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Hanspeter Fent ist Geschäftsleiter TikK (Träger ist der Verein Task Force interkulturelle Konflikte). TikK ist von mehreren Kantonen beauftragt, im Rahmen der kantonalen Integrationsprogramme (KIP), Betroffene von rassistischer Diskriminierung zu beraten und andere Beratungsstellen im Kompetenzaufbau zu unterstützen und Sensibilisierungsarbeit bei Verwaltungsstellen zu leisten.
fent@tikk.ch
Die Fach- und Beratungsstelle TikK leistet einen Beitrag zur Lösung von Konflikten sowie zur Aufarbeitung und Prävention von Gewaltereignissen zwischen der einheimischen und zugewanderten Bevölkerung. Im Zentrum der Arbeit stehen Probleme und Konflikte, deren tatsächliche oder vermeintliche Ursachen sich auf interkulturelles Unverständnis, Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Benachteiligungen der zugewanderten wie auch der einheimischen Bevölkerung zurückführen lassen.
Grundsätzlich wenden sich ratsuchende Personen an eine Beratungsstelle, weil sie sich von dieser Hilfe erhoffen. Dies ist auch im Bereich der rassistischen Diskriminierung nicht anders. Speziell ist jedoch, dass der zentrale Beratungsgegenstand – die rassistische Diskriminierung – sich meist nicht isoliert, sondern als Teil einer komplexen Problemstellung zeigt. Für Ratsuchende wie für Beratende ist dies eine anspruchsvolle Ausgangslage. Sie müssen als erstes gemeinsam herausfinden, ob und wie die rassistische Diskriminierung das Problem verursacht bzw. beeinflusst. Die Klärung dieser Fragestellung führt in jedem Fall zu einer nächsten Herausforderung. Liegt rassistische Diskriminierung vor, ist zu klären, welches die adäquate Hilfe ist: Coaching, Beratung, Mediation, Rechtsweg usw. Erst nachfolgend kann die Hilfeleistung tatsächlich erbracht werden. Liegt keine rassistische Diskriminierung vor, bleibt die Beratungssituation gleichwohl anspruchsvoll. Es ist sehr wichtig, der ratsuchenden Person plausibel zu erklären, dass keine rassistische Diskriminierung vorliegt und deshalb ein anderes Vorgehen bei der Problemlösung gefunden werden muss. In diesem Fall beinhaltet die Beratungsleistung, der ratsuchenden Person einen Perspektivenwechsel zu ermöglichen und ihr einen anderen Lösungsweg aufzuzeigen.
Diese Zusammenhänge verdeutlichen: Die Beratung von Menschen, die sich rassistisch diskriminiert fühlen, ist komplex und anspruchsvoll. Für die ratsuchende Person ist die Beratung immer dann nützlich, wenn sie einen tatsächlichen Mehrwert bezüglich Problemlösung erfährt. Damit dies möglich ist, darf sich die Beratung nicht alleine auf die Frage beschränken, ob im konkreten Fall rassistische Diskriminierung vorliegt oder nicht. Vielmehr ist die Klärung dieser Frage zentral, um adäquat das darauffolgende Vorgehen bezüglich der Problemlösung und Hilfeleistung festzulegen.
