gesamtgesellschaft und sollte dementsprechend von allen Bevölkerungskreisen getragen werden.
Seit 2001 hat die Fachstelle für Rassismusbekämpfung 372 Präventions- und Sensibilisierungsprojekte im schulischen Bereich mit einer Gesamtsumme von über 5 Millionen Franken unterstützt. Projekte im schulischen Bereich sind Projekte, die sich auf den Unterricht, den Klassenverband, auf das Schulhaus sowie das schulische Umfeld beziehen. Anträge um finanzielle Unterstützung werden bei der Stiftung éducation21 eingereicht. Die Stiftung prüft, begleitet und evaluiert die Projekte auf Mandat der FRB. Die Projektgesuche werden von einer kleinen Kommission spezialisierter Pädagoginnen und Pädagogen beurteilt und begleitet.
Einige der wiederkehrenden Themen, die in Schulen behandelt werden, sind: das Zusammenleben von Kindern unterschiedlicher Herkunft und Religion; der Umgang mit Fremden und Fremdem, mit Vorurteilen und Ausgrenzungsmechanismen; das Lernen über den Holocaust Rassismus und Diskriminierungsformen im Alltag; die Menschenrechte; die Förderung von Zivilcourage. Die Themen werden auf vielfältige Art und Weise bearbeitet: mit Workshops, Projektwochen, Begegnungsanlässen, Radio- und Filmproduktionen, Forumtheater, Fotoausstellungen, Simulations- und Planspiele, aber auch mit der Erarbeitung von didaktischem Material und Weiterbildungen für Lehrpersonen.
Fachstelle für Rassismusbekämpfung (FRB)