TANGRAM 38

Die heutigen Lösungen genügen nicht. Plädoyer für mehr Diskriminierungsschutz im Arbeitsbereich

Autor

Kurt Pärli ist Spezialist für Arbeitsrecht und Professor für Soziales Privatrecht an der Universität Basel.
kurt.paerli@unibas.ch

Das geltende Recht enthält zwar Instrumente gegen diskriminierende Praktiken. Diese Instrumente genügen aber insbesondere im Arbeitsrecht nicht. Nötig wäre ein Gesetz, das klare Signale aussendet und Rechtssicherheit vermittelt.

Der Bundesrat ist der Auffassung, das Schweizer Recht biete ausreichenden Schutz vor Diskriminierung. Im Privatrecht sei der Schutz zwar punktuell lückenhaft und der Bundesrat ist bereit, entsprechende Empfehlungen des Kompetenzzentrums für Menschenrechte zur Verbesserung der Situation vertieft zu prüfen. Eine solche Haltung ist mutlos. Im europäischen Vergleich steht die Schweiz bezüglich Niveau des Diskriminierungsschutzes – insbesondere im Arbeitsrecht – schlecht da. So existiert kein ausdrückliches gesetzliches Verbot der Altersdiskriminierung. Sowohl altersdiskriminierende Stellenausschreibungen und Selektionsentscheide als auch Kündigungen wegen des Alters sind weit verbreitet, können aber kaum wirksam bekämpft werden.

Nicht besser ergeht es Personen, die wegen einer Behinderung oder wegen ihrer Herkunft oder Hautfarbe im Arbeitsleben benachteiligt werden. Wie der Bundesrat richtig festhält, sieht das bestehende Recht Instrumente vor, mit denen diskriminierenden Praktiken entgegengewirkt werden kann. Die heutigen Lösungen genügen jedoch nicht. Als Hauptschwierigkeiten erweisen sich die fehlende Beweislasterleichterung und die kaum spürbaren Sanktionen. Dazu kommt: Wenn Diskriminierungsschutz im Arbeitsverhältnis nur durch Anrufung von Generalklauseln zu Persönlichkeitsschutzbestimmungen erwirkt werden kann, so bringt das eine grosse Rechtsunsicherheit mit sich.

Dornenreicher, aber lohnender Weg

Die Entscheidung, welche Personengruppen aus welchen Gründen wo und wie vor Diskriminierung zu schützen sind, muss in einem Gesetz verankert werden. Damit werden einerseits klare Signale an alle Beteiligten ausgesendet, und andererseits wird Rechtssicherheit vermittelt. Ein Gesetzesvorschlag für die Verbesserung des Diskriminierungsschutzes wird allerdings im Parlament einen schweren Stand haben. Zudem würde ein vom Parlament erlassenes Gesetz mit Garantie auf dem Weg des Referendums angefochten. Das gehört zur politischen Kultur, und der Weg zu einem gültigen Gesetz wäre lang und dornenreich. Aber der Aufwand würde sich lohnen: Ein schlussendlich vom Volk im Referendumskampf angenommenes Gesetz würde auf eine hohe Akzeptanz stossen und auch in der Praxis sinnvoll angewendet werden können. Der Bundesrat müsste auf diesem Weg mutig vorangehen und einen praktikablen Gesetzesvorschlag unterbreiten.

Lösung auch im Gleichstellungsgesetz möglich

Manchmal muss man für eine gute Lösung nicht zu weit suchen. Das Bundesgesetz über die Gleichstellung von Frau und Mann (GlG) verbietet jede Diskriminierung aufgrund des Geschlechts in allen Phasen eines Arbeitsverhältnisses. Warum also ergänzt man nicht das Gleichstellungsgesetz um weitere Diskriminierungsmerkmale? Artikel 3 Absatz 1 des GlG verbietet die Diskriminierung aufgrund des Geschlechts. Man könnte Artikel 3 Absatz 1bis einfügen und darin weitere Persönlichkeitsmerkmale aufführen, aufgrund derer die Diskriminierung verboten ist. Vordringlich angezeigt wären Diskriminierungsverbote aufgrund der (zugeschriebenen) Rasse und ethnischen Herkunft, einer Behinderung, des Alters und der sexuellen Orientierung. Man könnte die Liste auch offen formulieren und so der Rechtspraxis ermöglichen, die Liste bei Bedarf weiter zu entwickeln