TANGRAM 42

Editorial

Martine Brunschwig Graf ist Präsidentin der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus EKR

Die EKR widmet die 42. Nummer des TANGRAM den Gemeinsamkeiten und Unterschieden zwischen der Integrationsarbeit und der Rassismusbekämpfung. Beide sind unverzichtbar, ergänzen sich und bezwecken im Wesentlichen, allen Menschen das Zusammenleben unter dem Respekt der in unserem Rechtsstaat garantierten Grundrechte zu ermöglichen.

In der Schweiz gab es bis anhin kein Gesetz, das den Begriff der Integration im Titel trägt. Dies ändert sich ab dem 1. Januar 2019, wenn das Ausländergesetz um den Zusatz der Integration erweitert wird. Das Strafgesetzbuch sanktioniert mit Artikel 261bis Rassismus, Rassendiskriminierung und den öffentlichen Aufruf zu Hass. Im zivilen Bereich regelt jedoch kein Gesetz die rassistische Diskriminierung im Alltag. Menschen, die sich aufgrund ihrer Herkunft, ihrer Hautfarbe oder ihrer Religion als Opfer von Diskriminierung fühlen, stehen vor einem wahren Hindernislauf, wenn sie ihre Rechte geltend machen wollen.

Es ist uns daher ein Anliegen, immer wieder darauf hinzuweisen, wie wichtig die Arbeit der kantonalen und kommunalen Integrationsstellen ist. Sie sind es, die vor Ort die Aufgaben erfüllen, die von den Behörden im Rahmen der Integrationspolitik des Bundes und der kantonalen Gesetze erwartet werden. Die Kantone sind auch für die Diskriminierungsbekämpfung zuständig. Die kantonalen Integrationsdelegierten gewährleisten Anlaufstellen für Menschen, die Opfer von Rassendiskriminierung geworden sind. Diese Anlaufstellen sind sehr wertvoll, denn sie ermöglichen den persönlichen Kontakt und eine beratende und vermittelnde Unterstützung. Sie tragen dort zur Entwicklung guter Praxis bei, wo Diskriminierung im Alltag vorkommen kann. Längst nicht jedes Problem wird vor Gericht gelöst.

Aber die Bekämpfung von Rassismus und Diskriminierung ist komplex. Wenn die Politik die Antwort auf Rassismus hauptsächlich in der Integrationspolitik sieht, lässt sie eine Tatsache ausser Acht: Rassismus trifft nicht nur Ausländerinnen und Ausländer. Ein dunkelhäutiger Schweizer, eine muslimische Schweizerin, eine jenische Familie oder Schweizer Staatsangehörige der jüdischen Glaubensgemeinschaft können rassistischer Aggression und Diskriminierung ausgesetzt sein. Auch integrierte Ausländerinnen und Ausländer können Opfer rassistischer Diskriminierung werden. Weder eine sehr gute Integration noch eine Schweizer Staatsbürgerschaft schützen vor Rassismus.

Stereotypen halten sich hartnäckig und ohne Rücksicht auf Nationalität. Wenn verletzliche Bevölkerungsgruppen schlecht behandelt werden, geschieht dies meist unabhängig davon, ob es sich um Schweizer Staatsangehörige handelt, ob sie integriert sind oder nicht. Das bedeutet, dass es bei der Politik zur Bekämpfung von Rassismus um mehr als nur die Integration geht, auch wenn diese ein wichtiges Element ist. Rassismusbekämpfung und Integration stehen nicht in einem Konkurrenzverhältnis zueinander, sondern sie sind komplementär. Aus diesem Grund müssen die Instrumente zur Diskriminierungsbekämpfung in den Integrationsprogrammen wahrgenommen und mit den nötigen finanziellen Mitteln ausgestattet werden.