Unsere langjährige Erfahrung als Beratungsstelle zeigt, dass das Spektrum der Ratsuchenden sehr breit ist. Es sind mehrheitlich Zugewanderte aber auch Einheimische, die unsere Stelle aufsuchen. Sie leben sowohl in Städten wie in ländlichen Regionen und stammen aus allen gesellschaftlichen Schichten. Wichtige Unterschiede stellen wir bei der Frage fest, wer welche Hilfe benötigt. Ratsuchende mit sicherem sozialen Status sowie ökonomischer Unabhängigkeit verfügen oft über eigene Ressourcen, um sich gegen die erfahrene Diskriminierung zu wehren. Sie finden die Beratungsstellen in der Regel eigenständig (über Internet oder Infobroschüren) und bringen ihren Bedarf an. Anders verhält es sich bei Ratsuchenden mit belasteten Lebenssituationen (Aufenthaltsstatus, Wohnung, Arbeit, Beziehungen usw.). Sie finden unser Beratungsangebot meist zufällig. Häufig werden sie durch Personen aus ihrem sozialen Umfeld auf uns aufmerksam gemacht, welche selber unsere Beratung beanspruchen oder beansprucht haben. Auch über die Vermittlung von staatlichen- und nichtstaatlichen Stellen finden sie den Weg zu uns. Die Anforderungen an die – im Rahmen des Diskriminierungsschutzes – zu leistende Hilfestellung sind in solchen Fälle sehr anspruchsvoll. Oft befinden sich die Ratsuchenden in existenziellen Notlagen. Die Diskriminierung ist dabei meist subtil vorhanden und eine wichtige Triebfeder der Verhärtung.
Aus diesem Spektrum lassen sich keine Kategorien von Ratsuchenden ableiten, die mehr oder weniger Unterstützung benötigen. Es stellen sich aber andere wichtige Fragen: Nämlich die, ob unsere Beratungsstelle über genügend Ressourcen und fachliche Kompetenz verfügt, um Ratsuchende mit komplexen Problemstellungen profes-sionell zu unterstützen. Und weiter, wie erreicht werden kann, dass die besonders verwundbaren Menschen auch tatsächlich den Zugang zu den Beratungsstellen finden. Diesbezüglich müssen neue Formen und Strategien des aufsuchenden Arbeitens gefunden werden. Unsere Organisation ist aktuell an der Umsetzung entsprechender Pilotprojekte.
Die zuständigen Fachpersonen für die Kantonalen Integrationsprogramme beschäftigen sich zu Recht mit der Frage, was es braucht, damit Beratungsstellen im Rahmen des Diskriminierungsschutzes die gewünschte Wirkung erzielen können. Zusätzlich zu den Faktoren Fachkompetenz, Ressourcen und der Erreichbarkeit, stellt sich auch die Frage nach der strukturellen Einbettung der Beratungsstelle. Real existieren sehr unterschiedliche Modelle, so nehmen staatliche Stellen wie auch von Staat beauftragte gemeinnützige Organisationen (wie z.B. TikK) diese Aufgabe war. Es gibt keine richtige oder falsche Einbettung. Jedoch ist wichtig zu bedenken, dass der Auftrag – was ist möglich und wo sind die Grenzen – je nach Einbettung klar festgelegt sein muss. Jede Form der strukturellen Einbettung bietet unterschiedliche Möglichkeiten und Grenzen. Zum Beispiel verfügt eine in der Verwaltung eingebettete Beratungsstelle über mehr strukturelle Macht als eine gemeinnützige Organisation, um einen Diskriminierungsfall bei den Beteiligten benennen zu können. Auf der anderen Seite hat eine gemeinnützige Organisation den Vorteil, dass sie weniger in Interessenskonflikte gerät, weil sie aufgrund ihrer Funktion (Gemeinnützigkeit und freiwilliger Kundenkontakt) dem Diskriminierungsvorwurf weniger ausgesetzt ist. Auch muss sie eine weniger existenzielle Abhängigkeit von anderen Organisationseinheiten berücksichtigen, wie dies bei der öffentlichen Hand der Fall ist. Die im Rahmen des KIP I aufgebaute Beratungsstruktur müssen in dem Sinne weiterentwickelt werden, dass die Vielfalt der strukturellen Einbettung der einzelnen Beratungsstellen für die Fallbearbeitung besser genutzt werden kann. Hierzu ist nötig, dass erstens die Beratungsstellen ihre eigene Begrenzung anerkennen und zweitens deren Kooperation mit anderen Beratungsstellen seitens der Auftrag- und Geldgeber gewünscht und mitfinanziert wird.