Autoren
Nathalie Bayard und Zeynep Ersoy Koral sind die Ko-Projektkoordinatorinnen. Andi Geu und Ron Halbright sind Ko-Geschäftsleiter von NCBI (National Coalition Building Institute) Schweiz. schweiz@ncbi.ch
Seit 2001 engagiert sich der Verein NCBI für den Abbau von feindlichen Einstellungen gegenüber der muslimischen Bevölkerung. In interaktiven Workshops werden Vorurteile thematisiert und hinterfragt.
Nach den terroristischen Anschlägen in mehreren europäischen Städten hat sich die Welle der Angst gegenüber Musliminnen und Muslimen erneut verstärkt. Berichte über Dschihadreisende lösen weitere Befürchtungen aus. Dazu kommen Tausende von ankommenden Geflüchteten aus Syrien und anderen muslimischen Ländern. Nach dem Minarettverbot von 2009 wird das Schweizer Stimmvolk aufgrund einer zustande gekommenen Volksinitiave über ein schweizweites Burkaverbot abstimmen. Ein solches Verhüllungsverbot gilt bislang im Kanton Tessin. In dieser zunehmend polarisierten Situation verbreiten sich muslimfeindliche Haltungen und Handlungen. Betroffene berichten oft von Vorurteilen und Diskriminierungserfahrungen bei der (Lehr-)Stellensuche, in der Schule, auf der Strasse – aber auch in der Familie.
Diese Vorurteile und ihre Entstehung werden im Projekt «Andere Sitten, andere Menschen?» von NCBI auf eine konstruktive Art thematisiert und hinterfragt. In interaktiven Workshops geben Musliminnen und Muslime unterschiedlicher Herkunft und Religiosität Auskunft darüber, wie sie ihre Religion leben und wie sie in der Schweiz Vorurteile und Diskriminierung erleben. Mit persönlichen Gegenständen wie Gebetsteppich, Gebetskette, Kopftuch oder Koran zeigen sie ihren Bezug zur Religion im Alltag und beantworten Fragen über ihre Erfahrungen, Haltungen und den Umgang mit dem Leben als muslimische Minderheit in der Schweiz. Dadurch werden Falschinformationen korrigiert, und es wird sichtbar, wie vielfältig die muslimische Bevölkerung in der Schweiz ist.
Weiter üben die Teilnehmenden, wie sie in Gesprächen Vorurteile konstruktiv aufbrechen können. Vorurteile und Ängste können ab-, Vertrauen und Zivilcourage aufgebaut werden. Die Teilnehmenden kommen oft zur Einsicht, dass jeder Mensch eine Mitverantwortung hat, die medial und politisch geförderte Distanz zu Musliminnen und Muslimen zu überwinden. Durch Umfragen, welche die Teilnehmenden auf der Strasse, zu Hause sowie im Kollegenkreis durchführen, werden weitere Menschen zum Nachdenken angeregt und für eigene Vorurteile sensibilisiert. Diese Erfahrungen werden in einem Rahmenprogramm mit Kurzfilmen und zu Fragen anregenden Plakaten noch vertieft. Weiter bietet NCBI Beratungen für muslimische Jugendliche in schwierigen Situationen an – insbesondere für kopftuchtragende junge Frauen, die Schwierigkeiten beim Übergang in die Arbeitswelt haben. Zudem publizierte NCBI in den letzten 15 Jahren verschiedene Ratgeber – darunter die neuste Broschüre «Ich spreche für mich. Erfahrungen von muslimischen Jugendlichen mit Vorurteilen».
Diese Aktivitäten zeigen Wirkung: In Hunderten von Veranstaltungen und Workshops wurden mehrere Tausend Personen sensibilisiert. Die erprobte Methodik von NCBI schafft einen sicheren Rahmen, in dem Fragen gestellt, Vorurteile abgebaut und schwierige Erlebnisse reflektiert werden können. So finden Begegnungen in Schulen, Kirchen und anderen Institutionen statt. Zielpublikum sind Jugendliche ab 11 Jahren, aber auch Erwachsene, die eine konstruktive Auseinandersetzung und Differenzierung fördern.
Link: www.ncbi.ch/islamophobie