TANGRAM 41

«Fairplay und Respekt sollten überall gelebt werden»Interview mit Vladimir Petković, Trainer der Schweizer Fussball-Nationalmannschaft

Petković, Vladimir

Gab es in Ihrem Leben Situationen, bei denen Sie persönlich sagen würden, dass Sie rassistisch verunglimpft oder diskriminiert wurden, ob nun innerhalb der Welt des Fussballs oder ausserhalb?

Eine Antwort auf diese Frage hängt davon ab, was man unter Rassismus versteht. Ich gebe Ihnen ein aktuelles Beispiel: Ich erhielt vor kurzem, zusammen mit drei anderen Fussball-Nationaltrainern, eine Auszeichnung in Bosnien. Darüber wurde auch in Schweizer Medien berichtet. Sehr korrekt, mit viel Anerkennung. Aber das wurde auch kommentiert von Leuten, unter anderem mit Sätzen wie «Wenn er dort so beliebt ist, soll er doch dort Trainer machen». Urteilen Sie, ob das rassistisch oder diskriminierend ist. Dann kennen Sie die Antwort auf Ihre Frage.

Sie haben die Erfahrung gemacht, als Spieler oder Trainer in allen Sprachregionen der Schweiz zu wirken. Haben Sie dabei einen Unterschied festgestellt, wurden Sie in den einzelnen Regionen unterschiedlich aufgenommen bzw. willkommen geheissen?

Ja, natürlich, das ist aber ganz normal. Wir erleben jetzt bei Besuchen vor der WM in Russland, in diesem enorm grossen Land, verschiedene Haltungen, Kulturen, Umgangsformen. Was in Kaliningrad so empfunden wird, hat in Samara vielleicht nicht die gleiche Bedeutung. Ähnliches gilt auch, wenn wir Sotschi oder Rostov im Süden mit Sankt Petersburg im Norden vergleichen. Was mich persönlich oft begleitete bisher: Ich wurde meist mit Skepsis aufgenommen, mit Zurückhaltung. Ich hatte das Gefühl, ich müsse als Ausländer mehr leisten, um akzeptiert zu werden. Aber egal, wohin ich heute zurückgehe – ob nach Bern oder auch nach Rom – jetzt werde ich mit offenen Armen empfangen.

Sie drücken sich oftmals auf Italienisch aus, dies wird manchmal in den anderen Sprachregionen mit Argusaugen verfolgt. Ist es, weil Sie eine besondere Nähe zum Kanton Tessin verbindet – Sie sind ja auch dort wohnhaft – oder weil Sie finden, dass damit auch den Minderheiten ein grösserer Stellenwert eingeräumt wird?

Nein, nein, da wird etwas gar viel hinein interpretiert. Ich wohne seit vielen Jahren im Tessin und rede täglich italienisch. Das mache ich bei Interviews mit Journalisten aus dem Tessin und aus der Romandie, aber wenn ich in deutscher Sprache angeredet werde, antworte ich gern auf Deutsch. Meine Erfahrungen sind viel mehr, dass die Leute schätzen, wenn ich mich bemühe, mich mit ihnen in der Sprache ihrer Region zu unterhalten, selbst wenn ich dabei nicht fehlerfrei bleiben kann.

Im August 2013, als Sie die italienische Mannschaft Lazio Rom trainierten, kritisierten Sie die rassistischen Lieder einiger lokaler Fans. Damals sagten Sie: «Heute sollten wir nicht mehr über Rassismus sprechen, wir müssen ihn verurteilen und ihn ausrotten, damit wir einen fairen Sport und Fussball erleben können». Könnten Sie nochmals präzisieren, weshalb es so wichtig war, damals öffentlich auf diese Art Stellung zu nehmen?

Das ist einfach meine Grundhaltung: Ich möchte, dass die Werte Fairplay und Respekt, die auch von FIFA und UEFA propagiert werden, im Fussball und überall sonst auch gelebt werden.

Eine Woche später entschied Ihre Mannschaft, demonstrativ gemeinsam mit Kindern, die afrikanische Wurzeln hatten, aufs Spielfeld zu treten. Die Spieler zogen ein T-Shirt an, welches den Rassismus verurteilte. Welche Auswirkungen hatte dieser symbolische Akt?

Leider nicht jene, die dazu führte, dass wir heute nicht mehr über dieses Thema sprechen.

Ist Rassismus im Fussball präsenter als in anderen Sportarten?

Im Fussball ist vieles präsenter als in anderen Sportarten oder anderen Bewegungen. Die Popularität ist enorm, die Anhängerschaft ist riesig auf der ganzen Welt. Da wäre naiv zu glauben, dass in jenem Teil der Welt alles nur gut sein kann.

Sie sind seit 2014 Trainer der Schweizer Natio-nalmannschaft. Sie führen eine Mannschaft, welche an den Europameisterschaften von 2016 wohl das «multikulturellste» Team des ganzen Turniers war. Ist es kompliziert, eine solche Mannschaft zu führen?

Nein, überhaupt nicht. Im Gegenteil, es ist sehr spannend, nicht nur für mich, sondern für alle, die sich in ihrer Weise einbringen, um mit dem Schweizer Team Erfolg zu haben. Wir haben eine sehr gute Mischung, eine, die mir persönlich sehr gut gefällt, und wir haben einen grossartigen Teamgeist …

Können Sie uns sagen, aus wie vielen Herkunftsländern die Spieler der Schweizer Na-tionalmannschaft ursprünglich stammen?

Das hängt von der jeweiligen Kaderzusammenstellung ab, aber das ist für mich gar nicht wichtig. Für mich ist auch nicht entscheidend, ob jemand die Nationalhymne singt oder nicht. Wertvoll ist für mich, wie sie alle im Herzen bereit sind, Spiel für Spiel alles für das Team und die Schweiz zu geben.

Zur unterschiedlichen Herkunft: Nehmen Sie dieses Merkmal als eine zusätzliche Herausforderung oder als eine Stärke wahr?

Wenn schon, dann als Stärke.

2015 hatten Medien an die Öffentlichkeit gebracht, dass es gewisse Unstimmigkeiten gab zwischen Fussballspielern Schweizer Herkunft und solchen mit einer Herkunft aus dem Balkan. Wie beurteilen Sie diese Angelegenheit im Nachhinein?

Diese Angelegenheit, wie Sie sagen, war für mich eigentlich gar nie eine. Ich wusste ja, dass alles ganz anders war, als es von gewissen Medien dargestellt wurde.

Wie schreiten die Vorbereitungen für die Fussball-Weltmeisterschaften 2018 voran?

Ich bin sehr zufrieden. Wir haben uns auf allen Ebenen sehr gut vorbereiten können bisher. Für mich ist es die erste WM-Endrunde, aber ich spüre, dass der Verband viel Erfahrung hat. Auch in diesem Zusammenhang darf ich sagen: Viele Menschen mit ganz unterschiedlichem Background sind sehr engagiert. Und die Mischung stimmt, der Team Spirit ist hervorragend.

Das Interview wurde schriftlich geführt.