TANGRAM 42

Angepasst oder selbstbewusst anders?

Integrationsarbeit und der Kampf gegen Anti-Schwarze-Rassismus

Autoren

Alima Diouf ist Geschäftsleiterin MhM; Jürg Gutjahr ist Vizepräsident im Vorstand von MhM.
migrantenhelfen@hotmail.com

Menschen schwarzer Hautfarbe sind besonders von Diskriminierung betroffen. Die Basler Selbsthilfeorganisation «Migranten helfen Migranten» setzt auf interkulturellen Dialog, Vermittlung und Mediation.

Rassismus erschwert die Integration. Wenn man sich in einem fremden Land nicht akzeptiert und Vorurteilen ausgesetzt fühlt, wie soll man sich dann integrieren können? Fremde Sprache und Hautfarbe, Kleidung und Verhalten sind noch viel zu oft Auslöser für rassistische Äusserungen und Verhaltensweisen auf der Strasse, in der Schule und am Arbeitsplatz. Wir erleben allzu oft Diskriminierung beim Zugang zur Justiz. Auch sind wir aufgrund der Erstellung von Personenprofilen auf der Basis der Rasse in hohem Masse der Polizeigewalt ausgesetzt. Darüber hinaus ist unsere politische Teilhabe oft gering (Unmöglichkeit der Wahlbeteiligung, Besetzung politischer Ämter). Nur wer sich im Schweizer System bewegen kann und die richtigen Fragen stellen lernt, macht wichtige Schritte in Richtung Integration und hilft mit, dass Vorurteile in der «Gastgeber»-Bevölkerung abgebaut werden.

Der Begriff der Integration ist für uns Afrikaner sehr unklar. Es gibt Menschen, die unter Integration gesellschaftliche Teilhabe, gleiche Rechte und gleiche Chancen im sozialen, politischen wie kulturellen Rahmen verstehen. Und es gibt einen Integrationsbegriff, der sehr stark auf kulturelle Assimilation fokussiert ist: Dabei werden Afrikaner aufgefordert, ihre nichtschweizerische Identität abzulegen, um auf eine vorgegebene Weise Schweizer zu werden, die künstlich ist. Künstlich deshalb, weil wir als Afrikaner nie originäre Schweizer werden können. Integration wird immer weniger als eine Einladung verstanden, hier anzukommen, und in der Schweizer Gesellschaft gleichberechtigt und selbstbestimmt zu leben.

An welchem Punkt unsere Hilfe zur Selbsthilfe ansetzen soll, ist oft schwierig abzuschätzen: Sollen wir helfen bei der Anpassung an Schweizer Verhältnisse, oder sollen wir die Betroffenen bestärken im Bewusstsein um ihre Andersartigkeit?

Bei unserer Beratungsarbeit erfahren wir immer wieder die gleichen Fragen, die sich Menschen schwarzer Hautfarbe tagtäglich stellen müssen:

Wie verhalte ich mich richtig, wenn ich rassistischen Angriffen ausgesetzt bin?
Wie argumentiere ich, wenn rassistische Aussagen fallen?
Wie bewahre ich meine Identität und komme mit fremden Einflüssen zurecht?
Welche Organisationen setzen sich gegen Rassismus ein?
Können wir uns trotz unserer Hautfarbe selber als Mitglieder dieser Gesellschaft anerkennen?

Grenzen der Integrationspolitik

Mit der von harten SVP-Positionen geprägten Ausländerpolitik stossen wir an die Grenzen der Integrationspolitik im Kampf gegen Rassismus. So werden Afrikaner von der Staatsgewalt häufig als Dealer sowie Zuhälter eingestuft und kontrolliert, also als potenziell gefährliche Gruppe wahrgenommen. Solange die alte «Das Boot ist voll»- und «Die Schweiz den Schweizern»-Mentalität zelebriert wird, haben Migranten kaum Chancen, ohne Vorbehalte in diese geschlossene Gesellschaft aufgenommen zu werden.

Beim Kampf gegen Rassismus in der Schweiz sollten die Themen Rassismus und Diskriminierung im Mittelpunkt stehen. Durch gemeinsames Bearbeiten der Themen soll ein gegenseitiges Verständnis geschaffen werden. Rassistische Vorfälle sollen nicht als Überreaktion oder Einzelfall abgetan werden. Mit unseren Workshops sowie begleitenden Veranstaltungen wollen wir zum einen erreichen, dass Rassismus weniger präsent ist im Alltag und zum anderen, dass Migrantinnen und Migranten lernen, stolz auf ihre Herkunft zu sein.

Die Kantone müssen alle Hindernisse ausräumen, die den gleichberechtigten Zugang zu allen Menschenrechten einschliesslich der wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen, bürgerlichen und politischen Rechte und Pflichten verhindern. Auch die Bundesbehörden sollten nationale Aktionspläne ausarbeiten, die in die gleiche Richtung zielen. Eine konzertierte Aktion aller Anlaufstellen ist nötig, um in der gemeinsamen Arbeit Lösungen zu finden für eine praxisorientierte, humane Umsetzung einer vielschichtigen Integrations- und Anti-Rassismus-Politik.

Bei Anti-Rassismus-Projekten wollen wir Menschen mit unterschiedlichem Migrationshintergrund und «Eingeborene» zusammenbringen: durch interkulturelle Konzerte, Veranstaltungen, Theaterstücke, Präventions- und Interventionsinitiativen, Kinder- und Kulturenfeste, internationales Schwing- und Trachtenfest, multikulturelles Fussballturnier usw.

Dichtes Netzwerk

Das Team von «Migranten helfen Migranten» (MhM) besteht in Basel aus einem dichten Netzwerk von Migrantinnen und Migranten aus aller Welt und Schweizer/innen, die in verschiedener Weise die Ziele des Vereins unterstützen. Diese Menschen haben sich zusammengeschlossen, um aufgrund eigener Erfahrungen und Beobachtungen und mit Hilfe ihres breiten Netzwerkes Beratungs-, Integrations- und Antirassismusprojekte zu initiieren und durchzuführen.

Der interkulturelle Dialog, die Vermittlung und Mediation bilden die Basis für die Dynamik der Organisation. MhM fokussiert seine Arbeit schwerpunktmässig auf Migranten/- innen afrikanischer Herkunft.

Um Konflikte und Missverständnisse im öffentlichen Raum vorzubeugen oder bei Problemsituationen frühzeitig intervenieren zu können, baut MhM in Beziehungsarbeit Vertrauen auf und organisiert Kommunikationstreffen (Runder Tisch und World-Café-Methode) mit öffentlichen Stellen, wie Schulen, Lehrpersonen, Schulsozialarbeitern und der Polizei. Seit Mai 2015 wird MhM von verschiedenen Stiftungen, Organisationen, Vereinen, von der Fachstelle für Rassismusbekämpfung (FRB) usw. unterstützt.